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Demenz richtig behandeln

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24. Juni 2012 19:58 # 1
Registriert seit: 24.06.2012
Beiträge: 2

Hallo,

zurzeit behandele ich eine demente Patientin mit Alzheimer Symptomen. In letzter Zeit ist sie immer unruhiger geworden und steht während der Therapie auf, um sich zu bewegen. Ich baue schon Bewegungselemente in die Therapie ein, aber es scheint zu wenig. Ich scheue mich davor noch mehr Bewegung in die Therapie einzubinden, um sie nicht zu einem sogenannten "Läufer" zu machen.
Habt ihr eine Idee?!

Vielen Dank schon mal vorab!
24. Juni 2012 20:37 # 2
Registriert seit: 20.02.2011
Bundesland: Bayern
Beiträge: 37

Hi Mondbär,

ich würde mit Validation ( nach Naomi Feil) auf diesen "Bewegungsdrang" versuchen einzugehen, evtl. kannst Du ja mit dieser Methode mit Deiner Klientin einen Erfolg erzielen.

LG
P.S. Literatur: Naomi Feil & Vicki de Klerk-Rubin "Validation"

"Niemand ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren findet der ihn versteht." Nietzsche
24. Juni 2012 22:23 # 3
Registriert seit: 02.06.2005
Beiträge: 3215

Hallo Mondbär,

wie sieht denn deine Behandlung konkret aus und über welche Fertigkeiten und Ressourcen verfügt denn deine Patientin noch?

Grüße von

Oetken1
25. Juni 2012 08:11 # 4
saloia
saloia
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 3624

gab es eine medikamentenumstellung? oder gibt es zusatzdiagnosen?
(wird bei alten patienten oft gar nicht mehr gestellt/untersucht- der "einfachheit" halber laufen dann alle probleme unter "demenz"..)
Link

im übrigen wäre mir neu und würde mich sehr wundern, daß jemand zum läufer wird, weil bewegung angeboten wird...

gruß - saloia
-------------------------------------

>>Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben. << (g.b.shaw)



25. Juni 2012 19:12 # 5
chipchap
chipchap
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1334

"Läufer" werden nicht durch Bewegungsangebote gemacht.
Die innere Unruhe und der motorische Bewegungsdrang entsteht
v.a. im zweiten Stadium der Alzheimer-Demenz ganz von allein.
Das ist auch nicht aufzuhalten..
Sondern sollte in gezielte Bahnen gelenkt werden!
Was immer du auf verbaler Ebene mit der Patientin machst -
gehe mir ihr doch einfach durch die Wohnung und führe ein
Gespräch mit ihr, quasi während des Spaziergangs durch die Wohnung.
Wie wäre es mit konkreten Tätigkeiten im Haushalt, die ihr gemeinsam
bewältigen könnt und damit die Hände in Tätigkeit sind ??

Was genau machst Du mir ihr ?
Was ist deine/eure Zielsetzung ?

LG, chipchap

25. Juni 2012 20:56 # 6
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Hallo Kolleginnen,
das mit den Läufern ist ähnlich dubios wie mit der Hyperkinese bei Kindern, es soll einfach nicht sein, da es andere stört. Es macht andere (Beobachter) nevös. Aber genau dass ist es vielleicht was unsere Klienten brauchen um ihrer inneren Unruhe Ausdruck zu verleihen. Wir können sie vielleicht für eine kurze (wichtige) Zeit reduzieren oder auf eine Bestimmte Stelle reduzieren, eine Unterdrückung ist nicht Sinn der Behandlung.
Bei Kindern stehen natürlich andere Prioritäten im Vordergrung, aber bei Demenz müssen wir uns doch alle Fragen, was wir uns von unseren "Therapeuten" wünschen. Ein Ruhig- oder Abstellen gehört nicht dazu.

"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
25. Juni 2012 21:30 # 7
Registriert seit: 02.06.2005
Beiträge: 3215

Geändert am 25.06.2012 21:34:00
Hallo liebe KollegInnen,

ich betrachte die "Unruhe" bei Kindern mit Aufmerksamkeitsstörungen genauso als eine Art Aktivierung zur Verbesserung der Leistung wie das "Laufen" und "Nesteln" oder "Räumen" bei Menschen mit fortschreitender kognitiver Beeinträchtigung. Bei körperlicher Bewegung werden vermehrt entsprechende, aktivierende Neurotransmitter ausgeschüttet, u.a. Serotonin auch "Glückshormon" genannt.

Auch bei Patienten mit "Durchgangssyndrom" können wir das Phänomen beobachten.

So gesehen, kann der Bewegungsdrang auch als Zeichen von Überforderung angesehen werden. Die Herausforderungen der Umwelt werden als Streß erlebt, der Betroffene versucht seine Leistungsfähigkeit durch Bewegung zu erhöhen - oder eben der Anforderung zu entfleuchen.

Bei Depressionen können solche Phänomene auch auftreten. So voller innerer Unruhe sein, dass man morgens nicht mehr im Sitzen frühstücken kann...

Und da etliche "Ergoschulen", aber auch entsprechende Bücher und Artikel immer noch "Gedächnisspielchen" und "kognitive Förderung" als Therapie bei Menschen anpreisen, die an Demenz leiden, können solche Symptome auch einfach durch die Gestaltung der Behandlung eintreten.

Insofern gilt wie so gut wie immer in diesen Fällen: auf pauschale Fragen sind nur pauschale Antworten möglich

VG

Oetken1
25. Juni 2012 22:37 # 8
Registriert seit: 08.07.2007
Beiträge: 24

Ja das mit den Läufern ist so eine Sache. Aufhalten kannst du das nicht. Wozu auch? Ist eher sowas wie ne Eigenstimulation. Die Körperwahrnehmung baut immer mehr ab. Derjenige läuft sozusagen um sich selbst zu spüren. An sich ist das ja auch ne super Möglichkeit! Das Laufen stört in der Regel niemanden und wird in den Pflegeheimen die ich Besuche auch meist absolut tolleriert.
Kritisch wird es allerdings, wenn der Bewohner wegen diesem Laufdrang und der motorischen Unruhe nicht mehr zum Essen und trinken kommt. Habe eine Patientin die extrem abgenommen hat. Sie isst meist nur einen Happen und will dann nach 5 Minuten wieder aufstehen. Hier ist es dann wichtig zu schauen, wie die Kost aufgebaut ist. Kann oder muss man da was umstellen. Auch auf die Art der Getränke achten. Bekommt sie nur Wasser oder kalorische Getränke ? Wie sieht der Essplatz aus? Ist der Teller optimalerweise im Sichtfeld des Bewohners oder steht er ganz nah vor ihm an der Tischkante? Führt oft dazu, dass der Bewohner über Teller hinweg schaut und dann auch mal gerne sich am Nachbarteller bedient! Ist der Essplatz übersichtlich? Kontrastreich? Und so weiter.... Das waren so Themen, die ich mit der Pflege damals besprochen habe.
Das Umfeld muss sich einfach an die Bedürfnisse des Bewohners anpassen. Das kann dann schon mal bedeuten, dass immer mal zwischen durch essen angeboten werden muss. Auch der Friseurbesuch ist oftmals eine Qual gewesen bie meiner Patientin - denn bis die Dauerwelle sitzt braucht das schon so seine Zeit, in der man ruhig sitzen muss.
Ansonsten habe ich innerhalb der Behandlung immer viele Übungen eingebaut die die Körperwahrnehmung unterstützen, Spazieren, Schunkeln zur Musik, (mit einem Patienten habe ich dann auch zur Musik getanzt SUPER Sturzprophylaxe, weil Training des Gleichgewichts!) oder auch Schaukeln auf der Hollywoodschaukel, Abklopfen des Körpers, immer was zum Anfassen mit einbinden, Backen (Vibration des Mixers), Klatschen, Singen, Summen, schwere Gegenstände in die Hand geben ("Fühlen sie mal, wie schwer heute mein Rucksack/Tasche ist...Was ich alles eingepackt habe...) ach da gibt es so vieles. Aber würde auch mir aufjedenfall nochmal die Medis anschauen und evtl. Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten.
Liebe Grüße
Annika

27. Juni 2012 12:27 # 9
Registriert seit: 24.06.2012
Beiträge: 2

Hallo an alle,

vielen Dank für die zahlreichen Antworten.

Ich werde in der nächsten Zeit einiges davon in die Therapie einbauen und schauen, was sich verändert.
Die ein oder andere Fragen muss ich erstmal für mich beantworten und/oder mit den Angehörigen erarbeiten.

Viele Grüße
Mondbär

28. Juni 2012 08:54 # 10
Registriert seit: 08.05.2009
Beiträge: 305

Hallo,

ich hab letztens gelesen, dass der Bewegungsdrang auch ein Ausdruck für Schmerzen sein kann. Die Betroffenen können sich nicht äußern, dass sie Schmerzen haben. Diesen Ansatz finde ich sehr interessant. Weiß jemand mehr darüber?

Zum Thema Gewichtsabnahme: Warum nicht im Gehen essen. Eine Bewohnerin mit permanentem Bewegungsdrang hatte auch zu viel abgenommen, weil sie nicht in Ruhe eine Mahlzeit einnehmen kann. Sie bekommt jetzt zwischendurch immer mal wieder etwas gereicht. Bananen eignen sich gut. Butterbrote und hochkalorische Drinks bekommt sie, Sie nimmt alles gern an und verspeist es im Laufen.

Gruß: Andrea

Ich liebe unseren Beruf!
14. November 2012 01:36 # 11
Registriert seit: 11.04.2010
Beiträge: 2

Guten Abend,

das Thema ist hier ja nun schon älter, aber ich hab nun auch eine Frage bzgl. einer "Läuferin". Ich arbeite in einem Seniorenzentrum und auf meinem Wohnbereich lebt eine Frau, die jeden Tag mehrere Stunden durch die Flure läuft. Dabei passiert es auch mal, dass sie die Zimmer der anderen Bewohner betritt, sich in deren Betten legt, etc. Beim Essen will sie nach einer kurzen Zeit auch wieder aufstehen und den Tisch verlassen. Zudem ist sie kognitiv stark eingeschränkt und grad situativ und personell nicht orientiert. Nun hatte ich heute die Situation, dass ich in einer Gruppe mit mehreren Bewohnern Mensch-ärgere-Dich-nicht gespielt habe. Kurz nach Beginn des Spiels kam die Wohnbereichsleitung mit der Bewohnerin an der Hand und meinte, ich solle sie doch jetzt bitte in die Gruppe mit einbeziehen. Da wir zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen hatten und ich eine Gruppe kognitiv "fitterer" Bewohner hatte, in die ich sie (insbesondere so mittendrin) schwer hätte integrieren können, setzte sie sie dann doch nicht dazu. In einem späteren Gespräch meinte sie, es ginge ja nicht, dass ich diese Frau nicht einbeziehe. Sie würde den ganzen Tag herumlaufen und das wäre für sie ja nicht schön. Ich muss dazu sagen, dass ich sie, je nach Thema (also zB. beim Singen oder Bewegungsspielen), durchaus in die Gruppen einbeziehe, wobei sie auch da häufig wieder aufsteht und weiterläuft. In die Gruppen, die ich eher für die "fitteren" Bewohner auslege, beziehe ich sie tatsächlich nicht ein und sehe darin weder für sie noch für die Gruppe einen Sinn. Zudem stelle ich mir die Frage, ob es für sie nicht besser ist, ihren Bewegungsdrang ausleben zu können. Wie seht ihr das? Wie würdet ihr mit der Situation umgehen?

Ich wäre über eure Meinungen, Fakten, Denkanstösse wirklich sehr froh. Das ist meine erste Stelle nach der Ausbildung, ich bin dort erst seit gut 2 Monaten und fühle mich oft noch sehr unerfahren und "unbeholfen"/unsicher, weil auch mein Praktikum diesem Bereich ziemlich schwierig und wenig lehrreich war.

Viele Grüße, Lila

14. November 2012 06:40 # 12
Registriert seit: 23.10.2007
Beiträge: 23

Hallo Lila,
leider ist es öfter so, das Pflegekräfte Bewohner in Gruppenangeboten versorgt wissen möchten, damit sie "von den Füssen" der Pflege sind. Damit eingesehen wird, dass die Angebote für den jeweiligen bewohner "passend" sein müssen, braucht es manchmal viel Überzeugungsarbeit, Konsequenz und Durchsetzungsvermöge/ Durchhaltevermögen.
Du hast ja nichts davon, dass die fitten Leute zu ihren Angeboten nicht mehr kommen, weil sie wissen, dass ihre Tätigkeit von den anderen gestört wird und sie nicht ihren Fähigkeiten entsprechend mit dir arbeiten können.
Und die anderen sind hoffnungslos überfordert, langweilen sich werden schlimmstenfalls laut und wollen auch nicht mehr mitmachen...
Eine Pflegefachkraft sollte das eigentlich wissen oder zumindest nach einer kurzen Erklärung schnell erfasse, aber...
Jemand mit ausgeprägtem Bewegungsdrang muss den nunmal ausleben - das sollte auch in der Pflege bekannt sein - dagegen helfen Brettspiele nicht! Die Aussage, dass du sie in die Gruppe integriren sollst, weil das Laufen unschön sei, ist unprofessionell. Sie sollte mehr über Demenz wissen!
Wünsche dir viel Kraft für deine Arbeit an der Pflege! Kann mir vorstellen, dass die Arbeit mit den Bewohnern das kleinste Problem ist...
Gruss Sophia

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