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Diskussionsforum

Schleife lernen

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27. Januar 2009 18:08 # 1
Registriert seit: 12.08.2008
Beiträge: 24

Hallo alle zusammen,

hat jemand von Euch einen Tipp, wie man einen 6-jährigen Jungen (1.Klasse, Grundschule) die Schleife am besten lernen kann. Diesbezüglich ist er recht unmotiviert.

Freue mich auf Antworten

27. Januar 2009 18:17 # 2
Registriert seit: 13.05.2008
Beiträge: 382

Geändert am 27.01.2009 20:39:00
Hallo bluemel,

mehrere Tipps zum Thema wurden vor kurzer Zeit auf die Frage von "you511" unter dem Thema "Wie bringe ich einem Lernbehinderte(n!)m Kind bei ..." gegeben.

Schau mal dort nach, vielleicht kannst Du damit ja etwas anfangen. "you511" konnte es zwar nicht, aber ich glaube nicht, dass das an den Antwortenden lag ...

Gruß, Ergo 05

27. Januar 2009 19:41 # 3
Registriert seit: 11.08.2005
Bundesland: Sachsen
Beiträge: 842

Ich kenne die näheren Umstände nicht, aber Schleife lernen ist etwas, wofür die Eltern zuständig sind. So nebenbei (wenn wir z.B. in der Werkstatt die Schürze umbinden) zeige ich es meinen Kleinen auch, aber das ist nicht primär Aufgabe von uns Ergos.

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Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht
27. Januar 2009 19:54 # 4
Anedo87
Anedo87
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 125

wie ??? wieso meinst du, dass es nicht Aufgabe der Ergotherapie ist?

27. Januar 2009 20:33 # 5
Registriert seit: 11.08.2005
Bundesland: Sachsen
Beiträge: 842

Geändert am 27.01.2009 20:35:00
Die Betonung liegt auf primär. Sonst könnten ja alle Eltern ihre Kinder mal eben zur Ergo schicken - die richten das schon mit dem Schleife binden. Mal abgesehen davon, dass es die meisten Eltern auch nicht für nötig halten, ihrem Kind sowas beizubringen - sie verlassen sich auf Klettverschlüsse. Kinder, die in die Ergo kommen, haben sicher schwerwiegendere Defizite, um die es sich vorrangig zu kümmern gilt.
Aber wie gesagt - ich kenne in diesem Fall die näheren Umstände nicht.

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Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht
27. Januar 2009 23:00 # 6
Registriert seit: 22.11.2005
Beiträge: 47

wenn es von der feinmotorik her gar nicht klappen will könnte der trick mit dem schlaufenknoten helfen,
erst eine knoten machen,
zwei schlaufen bilden, diese einmal zusammenknoten, fertig
ersetzt natürlich nicht das erlernen des schleifenbindens, gibt aber erst einmal ein tolles erfolgserlebnis nach vielen frustrierenden fehlversuchen,
nach meiner erfahrung halt, nix für ungut.

heike

"nicht verzagen wiegand fragen"
28. Januar 2009 10:00 # 7
Registriert seit: 02.06.2005
Beiträge: 3215

Hallo,
was macht es dem Kind denn schwer, eine Schleife zu binden ?
An welchem Punkt bricht die Handlung zusammen ?
Was gelingt schon ?
Sicherlich gibt es für Kinder, die sich "normal" entwickeln Pauschalanleitungen fürs Schleifebinden.
Aber die Kinder kommen ja zu uns, weil sie auffällig sind in der Entwicklung, was sich u.a. in motorischen Lernstörungen oder -schwächen zeigt.
Wenn Du etwas genauer beschreibst, wie der Junge an diese Handlung herangeht (s.o.) kann ich Dir einen individuellen Therapievorschlag machen.
Grüße von


Oetken1
29. Januar 2009 20:34 # 8
Registriert seit: 26.08.2007
Beiträge: 308

Hallo Bluemel,

das lebenspraktische Ziel ist "Schleife binden".
Was sind die zugrunde liegenden Schlüsseldefizite? Räumlich konstruktive Defizite? Feinmotorikstörung?

Ich bin der Meinung, Gehen lernt man nicht beim Laufen, sondern indem man die zugrunde liegenden Schlüsselkompontenten erarbeitet. Dazu muß man aber die Defizite diagnostisch herausgefunden haben, mit Gießkannentherapie hilfts meist nicht, oder dauert ein paar Einheiten länger...

Schreib uns noch was,
liebe Grüße, Känguru


29. Januar 2009 21:03 # 9
Registriert seit: 02.06.2005
Beiträge: 3215

Zitat:

Hallo Bluemel,

das lebenspraktische Ziel ist "Schleife binden".
Was sind die zugrunde liegenden Schlüsseldefizite? Räumlich konstruktive Defizite? Feinmotorikstörung?

Ich bin der Meinung, Gehen lernt man nicht beim Laufen, sondern indem man die zugrunde liegenden Schlüsselkompontenten erarbeitet. Dazu muß man aber die Defizite diagnostisch herausgefunden haben, mit Gießkannentherapie hilfts meist nicht, oder dauert ein paar Einheiten länger...

Schreib uns noch was,
liebe Grüße, Känguru




Hallo Känguru,
Du beschreibst den klassischen "bottom-up"-Therapieansatz, der in der Ergoszene so wie in der gesamten Therapiewelt weit verbreitet ist.
In der Pädiatrie sind einige "bottom-up"-Therapiemethoden prägend, die aus einem hierarchischen Entwicklungsmodell heraus entstanden sind, so z.B. die SI oder auch das Bobath-Konzept.
Das hierarchische Entwicklungsmodell war bis weit in die 80er Jahre prägend, mittlerweile ist es aber umstritten.
Es ist von seiner Grundannahme "den Menschen funktionell in den Basisfunktionen verbessern, dann lernt er die höheren Funktionen von selbst" zwar attraktiv - wer möchte sich nicht optimieren ? - aber hat nicht den Effekt gezeigt, den man sich ursprünglich versprochen hat.
Organismen entwickeln sich offenbar viel individueller und komplexer, als man bisher gedacht hat.

Oder profaner "der Mensch ist kein Auto".

Seit die nichtärztlichen Therapien sich vom eher naturwissenschaftlichen Denken mehr in Richtung Geisteswissenschaften entwickelt haben, bzw. ihre Grundannahmen überdacht und mit Hilfe der Erkenntnisse der Geisteswissenschaften erweitert haben, gibt es ein zweites therapeutisches Modell, nämlich das "top-down".
Das folgt in der Tat dem Motto "Gehen lernt man beim Laufen" und nicht indem man sich auf eine Behandlungsliege legt und eine Brücke macht.
Oder auf einem Pezziball vor- und zurückgerollt wird.
Auf den Fall "Schleife binden" angewandt hieße das : Das Kind lernt am Beispiel "Ich lerne, meine Schuhe zuzubinden" seine Fingerbewegungen so zu steuern, daß es zwei Bänder so umeinander legen kann, daß eine Schleife entsteht. Möglicherweise muß es auch erkennen lernen, daß Knoten und Schleifen einer bestimmten räumlichen Anordnung folgen müssen.
Das Kind durch den notwendigen Erkenntnisprozeß zu leiten und es fortwährend - auch bei Mißerfolgen - zu motivieren aus seinen Fehlversuchen zu lernen ist die therapeutische Kunst dabei. Wenn das Kind dann noch in die Lage versetzt wird, das Gelernte auf andere alltägliche Probleme zu übertragen, ist der therapeutische Prozeß nach dem "top-down"-Ansatz gelungen.

Beide Ansätze stehen derzeit nebeneinander.

In einigen Bereichen - z.B. der Orthopädie und Neuropädiatrie halte ich funktionelle "bottom-up"-Therapie für sehr sinnvoll und auf jeden Fall angezeigt.
Bei der Behandlung von Kindern mit Entwicklungsverzögerungen wird die Zukunft zeigen, welcher Ansatz sich durchsetzt, bzw. welchem Paradigma die Ergos, die Therapiemethoden weiterentwickeln, auf Dauer folgen werden.
Auf jeden Fall ist es für mich spannend, diesen Prozeß zu beobachen und mitzugestalten.
Und ich freue mich auf viele spannende und erhellende Diskussionen hier im Forum.

Grüße von

Oetken1
31. Januar 2009 10:34 # 10
Registriert seit: 14.03.2007
Beiträge: 9

Wenn ein Kind überhaupt nicht motiviert ist, baue ich das Schlaufe-lernen "nebenbei" in die Therapie ein. Dabei beginne ich erst einmal mit dem Knoten. (Z.B. beim Schürzen binden, irgendwelchen "Dschungelspielen", bei denen Knoten gelöst und wieder gebunden werden müssen...) Wenn der Knoten klappt, beginnt das Schleifebinden. Ich verwende ab und zu zwei Bänder mit verschiedenen Farben.
Ab und zu hilft es auch Geschichten dazu zu erzählen. Wie so eine Art Brücke.

1. Februar 2009 20:44 # 11
Registriert seit: 26.08.2007
Beiträge: 308

Ät Oetken:

"Gehen lernen durch Brücke machen" ist bei mir seit mindestens 10 Jahren out. Trotzdem erarbeiten wir Schlüsselkomponenten der komplexen Gesamtleistung. Im Moment wieder mal öfter und mit Begeisterung durch Perfettis, Frankas und Susannes geniale Ideen.
Weißt du, was ich glaube? Das sensomotorischer und kognitiver Leistungserwerb immer eine Koppelung von Bottom-Up und Top-Down- Prozessen ist.

Und wenn ich mir die komplexe "Schnurverarbeitungs"leistung meines vierjährigen Sohnes anschaue, oder das Üben von Bewegungskomponenten beim Radfahren meiner Dreijährigen, oder wie meine 1Jährige das Laufen erlernt, ist das der nicht wissenschaftliche, aber deutlich sichtbare Beweis meiner Vermutung.

Liebe Grüße, känguru

1. Februar 2009 22:05 # 12
Registriert seit: 13.05.2008
Beiträge: 382

Geändert am 01.02.2009 22:52:00
An Kaenguru und Oetken,

ich habe einemal folgendes auf dem Klinikflur beobachtet:

Eine schwer betroffene Schlaganfallpatientin mit ausgeprägter Pusher- und Neglektsymptomatik wird von der Physiotherapeutin am Handlauf mobilisiert. Dabei drängt die Therapeutin die Patientin mit dem Körper gegen die Wand, setzt ihr ein Bein vor das andere, indem sie mit Händen und Füßen schiebt und den angebremsten Rollstuhl zur "Sicherheit" hinterherschleift. Die Patientin schaut weder im Ansatz auf die betroffene Seite noch setzt sie irgendeine Anweisung um.

In der Visite berichtete die Physiotherapeutin von Erfolgen beim Gehen am Handlauf.

Sicher, wenn ich die Fortbewegungsart "Gehen" meine, dann muss man aufrecht auf den Beinen stehen und ein Bein vor das andere setzen. Dann geht der Mensch.

Ich bin mir allerdings ganz sicher, dass diese Aktivität nach diesem Training nicht in geringster Weise beübt worden war, sondern das Vorgehen den Hypertonus und die Angst der Patientin eher noch verschärft hat, eine Awareness für das Störungsbild so nicht erarbeitet werden konnte.

In diesem Fall lernte die Patientin also nicht das "Gehen beim Laufen".

Worauf ich damit hinaus will, ist die Erkenntnis, dass wie oben von Euch beschrieben, Top-down- und Bottom-up- Prozesse in einer Therapie eine Rolle spielen. Die Denkrichtung geht dabei von oben nach unten (Rehaziel - Richtziel - Grobziele - Feinziele) und die Arbeitsrichtung den umgekehrten Weg. Es heißt also Schlüsselqualifikationen zu erarbeiten, um einen Aktivität ausführen zu können, die einen Beitrag zu einem selbstbestimmten Leben auf der Ebene der Selbstversorgung, der Freizeit oder der Arbeit / des Lernens leisten kann und an den Bedürfnissen des Klienten orientiert ist.

Wie richtig gesagt wurde, gehört immer der ergotherapeutische Befund dazu, um den geeigneten Weg zu finden. Dieser geeignete Weg ist so unterschiedlich wie die Klienten selbst. Ich muss als Therapeut wissen, welche Schlüsselqualifikationen gehören zu einer Aktivität und in welcher Qualität und welcher Quantität beherrscht sie mein Klient, kann ich sie als Stärke nutzen oder ist sie vielleicht der Grund, warum die Aktivität nicht gelingt.

Wenn der Neglektpatient keine Awareness für sein Krankheitsbild entwickelt, gibt es für ihn keinen Grund bei der Therapie mitzuarbeiten und Denkprozesse in Gang zu setzen, die förderlich für die Rehabilitation sind (z. B. den Kopf zur weniger betroffenen Seite zu wenden); wenn das Kind die Körpermittellienienkreuzung nicht zu leisten vermag, wird es am Schreiben einer Acht oder dem Schleifebinden scheitern (wenn man die Körpermittellinienkreuzung jetzt beispielsweise als Defizit definieren würde).

Aus diesem Grund muss man schon beim Arbeiten unten anfangen. Das oberste ergotherapeutische Ziel sollte aber immer die verbesserte Handlungsfähigkeit des Klienten im Alltag bleiben. Das rein funktionelle Training darf in der modernen Ergotherapie keinen Platz mehr haben, denn es widerspricht ja unserer eigenen Definition, dem Berufsverständnis der Ergotherapeuten. Allerdings kann ich es dann und wann in verschiedenen Einrichtungen (besonders Kliniken) leider noch immer beobachten.

Gruß, Ergo 05



1. Februar 2009 22:11 # 13
Registriert seit: 12.08.2008
Beiträge: 24

Hallo

danke erstmal für Eure vielen Antworten und sorry, dass ich mich solange nicht gemeldet habe.

Der Junge hat Probleme mit der Feinmotorik. Er schafft es mittlerweile, in ein dickes Seil einen Knoten zu machen. Das hab ich spielerisch verpackt und er hat den Knoten ganz nebenbei gelernt, war natürlich mächtig stolz.
Die Schleife erscheint ihm zu komplex und er will sich gar nicht drauf einlassen. Da kommt sofort ein "Das will ich nicht, das kann ich nicht ...... Ich versuchs jetzt auch nochmal etwas spielerischer und mit Sprüchen, ich hoffe es klappt.

Liebe Grüße, bluemel

1. Februar 2009 23:58 # 14
Registriert seit: 13.05.2008
Beiträge: 382

Geändert am 02.02.2009 19:48:00
Hallo Bluemel,

schön, dass Du schon etwas erreichen konntest.

Ich weiß ja nicht, inwieweit die Behandlung von Zeit und Rezepten abhängig ist. Gut fände ich, wenn Du dem Kind Zeit geben könntest, die neu erworbene Fähigkeit zu festigen und zu automatisieren, das Gelernte vom großen Seil auf immer kleinere Schnüre zu übertragen.

Wenn das keine Herausforderung für das Kind mehr ist ( - weil es das Ganze sicher kann und dafür ja von außen nun auch kein Lob mehr fällig wird -), dann entsteht bestimmt auch eine intrinsische Motivation, es mit der Schleife doch mal zu probieren. Damit würde ich auch wieder ganz groß anfangen, also gemeinsam am dicken Seil.

Gruß, Ergo 05

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