Hallo Darja,
du sprichst mehrere Punkte an, die wichtig, aber nicht so einfach zu händeln sind.
a) Doku/Berichtszeit: laut Kassenverträgen haben wir Vor- und Nachbereitungszeit mit den Kostenträgern vereinbart. Dass die entsprechende Vergütung lausig ist, ist klar. Diese mittelbare Behandlungszeit (also nicht direkt mit der Behandlung des Patienten verbracht) sollte man den Mitarbeitern auch in irgendeiner Form zur Verfügung stellen.
b) Dokumentationen bilden ja für gewöhnlich auch einen Teil des Behandlungsprozesses ab. Je klarer und eindeutiger die Struktur der Behandlung, desto leichter ist es, den Bericht zu schreiben. Insofern kann die Mühe, die deine Mitarbeiterinnen mit dem Verfassen haben auch auf eine unzureichende Behandlungsstruktur an sich zurückzuführen sein. Neben "Schlusigkeit" oder "Bequemlichkeit". Oder LRS...?
c) Motivation etwas zu tun - deine und die deiner Mitarbeiter: hier sollte man sich klar machen, dass die Motivationen ganz unterschiedlich sein können. Bestenfalls bringt man sie übereinander d.h. deine Interessen ergänzen die der Mitarbeiter und umgekehrt. Aber das ist nicht immer so einfach und häufig ein längerer Prozess. Du könntest einen Teamtag einberufen, an dem ihr eure verschiedenen Positionen feststellt, vorstellt und gemeinsam überlegt, wo sie übereinstimmen, wo nicht und was das praktisch bedeutet. Inkl. Zielvereinbarungen. Und da bietet sich genauso wie in der Therapie ein "smartes" Formulieren an. D.h. "Ende März beim nächsten Teamtag stellt jeder von uns seine derzeitige Doku vor und wir einigen uns dann auf eine Methode für alle".
Bsp.: was ist für dich als PI das wichtigste, was für die Mitarbeiter? Wie erreichst du deine Ziele, wie tun es die Mitarbeiter?
Wichtig ist es, genau an den Punkten wo unterschiedliche Interessen bestehen, Kompromisse zu schließen.
Und für die Motivation und die Identifikation ist es wertvoll, wenn die Mitarbeiter an diesem Prozess teilnehmen.
Am einfachsten ist es, wenn sich Vorteile für die Mitarbeiter ganz von selbst und vollkommen konsequent ergeben. Denn: du als PI verdienst unmittelbar nur an den Behandlungen, die du selbst erbringst. Jede Kontrolle, jedes Gespräch, jedes Hinterhertragen, -fragen, -bitten, kostet dich Zeit, die du woanders abknappsen mußt. Und an der du nichts verdienst. Und von der du auch erstmal nichts hast.
Und: Arbeitszeit ist auch Lebenszeit. Gerade in Phasen in denen die Rolle der PI einen vielleicht nicht so erfüllt
fällt es besonders ins Gewicht, wenn man dann auch noch Zeit und Kraft mit Dingen verbringt, die von außen betrachtet überflüssige Kraft- und Geldräuber sind.
Ich habe das bei mir so gelöst, dass meine Mitarbeiter umsatzabhängige Gehälter bekommen. Alle mittelbaren Arbeiten (Doku, Supervision, Team, VB, Ämter, Orga usw.) haben feste Zeitkontingente. Wer schneller ist, kann sich freuen, wer langsamer ist, hat selbst schuld und kann das zum Anlaß nehmen, entweder seine Arbeitsweise zu optimieren oder das einfach so zu akzeptieren. Menschen sind unterschiedlich. Nur: es ist natürlich nicht meine Aufgabe, langsames Arbeiten zu subventionieren.
Ein spezifischer Bericht nach einem bestimmten Muster ist obligat für die Anrechnung der entsprechenden Umsätze. D.h. kein Bericht - kein entsprechender Umsatzanteil.
Ich stehe meinen Mitarbeitern für Begleitung, Supervision usw. regelmässig zur Verfügung. Da aber die Mitarbeiter genauso dafür Lebenszeit zur Verfügung stellen wie ich, ist das eine hohe Motivation für beide Seiten, diese Zeit gut zu nutzen und nur in Anspruch zu nehmen, wenn es notwendig ist.
So habe ich versucht, die Kontrollarbeiten so weit wie möglich zu reduzieren. D.h. ich versuche, eine Art "automatische Selbstkontrolle" einzuführen, die sich aus praktischen Konsequenzen ergibt.
Z.B. versäumt, einen neuen Patienten anzunehmen - weniger Umsatz und weniger Geld.
Oder: dicht und effektiv gearbeitet - mehr Zeit und mehr Geld.
Oder: schlusige, unstrukturierte Doku = Mehrarbeit beim Berichteschreiben
effektive, kurze, aussagekräftige Doku = roter Faden ermöglicht schnelles Schreiben.
Und - ganz wichtig: bevor du das so umsetzt, gehe in dich oder begebe dich in Beratung, um rauszufinden, wie du deine Rolle als PI siehst.
Ich habe in fast 12 Jahren als PI auch mehrere "Häutungen" durch.
Zuerst war bei uns alles ganz familiär und klein, dann wurde es größer.
Zuerst habe ich meinen Betrieb so aufgebaut, wie ich es von zuhause kannte (ich bin in einem Familienbetrieb aufgewachsen).
Dann habe ich festgestellt, dass das aus unterschiedlichen Gründen so nicht geht.
Ich mußte auch meine Rolle reflektieren: jeder Mitarbeiter wünscht sich eine immer zugewandte, freundliche, unterstützende Chefin.
Ich habe mich lange sehr wohl gefühlt als "liebe Chefin".
Aber dann festgestellt, wieviel Zeit, Geld und Kraft mich das kostet.
Aus dieser Erfahrung heraus habe ich Schritt für Schritt etwas verändert. Und mein Harmoniestreben und auch meine Konfliktscheu bearbeitet (dabei hat mir systemische Supervision sehr geholfen. Ebenso wie ein Seminar zu "Familienrekonstruktion". Hatte auch positive Auswirkungen auf meine therapeutische Arbeit...
)
Das mit dem "Emotionsmülleimer" ist in so einer Fortbildung entstanden.
Jetzt bin ich sicher häufig unbequemer als früher, fühle mich aber viel wohler. Und freier.
Es ist auch gegenüber den Mitarbeitern fairer, wenn ich weiß, dass ich nichts subventionieren muß. Denn gerade wenn es mal nicht so läuft, kann daraus enormer Frust entstehen.
Alles Gute wünscht
Oetken1