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Diskussionsforum

Stigmatisierung

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21. November 2011 17:06 # 1
Registriert seit: 15.03.2002
Beiträge: 128

Hallo!
Heute begegnet mir schon den ganzen Tag dieses Thema. Ich würde mich über Erfahrungen, Infos, etc. dazu freuen.
Bsp. 1
Dame in Akutklinik ist stark sturzgefährded, verweigert aber partout einen Rollator, Stock etc. Das wäre doch peinlich.
Bsp 2
Dame erklärt: Das Pflegebett können wir aber nicht im Wohnzimmer aufstellen, da sieht ja jeder Gast, dass mein Mann behindert ist.
Bsp 3
Dame, Anfang 40, Sohn 12, sie hat MS und kann nur noch am Rollator gehen. Der Sohn: Mama aber mit dem Rollator oder Rollstuhl lasse ich mich mit dir nicht blicken.
Bsp 4
Dame, Mitte 30, MS vollpflegebedürftig, wurde jetzt von Ehemann und Tochter ins Krankenhaus geschickt, sie können zuhause nicht mehr mit ihr leben, sie würden sich vor ihr ekeln. Dame wird jetzt in ein MS-Heim gehen. Auf Nachfrage, ob sie jemals die Sozialstation genutzt hätten, war die Antwort, nein, dass sei doch peinlich.

Wie geht ihr mit solchen Situationen um?
Habt ihr Tricks?
Thematisiert ihr solche Situationen?
Wer ist für so etwas zuständig?
Wo gibt es Hilfen?
Warum können solche Situationen oft nicht geklärt werden?
Wie kann man frühzeitig solche Situationen aufdecken, und wo kann man intevenieren?

Ich hoffe, ihr habt einen Eindruck bekommen, was ich hier fragen möchte, denn so ganz kann ich das alles noch nicht greifen.
Ich bin gespannt auf eure Antworten,
und jetzt schon mal herzlichen Dank,
Christine

21. November 2011 17:53 # 2
chipchap
chipchap
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1334

Du schneidest hier ein gesellschaftliches und damit auch ein hoch brisantes
politisches Problem an !
Seit Jahrzehnten werden Behinderte (egal ob körperlich/geistig/psychisch) in Deutschland
mit viel Fachpersonal, Institutionen, Geld/Geld/Geld in die Gesellschaft mit mehr oder minder
Erfolg "integriert".
Wer integriert werden muß, steht außerhalb !
Daß der Behinderte per se zur Gesellschaft gehört, ist bis heute nicht im
Bewußtsein der Menschen.

Deshalb ist die neue Behindertenrechtskonvention (der UN) so wichtig für
Deutschland und auch gerade für ETs. In der Konvention spricht man von
"Inklusion", daß heißt der Behinderte nimmt teil an Allem, was die Gesellschft
zu bieten hat und erhält NUR DANN spezielle Hilfen, wenn das "normale" Angebot
nicht ausreicht.

Bedeutet: Behinderte Kinder werden in Regelkindergärten und in Regelschulen
aufgenommen. Die Städte und Gemeinden sorgen dafür, daß vor Ort die Voraussetzungen
dafür geschaffen werden. Nur in Ausnahmefällen sollen behinderte Kinder in Sonderschulen
aufgenommen werden !!
So wachsen Nichtbehinderte und Behinderte gemeinsam auf und es gibt von Anfang an
keine Vorurteile/Ekelgefühle/Ignoranz mehr. Anders geht es nicht !
Das bedeutet natürlich: ein Umdenken in Politik und Gesellschaft und
ganz viel Geld in die Bildung investieren...
Genauso sollten nach und nach die Heime/Wohnheime für Behinderte verschwinden. Hier
waren sie immer unter sich und weit weg von allen Menschen, die sich von ihrem Anblick
"belästigt" fühlten. Wohngruppen/Wohngemeinschaften mit offenem Hilfeangebot,
in normalen Wohnanlagen sind die Zukunft.

Für deine speziellen Fälle:
- psycho-soziale Dienste
- Kriseninterventions-Stellen
- Beratung durch ambulante Pflegedienste
- Besuch von Selbsthilfegruppen (für die Erkrankten)
- Besuch von Selbsthilfegruppen "Angehörige von ......."
- Strassentraining - sich selbst bzw. mit angehörigen Behinderten in der
Öffentlichkeit blicken lassen
- Verhaltenstraining: lernen, offensiv auf die Menschen zuzugehen
"Warum starren sie mich so an ??"

Ich habe zum Beispiel mit einer Patientin, die ungern im Rollstuhl gesehen wurde,
gemeinsam Strassentraining gemacht. Ich lieh mir einen Rollstuhl und wir sind
zu zweit durch die Strassen gerollt.

Ich hoffe, daß irgendwann einmal nicht mehr diese Sprüche auf den Schulhöfen zu
hören sind: "Du Spasti!", "Du bist ja behindert!" als Beleidigung ausgesprochen.
Es wird noch lange dauern...

In der Zwischenzeit sollten wir Ergos unsere Möglichkeiten ausschöpfen durch:
Beratung, Information, Souveränität im Umgang mit Behinderten,
Aufmerksamkeit für Hilflosigkeit und dann schnelles Einschreiten (bevor ein
Mensch abgeschoben wird),
und natürlich das Ausschöpfen der therapeutischen Maßnahmen, die wir mit
den Patienten durchführen können.
Offen auf Menschen zuzugehen und evtl. verbal den Finger in die Wunde zu legen
fällt nicht nur dem Laien, sondern auch dem Fachpersonal (leider auch vielen Ärzten)
schwer.

LG, chipchap

21. November 2011 19:12 # 3
Registriert seit: 02.06.2005
Beiträge: 3215

Geändert am 21.11.2011 19:17:00
Hallo CW,

das sind Situationen, die häufig vorkommen.

Darin ist eine Menge enthalten und über das Thema könnte man wirklich ein ganzes Buch schreiben

Du hast einige Fragen gestellt und ich versuche mal im folgenden, sie so konkret wie möglich zu beantworten. Wo ich das nicht kann, stelle ich Fragen, die hoffentlich hilfreich sind:

Zitat:
Wie geht ihr mit solchen Situationen um?


Dieses "an einander vorbei versorgen, bzw. therapieren" berührt die Punkte "Krankheitsverarbeitung" und "Auftragsklärung".
Wenn du dir klar machst, welche Rolle du innerhalb der Behandlung hast (formal und ethisch) und inwieweit dein Patient da mitgeht oder auch nicht, ist schon viel gewonnen. D.h. im Falle der Dame aus Bsp.1 sollte das Team sich darüber klar werden, wie sie mit dem Thema "Selbstfürsorge" bzw. "Verantwortung/Sicherheit" umgehen. Mitunter verbirgt sich hinter "Rigidität" auch eine beginnende Demenz, d.h. die betroffenen Menschen sind mit Entscheidungen überfordert.
Je nachdem wie die Institution damit umgeht, kann man sich von einsichtsfähigen, aber uneinsichtigen Patienten auch unterschreiben lassen, dass man sie auf ihre Sturzgefährdung hingwiesen und Hilfsmittel angeboten hat, die abgelehnt wurden. Dann seid ihr aus der Verantwortung.
Im Grunde sind alle Menschen, sofern sie nicht geistig bzw. psychisch überfordert sind, für sich selbst verantwortlich.

Geht man als Therapeut beim Thema "Klientenzentrierung" und "geteilte Verantwortung" in die Tiefe, dann hat es auch was damit zu tun, dass man mit seinen Angeboten bei diesen Patienten "abblitzt". Das ist erstmal eine Zurückweisung und die Professionalität wird ja in Frage gestellt.
Aber wir sind Therapeuten und haben gelernt, therapeutische Beziehungen von alltäglichen zu unterscheiden und wissen, dass wir uns bei der Reflektion auch mal Hilfe holen müssen (Supervision).

Zitat:
Habt ihr Tricks?


Ich verstehe, was du meinst, aber meinen "Trickreichtum" bewahre ich mir für andere Gelegenheiten auf

Im Ernst: wenn die Auftragsklärung stimmt, eine klientenzentrierte Haltung eingenommen wird und konkrete Ziele vereinbart wurden, dann kann ich Vorschläge machen, ob und wie die umgesetzt werden ist Sache der Patienten bzw. Angehörigen. Das dokumentiere ich ganz genau in einem Bericht an den verordnenden Arzt, von dem die Patienten/Angehörigen auch eine Kopie bekommen.

Beim Bsp. 2 hieße das, erstmal zu gucken, wozu ist das Pflegebett notwendig und wenn die Angehörige es für notwendig erachtet, dann ist es ihre Entscheidung, wo es stehen soll. Oder sie verzichtet, dann gibt es eben Probleme bei der Pflege etc. Das muß sie dann selbst verantworten.
Das kennen wir doch auch von uns, wie schwer es ist, Traditionen, Gewohnheiten, Rituale aufzugeben und zu ersetzen.
Im vorliegenden Fall hieße das doch, der Mann wird im Schlafzimmer untergebracht, schläft auf der Couch, oder die ziehen um. Manche Menschen müssen erstmal eine Weile diese Realittät leben, dann haben sie eine Motivation zur Veränderung.
Als ich noch in der Rehaklinik gearbeitet habe, riefen mich manchmal "uneinsichtige" Patienten ein Jahr nach ihrem Aufenthalt und unserem gemeinsamen Hausbesuch an, um mich danach zu fragen, was ich Ihnen genau denn damals vorgeschlagen hätte. Sie haben sich also doch schon daran erinnert.

Ich habe daraus gelernt, dass ich die potentiellen Hilfen/Veränderungen benenne bzw. Berichte oder Kopien an die Patienten aushändige und es damit Ihnen überlasse, ob und wie sie es nutzen.

Zitat:
Thematisiert ihr solche Situationen?


Ja natürlich, weil ich ganz konkret an ganz alltäglichen Zielen bzw. an der Lösung der Probleme arbeite. Und ich frage dann auch "Können Sie mit dieser Idee etwas anfangen? Was paßt da für Sie, was nicht?". Wird genau nachgehakt, dann ergeben sich manchmal ganz schlüssige Argumente, warum da jetzt was angenommen wird oder eben nicht.

Das dein Bsp4 angeht: ich kann das nachvollziehen. Das Zusammenleben mit einem schwer pflegebedürftigen Menschen ist häufig eine extreme Belastung. Zumal soziale Netzwerke, angeblich Freundschaften sehr schnell zusammen brechen, wenn wirklich mal jemand Hilfe braucht.

Das mit dem "peinlich" ist vermutlich nur eine Ausflucht oder die Familie hat ein bestimmtes "Geheimnis" und möchte nicht, dass Menschen von außen in die Privatsphäre eindringen. Ich würde das glaube ich auch nicht wollen.

Und ganz ehrlich: außer meinem Sohn gibt es niemandem in meinem Umfeld, den ich zuhause betreuen bzw. pflegen würde. Ich bin seit 23 Jahren in der therapeutischen Betreuung von pflegebedürftigen Menschen tätig und sehe in der Rückschau, dass das langfristig nur gutgeht, wenn die Beziehungen belastbar und solide sind.

Insofern: MS ist eine Autoimmunerkrankung und wir wissen, dass diese bevorzugt Menschen befallen, deren Streßhormonspiegel sehr hoch ist. Mitunter ist das Zusammenleben mit diesen Menschen eh schon nicht so einfach.

Guck mal, ob du dich vielleicht mit der Patientin zu sehr identifizierst. Schau mal mit etwas Abstand hin. Was wäre, wenn du in der Situation der Tochter wärst?

Zitat:
Wer ist für so etwas zuständig?


Die Institution, in der die Patienten sind, hat für Sicherheit zu sorgen. Hält sich der Patient nicht an Vereinbarungen bzw. werden Hilfen abgelehnt, muß das dokumentiert werden.
In Fällen, in denen Menschen aus kognitiven oder psychiatrischen Gründen nicht für ihre Sicherheit sorgen, bzw. nicht in der Lage sind, für ihre Gesundheit Sorge zu tragen, ist der sozialpsychiatrische Dienst der jeweiligen Gemeinde zuständig.
Inwieweit gesetzliche Betreuung angezeigt ist, entscheidet dann das Amtsgericht.

Zitat:
Wo gibt es Hilfen?


Hilfen für wen bzw. Hilfen wofür konkret?

Zitat:
Warum können solche Situationen oft nicht geklärt werden?


Was verstehst du in dem Fall unter Klärung? Was wäre eine Klärung in den von dir beschriebenen Fällen gewesen?

Zitat:
Wie kann man frühzeitig solche Situationen aufdecken, und wo kann man intevenieren?


So konkret, so transparent und so reflektiert wie möglich arbeiten. Beziehungsprobleme von praktischen trennen. Die Patienten so akzeptieren wie sie sind, sich aber auch nichts delegieren lassen.

Menschen sind grundsätzlich für sich selbst verantwortlich und häufig auch kompetent genug, ihre Probleme selbst zu lösen.

Dabei unterstützen wir ErgotherapeutInnen im Sinne von "Hilfe zur Selbsthilfe".

Ich nutze dazu ein Prozeßmodell und würde mich freuen, wenn du deine "Fälle" damit einmal durchgehst.

Eine Rückmeldung darüber wäre auch sehr hilfreich für mich.

Bei Interesse schick mir einfach eine PN.

Grüße von




Oetken1
21. November 2011 19:28 # 4
Registriert seit: 02.06.2005
Beiträge: 3215

Geändert am 21.11.2011 19:29:00
Nachtrag:

Zitat:
Bsp 3
Dame, Anfang 40, Sohn 12, sie hat MS und kann nur noch am Rollator gehen. Der Sohn: Mama aber mit dem Rollator oder Rollstuhl lasse ich mich mit dir nicht blicken.


Eigentlich bist du dafür ja nicht zuständig - aber du machst dir ja offenbar Gedanken über deine Patienten was doch toll ist.

Dieser 12jährige Junge mit einer schwer behinderten Mutter (MS hat viele Facetten) braucht wahrscheinlich Hilfe. Kinder von chronisch kranken Eltern sind häufig allein gelassen, weil ihre kranken bzw. behinderten Eltern häufig nicht die Kapazitäten haben sich um sie ausreichend zu kümmern. Das ist leider in unserer Gesellschaft so.

Und falls die Mutter alleinerziehend sein sollte: Sowas macht Kindern Angst. Eine Mutter, die zunehmend weniger leisten kann, körperlich und evtl. auch mental abbaut. Kinder reagieren häufig erstmal so. Mit Panik und Abwehr. In einer geborgenen Atmosphäre kann man mit ihnen aber darüber sprechen.

Falls es einen Sozialdienst bei euch gibt: Familien mit Kindern haben Anrecht auf Hilfen durchs Jugendamt. Mind. auf Familientherapie bzw. auch Familienhilfe. Ursprünglich war die für genau diese Situationen gedacht.

Falls es also keinen Vater oder eine andere verbindlich unterstützende Person in der Nähe gibt, dann könntet ihr in der Institution ein gutes Werk tun, indem ihr hier Hilfen anregt. Und in so einem Fall wäre es wirklich angebracht, mal mit dem Jugendamt Kontakt aufzunehmen.

Grüße von




Oetken1
21. November 2011 20:59 # 5
Mschiew.
Mschiew.
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 935

Das schon angesprochene Thema Inklusion halte ich auch für zukunftsweisend und dementsprechend wichtig. Doch es wird nicht so schnell gehen. Denn es hat zum Ziel, das allem Menschen, ob gesund oder in irgend einer Form behindert gleichberechtigt zusammen leben.
Das wird lange dauern und kann mit Bildungsreformen und Absichtserklärungen nur angeregt werden. Denn dies ist eine gesellschaftliche Entwicklung.

So lange werden diese Fragen wie oben geschildert eben auftauchen und verlangt eine besonders hohe Berufs- und Arbeitsauffassung von uns.

Viele Grüße

Ich trage die volle Verantwortung, für das was ich schreibe!

www.schiewack.de
22. November 2011 20:32 # 6
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Beiträge: 520

Hallo Christine,

erstmal finde ich es super, dass du dieses Thema eröffnet hast!
Die KollegInnen haben ja schon sehr wichtige Punkte und interssante Beiträge dazu geschrieben.
Ich würde gerne auch ein paar Gedanken dazu äußern. Wirkliche Patentlösungen gibt es sicher nicht, ich glaube so unterscheidlich wie wir Menschen sind so individuell müssen Lösungswege gesucht werden.
Aber das Thematisieren ist sicher ein wichtiger Ansatz und sich als Therapeut auch davon frei machen, dass man es für den Patienten lösen muss und kann. Wie Angelika schon geschreiben hat, dass die Patienten erst im späteren Stadium wieder auf Hilfen zurückkommen ist ein wichtiger Punkt. Das hat sicher auch mit Krankheitsverarbeitung zu tun.
Das Thema Scham/Peinlichkeit spielt sooft eine große Rolle und muss auch im Rahmen der Kontextfaktoren beachtet werden.
Ich finde es oft spannend zu sehen, wieso manche Patienten besser mit der Erkrankung zurecht kommen (Copingstil), sich anders anpassen.
Klientenzentrierung heisst für mich auch, dass ich eine für mich sicher nicht nachvollziehbare Meinung (Patientin möchte partout keinen Rollator benutzen) akzeptieren muss, wenn ich sie nach bestem Wissen und Gewissen aufgeklärt habe, dass sie sich auch noch was brechen kann, wenn sie stürzt etc.
In den von dir beschriebenen Fällen kommen ja eher die Angehörigen nicht mit der Situation zurecht. Da hilft mir immer wieder, dass sich alle an einen runden Tisch setzen, dass die Angehörigen miteinbezogen werden, dass Möglichkeiten aufgezeigt werden, damit die Familien Lösungen finden.
Die Kinder brauchen noch ein viel höheres Maß an Unterstützung (v.a. psychologische), wenn ein Elterteil so schwer erkrankt!

Ich denke auch, dass das Thema Inklusion uns sehr beschäftigen sollte. Ich bezweifel aber, dass es das Allerheilmittel sein wird!

LG
Christina




22. November 2011 20:39 # 7
Mschiew.
Mschiew.
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 935

Geändert am 22.11.2011 20:40:00
Zitat:



Ich denke auch, dass das Thema Inklusion uns sehr beschäftigen sollte. Ich bezweifel aber, dass es das Allerheilmittel sein wird!




Hallo Christina!

Kannst du das für mich genauer machen? Was meinst du konkret damit?


Ich halte Inklusion für wichtig als gesellschaftliche Entwicklung. Wenn man sich die UN Charta anschaut, deckt sie das gesamte Leben ab. Momentan wird das Thema Inklusion "nur" auf dem Bildungssektor dargestellt. Aber Bildung ist wird in diesem Papier in Artikel 24 beschrieben. Davor gibt es noch 23 andere. Dannach auch noch welche:

Beispiele (aus www.inklusion-in-sachsen.de)

Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung (Artikel 5)
Umfassende Barrierefreiheit (Artikel 9)
Unabhängige Lebensführung (Artikel 19)
Inklusive Bildung (Artikel 24)
Arbeit und Beschäftigung (Artikel 27)
Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben (Artikel 29)


Insgesamt finde ich es durchaus gut, dass der konkrete "Denkanstoss"von seiten der Regierung(en) kommt. Doch diese (für mich) Lebenseinstellung muss erst wachsen.

Grüße

Micha


Ich trage die volle Verantwortung, für das was ich schreibe!

www.schiewack.de
22. November 2011 21:36 # 8
Registriert seit: 03.07.2007
Beiträge: 490

Hallo,

Gute Diskussionsrunde.
Gebe gerne meine zwei Lieblingsartikel zu dem Thema auf Englisch weiter
, die ich auch schonmal teilweise für Patienten während der Therapiestunde auszugsweise auf Deutsch übersetzt & vorgelesen habe. Sie kommen von:

1) Tanner, B.; Tilse, C; De Jonge, D.; Journal of Housing For the Elderly 22:3, 195-215; Restoring and Sustaining Home: The Impact of Home Modifications on the Meaning of Home for Older People (Australien)

2) Tayler, B. The British Journal of Occupational Therapy, Sept. 2011, 47(9), p.435. The Impact of assistive equipment on intimacy and sexual expression

und während der Rehacare messe gab es viele deutsche und schwedische Designer die sehr schicke Möbel, Rollatoren angeboten haben. Vielleicht kann man Patienten empfehlen dort mal hinzugehen.

Generell nützt jedenfalls reden.. und da finde ich auch, dass viel zu wenig mit den Angehörigen, vorallen den Kindern gesprochen wird. Kennt ihr in der Hinsicht hilfsangebote? Dürf man Ergo für Kinder von Betroffenen verschreiben, damit insgesamt die Familie besser zurechtkommt (das Umfeld gehört ja theoretisch auch zu unserem Arbeitsumfeld). Hat das jemand schonmal probiert?

lg Ceilidh



22. November 2011 22:06 # 9
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Beiträge: 520

Hallo Micha,

ich versuche es mal auszudrücken was ich meine:
also bitte verstehe mich nicht falsch ich finde Inklusion auch absolut wichtig und genau wie du bin ich froh über diesen "Denkanstoss"!
Ich denke nur, dass es sich nicht über alle so überstülpen lässt. Vielleicht gibt es Menschen, die "inklusiert" sein wollen, ich habe da ein Beispiel im Kopf, finde es aber schwierig das hier übers Forum schriftlich auszudrücken. Ich glaube Inklusion müsste sehr schnell soweit sein, dass es wirklich keinen Unterscheid macht, ob mit oder ohne Einschränken. Aber das wird noch lange nicht so sein, wenn überhaupt jemals! Und von daher glaube ich dass es vielleicht schwierig werden kann, wenn z.B. stark eingeschränkte Kinder immer wieder vor Augen geführt wird, dass sie im dirketen vergleich soviel mehr Unterstützung brauchen. Weil es eben sehr verschieden ist, wie Menschen mit Einschränkugen umgehen und was sie für Teilhabe und Selbstverwirklichung benötigen und sich vorstellen. Aber das sind nur persönliche Gedanken, die ich mit mache und erheben überhaupt keinen Anspruch auf Richtigkeit!

Ich finde den Gedanken der Selbstverwirklichung und der Selbstbestimmtheit, die die Inklusion ja auch abdeckt wichtig. Es gibt ja einen Politiker, der im Rollstuhl sitzt. Dieser ist unbestritten stark abhängig von Hilfe und Hilfsmitteln, aber auf der anderen Seite sicherlich selbstbestimmt. Ob dadurch zufrieden? Oder würde er Unabhängigkeit zugunsten von Autonomie eintauschen wollen? ung würde das für andere in ähnlicher Situation auch gelten? Vielleicht, - nein sicher- bin ich jetzt schon weit abekommen vom Thema, sorry. Aber ich habe da echt viele Gedanken zu...

Auf alle Fälle mal wieder ein interssanter Austausch dank Christine,
und so bleibt der Beitrag erstmal oben

LG
Christina




22. November 2011 22:17 # 10
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Beiträge: 520

Hi Viktoria,

ich weiss, dass es z.B. im Münchener Klinkum Großhadern eine Kindersprechstunde für Kinder krebserkrankter Eltern gibt! Heisst glaube ich lebensmut!
Vielleicht gibt es sowas auch für andere Erkrankungen z.B. MS (da hat Christine, ja den aktuellen Fall)?!

Danke für die beiden interssanten Artikelangaben!

LG
Christina


22. November 2011 22:51 # 11
Registriert seit: 15.03.2002
Beiträge: 128

Mir ist einfach klar geworden, ich muss mich einmal richtig mit dem Thema auseinander setzen. Auch um mir klar zu werden, wo hört meine Verantwortung auf. Die Dame, die keinen Rollator wollte, hat mit Sicherheit eine beginnende Demenz. Nur wenn weder Arzt noch Angehörige das sehen wollen, dann bleibt sie jetzt halt sturzgefährdet. Die ältere Dame, die ein Problem hat, das Pflegebett im Wohnzimmer zu haben ist meine Oma. Meine Großeltern sind ins Nachbarhaus meiner Eltern gezogen, weil sie wussten, sie können nicht mehr in ihrem alten Haus leben. Altes Haus verkauft, neues gekauft, mein Opa sitzt im Rollstuhl. Pflegebad eingebaut. Einzug. Und sie sieht das Bett im Wohnzimmer, weil es kein anderes Zimmer gibt im Erdgeschoss und die Welt bricht zusammen.
Der Junge ist in einer psychologischen Beratungsstelle und in kinder- und jugendpsychiatrischer Betreuung.
Eigentlich lerne ich gerade nochmals extrem Verantwortung abzugeben.

Ich freu mich über die vielen Antworten. Vielen Dank.
Christine

23. November 2011 19:30 # 12
Mschiew.
Mschiew.
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 935

Zitat:

Hallo Micha,

ich versuche es mal auszudrücken was ich meine:...





Vielen Dank für deine Ausführungen!

Vielleicht sollte man das Thema "Inklusion" noch mal extra aufmachen.

Viele Grüße

Micha

Ich trage die volle Verantwortung, für das was ich schreibe!

www.schiewack.de
23. November 2011 21:24 # 13
Registriert seit: 26.06.2005
Beiträge: 520

Zitat:

Mir ist einfach klar geworden, ich muss mich einmal richtig mit dem Thema auseinander setzen. Auch um mir klar zu werden, wo hört meine Verantwortung auf.


Hallo Christine,

ich denke auch, dass die Patienten (und ihre Angehörigen) selbst die Verantwortung übernehmen müssen. Wir können Unterstützung und unsere Expertise und Hilfe bei Umsetzung anbieten, aber "gehen" müssen sie alleine.
Mein Chef sagt immer so nett: "Wir können Herrn oder Frau xy nicht zum Jagen tragen." Und manchmal "jagen" die patienten eben erst zu einem späteren Zeitpunkt. Ich finde auch, dass Supervison in solchen Fällen einem ernorm weiterhelfen kann.
Der Grad in den von dir beschrieben Fällen zwischen gesunder Empathie und dem "sich verantwortlich" fühlen ist schmal. Und es erfordert auch von noch so langjährigen Therapeuten immer wieder ein hohes Maß an Reflexion. So geht es mir zumindest.

an Matti:
ja ein eigener Beitrag zu Inklusion wäre sicher nicht schlecht, du kennst dich schon ganz gut aus, oder?

(jetzt muss ich mal Forums-bissig sein: Inklusion müsste gut erklärt werden, denn einige sind ja schon mit dem Wort ICF, CMOP, oder SMART überfordert! Bissigkeit off)
Nein aber im Ernst, das Forum hat, dank vielen KollegInnen hier, die sich viel Zeit nehmen ihr Wissen zur Verfügung zu stellen, in den letzten zwei Jahren deutlich an Niveau gewonnen.

LG
Christina


23. November 2011 21:33 # 14
Mschiew.
Mschiew.
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 935

Geändert am 23.11.2011 21:36:00
Zitat:

an Matti:
ja ein eigener Beitrag zu Inklusion wäre sicher nicht schlecht, du kennst dich schon ganz gut aus, oder?



Das ist heute das zweite Mal, dass ich in der Öffentlichkeit nen neuen Namen bekommen habe.Meinen find ich ganz prima, eigentlich. hm..........Was ist los heute???

Ich trage die volle Verantwortung, für das was ich schreibe!

www.schiewack.de
23. November 2011 21:43 # 15
Registriert seit: 26.06.2005
Beiträge: 520

Oh sorry Micha,
tut mir leid, das kommt wenn nebenbei Fussball läuft


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