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Handtherapie bei Querschnittslähmung

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2. August 2013 11:40 # 1
Registriert seit: 02.09.2007
Beiträge: 4

Hallo,
ich brauche dringend Hilfe.
Ich habe diese Woche eine neue Patientin bekommen. Sie hatte vor 9 Jahren einen Unfall und hat eine Querschnittslähmung, C6. Sie bekam sehr lange Ergotherapie, setzte nun einige Jahre aus, möchte aber gerne wieder Ergotherapie erhalten. Sie wünscht sich mehr Beweglichkeit in den Händen.
Ich bin mir aber gar nicht sicher ob und wie ich das erreichen könnte. In diesem Bereich habe ich keine Erfahrungen. Mir ist nicht ganz klar wo ich ansetzen soll / kann.
Ich möchte ihr ja auch keine falschen Hoffnungen machen. ::unsure::
Schultern und Ellenbogen sind im vollem Maße beweglich und auch kräftig. Das rechte Handgelenk ist ebenfalls unauffällig. Das linke Handgelenk ist in Ruhestellung nach innen rotiert, Dorsalextension und - flexion sind okay.
An der linken Hand hat sie ab und zu Spastiken, sonst ist keinerlei aktive Bewegung möglich.
An der rechten Hand kann sie den kleinen Finger, Ring- und Mittelfinger, sowie den Zeigefinger bewegen. Der Daumen ist dabei in Flexion. Die Kraft ist sehr gering. Sie würde gerne besser zugreifen und halten können. Dafür benötigt sie den Daumen.
Danke!
2. August 2013 18:42 # 2
chipchap
chipchap
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1334

Ich habe ca. 10 Jahre mit Querschnittgelähmten gearbeitet und kann dazu nur
sagen: man braucht auch wirklich Jahre, um dort fachlich sicher zu arbeiten!

Eine Schädigung und Lähmung im Rückenmark ist etwas völlig anderes als eine Schädigung/Lähmung im Gehirn (z.Bsp. nach Schlaganfall). Die kleinen Fortschritte, die ein Schlaganfall-Patient auch nach vielen Jahren noch zeigen kann, sind bei einer Querschnittlähmung fast unmöglich.
Verabschiede dich von dem Anspruch, mehr Muskelaktivität "herauskitzeln" zu können.
Nimm den Status quo so wie er ist - und mach was daraus! Also: WAS kann die Patientin mit
diesen Funktionen in Alltag und Beruf leisten?? Wo kann mit einer Verhaltensänderung mehr erreicht
werden? Wo sollten Hilfsmittel neu überdacht / adaptiert werden?

Aber wenn ich ehrlich bin, würde ich eine Querschnittgelähmte immer zum Auftrainieren in ihr Querschnittzentrum
schicken. Das wird ca.alle 2 Jahre durch die Kassen finanziert. Eben weil niedergelassene Ärzte und auch Therapeuten in der Regel mit dem Krankheitsbild überfordert sind.
4. August 2013 18:40 # 3
Registriert seit: 02.09.2007
Beiträge: 4

Vielen Dank für die Antwort Chipchap!
Ich werde mit ihr nochmal sprechen und ihr vorschlagen, dass sie in ihr Zentrum geht, wir aber die Hilfsmittel gerne mal zusammen ansehen können. Ich bin froh das du mein Gefühl bestätigt hast.
Liebe Grüße
Nini
4. August 2013 18:40 # 4
Registriert seit: 02.09.2007
Beiträge: 4

Vielen Dank für die Antwort Chipchap!
Ich werde mit ihr nochmal sprechen und ihr vorschlagen, dass sie in ihr Zentrum geht, wir aber die Hilfsmittel gerne mal zusammen ansehen können. Ich bin froh das du mein Gefühl bestätigt hast.
Liebe Grüße
Nini
9. August 2015 16:49 # 5
Registriert seit: 10.09.2014
Beiträge: 17

Hi,
ich habe auch ein Problem in dem Bereich. Ich bin Berufsanfängerin und habe den Klienten zum ersten Mal gesehen und so gut wie ich es konnte befundet, nur habe ich damit wirklich noch gar keine Erfahrungen.
Mein Klient ist erst seit knapp über einem Jahr querschnittsgelähmt. Er ist 18 beherrscht die deutsche Sprache nicht (daher kommt immer jemand mit der "übersetzt"), beide Arme sind passiv komplett ohne Anspannung zu bewegen, er kann seine Arme aktiv nutzen nur ist das Greifen die Problematik. Er kann im Pinzettengriff den Ball annehmen. Der Fausstschluss ist aktiv möglich jedoch nicht so, dass er zum Beispiel ein Theraband festhalten kann.
Das Problem was für mich noch hinzukommt ist, die Einrichtung ist nicht gut ausgestattet, ich habe weder Steckbaum noch sonstige Steckspiele. Das Einzige, was mir bisher einfällt sind Übungen mit dem Ball oder Hölzklötze aus einem Rapsbad heraussuchen. Jedoch wird das auf Dauer ja auch naja langweilig und ich kann vermutlich keine 3/4 Stunde damit füllen.
Vermutlich werde ich den Klienten auch nicht lange haben und meine Kollegin, die dann neu hinzukommt übernimmt ihn, jedoch möchte ich natürlich auch selbst ein kleines Repertoire haben.

Ich wäre für Antworten sehr dankbar.::smile::
10. August 2015 08:11 # 6
Registriert seit: 05.01.2015
Beiträge: 86

Hallo Vanboo,

gerade bei einer Querschnittslähmung ist es sehr unterschiedlich, was die Patienten noch mit ihren Händen können und was nicht. Das hängt jedoch sehr von der Schädigungshöhe ab, die bestimmt, welche Muskeln noch innerviert werden. Entsprechend sind dann auch die Möglichkeiten mit dem Patienten zu üben.
Somit kann ich Dir eben auch nur ganz allgemeine Ratschläge geben. Lass den Patienten doch einmal fragen, was seine Alltagsprobleme sind und arbeite dann gezielt an diesen. Ansonsten kann man so ziemlich nach allem greifen und wieder loslassen üben lassen. Ist nur eben die Frage, wie zielführend dies für den Patienten ist. Viele Patienten mit Querschnittslähmung benutzen auch Trickbewegungen, um überhaupt greifen zu können, da ein beträchtlicher Anteil der Handversorgung ausgefallen ist. Aber auch das hängt wieder von der Schädigungshöhe ab.

Mit besten Grüßen
R. Groth
www.handakademie.de
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twitter.com/Handakademie
www.instagram.com/hand_therapy/
10. August 2015 21:00 # 7
Registriert seit: 10.09.2014
Beiträge: 17

Hallo R Groth,

Ja, stimmt. Danke!
Manchmal steht man am so auf dem Schlauch :-D obwohls ja eigentlich so naheliegend ist. Ich schaue mal wie die nächste Einheit verläuft und ob ihnen noch etwas genaueres eingefallen ist, was er können möchte. Kennst du/ ihr denn ein gutes Buch zum Thema Arm/Hand Greifübungen und auch generell passive Mobilisation, was ihr empfehlen würdet ? ( Wir möchten die Praxis auch mit Fachbüchern besser ausstatten).ich sehe so viele Bücher im Internet, aber man weiß dann ja nie so wirklich was man bekommt bzw ob es das ist was man gesucht hat.

10. August 2015 22:52 # 8
Registriert seit: 05.01.2015
Beiträge: 86

Hallo Vanboo,

da wünsche ich Dir jetzt schon einmal viel Erfolg dabei.
Was die Bücher anbelangt, musst Du sicherlich erst einmal nach dem Schwerpunkt der Praxis schauen. Für den Handbereich sind die Bücher Handrehabilitation von Waldner Nilsson im Springer-Verlag immer eine Empfehlung und ein gutes Nachschlagewerk.
Wenn es mehr in Richtung Neuro-Reha gehen soll, müsstest Du dann auf dem Sektor mehr nach Büchern schauen.

Mit besten Grüßen
R. Groth
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12. August 2015 19:16 # 9
Registriert seit: 10.09.2014
Beiträge: 17

Hallo,

also ich habe ihn heute zum 2. Mal gesehen und erstmal passiv mobilisier, um ein Gefühl zu bekommen. Er ist wirklich in beiden Armen komplett beweglich. Aufgefallen ist mir nur, dass die endgradige Extension der Fingergelenke (sichtbar vor allem an den DiP's) nicht möglich ist. Ganz wichtig ist, er kann den Faustschluss nicht aktiv. Aktiv bewegen kann er nur etwas den Daumen und Zeigefinger, aber bspw. eine Murmel (normalgröße) kann er greifen und festhalten, sogar aus der Knete herauspuhlen . Fausschluss und Handöffnen sind nur durch Dorsalextension bzw Palmarflexion möglich. ich habe heute gezielt nachgefragt wie es im Alltag aussieht, aber es kam nicht viel bei raus, er kann essen, trinken... hat kein konkretes Beispiel was er wieder können möchte in bezug auf das Greifen, in weiter Ferne steht das große Ziel Klarinette zu spielen. Was er können will, ist sich selbst ins Bett heben also Transfer zwischen Rollstuhl und Bett. Daran arbeiten jedoch die Physiotherapeuten --> Rumpfstabilität, Kraftaufbau. Ich habe mich mit der Physiotherapeutin ausgetauscht und sie meinte auch ich solle Schwerpunkt Feinmotorik (Greifübungen ..) machen.
Habe heute mit Knete gearbeitet und das hat uns beiden sehr viel Spaß gemacht, er kannte dies nicht. Werde ich auf jeden Fall wieder machen, nur hätte ich gern noch eine andere Idee. Wie sieht denn so grundsätzlich die Prognose aus ist das wahrscheinlich, dass er nochmal mit der ganzen Hand greifen kann oder eher sehr unwahrscheinlich.
Wichtig da noch als Information, er hat das letzte Jahr soweit durchgehend oder regelmäßig Ergotherapie (Feinmotorik, Bewegungsübungen Arme), er ist motiviert, hat Spaß.
12. August 2015 22:00 # 10
Registriert seit: 30.05.2008
Beiträge: 146

...könnte es sein, dass er eine "Funktionshand" hat? dann wäre passive Mobilisation der DIP's wahrscheinlich kontraindiziert.
mit googeln unter "Funktionshand bei Querschnittlähmung" bekam ich viele detaillierte Skripts zum downloaden. Es gibt auch eine Homepage speziell für Ergotherapie bei Querschnittslähmung.
viel Erfolg beim suchen
Grüsse
Nirtak
12. August 2015 22:22 # 11
Registriert seit: 10.09.2014
Beiträge: 17

Mich erstaunt es gerade, dass wir sowas nicht in der Ausbildung hatten, also so Begriffe" Funktionshand". Aber vielen Dank für die super Tipps ich werd mich spätestens am Wochenende mal dranheften und mir Wissen aneignen.
19. August 2015 20:53 # 12
Registriert seit: 10.09.2014
Beiträge: 17

Hallo:)
ich habe mich jetzt nochmal etwas durch das Thema gelesen und kam immer wieder an die Frage, kann ich bei einer aktiven Funktionshand noch eine Verbesserung vom Pinzettengriff zum kompletten Faustgriff.. schaffen?Weil das ist im Moment auch das was man als Anforderung bzw Erwartung an mich stellt. Ich lese jedoch stetig wie oben beschrieben "status quo" annehmen und mit dem arbeiten was man hat ggfs. durch Trickbewegungen. Mein Klient kann dies jedoch soweit ich gesehen habe richtig gut. Er betont auch immer wieder, er könne seinen Alltag gut bewältigt. D.h. er braucht keine Kniffs und Tricks mehr und auch keine Hilfsmittel. Ich stelle mir halt die Frage ob ich praktisch an die Ergoleitung oder Chefin gehen kann und sagen könnte, nach meiner Einschätzung habe ich ohne eine Fortbildung nicht das Fachwissen und Mittel an diesem Krankheitsbild klientengerecht arbeiten zu können. Ohne das Gefühl zu haben dies wäre nicht gerechtfertigt.
19. August 2015 21:11 # 13
chipchap
chipchap
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1334

Hallo!

Hast Du den Entlassbericht des vorbehandelnden Querschnittzentrums lesen können?
Was ist überhaupt die Läsionshöhe?
Wodurch entstand die Rückenmarksläsion?
Hast Du genau die Kraftgrade der Finger, der Hand, des UA getestet?
Wurde im Zentrum eine Funktionshand ausgebildet?
(Frage ihn, ob über 12 Wochen seine Hände zugeklebt wurden)

Ich habe RIESEN-Bauchschmerzen damit, daß eine Berufsanfängerin,
die auch nicht in einem Praktikum während der Ausbildung im Bereich Querschnitt war,
einen Tetraplegiker behandelt.....
Er ist 18 und die Behandlung in der nächsten Zeit ist evtl. entscheidend dafür, wie
selbständig er den Rest seines Lebens leben und/oder arbeiten kann.

In welcher Einrichtung wird er überhaupt behandelt ???
Lebt er nicht zu Hause und kommt in eine Praxis zur Behandlung ?
19. August 2015 21:29 # 14
Registriert seit: 10.09.2014
Beiträge: 17

Hi,
ja ehrlich gesagt, habe ich auch diese Bauchschmerzen, weil mein Anspruch auch hoch ist, obwohl ich natürlich weiß, dass ich nicht die Erfahrung haben kann wie jemand der seit Jahren im Beruf ist.
Also er hatte den Autounfall vor einem Jahr, er wurde in seinem Heimatland in der Akutphase behandelt und kam danach nach Deutschland. Hier hatte er bis vor wenigen Wochen Ergotherapie in einer Praxis. Er hat eine inkomplette Querschnittslähmung. Läsionshöhe im Bereich C5-C6.
Ich habe keinerlei Informationen bekommen über einen Entlassungsbericht. Ich habe mich darüber erkundigt, was vorher in der Ergotherapiepraxis gemacht wurde und habe dort angeschlossen. Dies waren Bewegungsübungen im kompletten Arm, Steckbaum, Sensitraining (Rapsbad Kugeln heraussuchen). Bisher mit Absprache der Physiotherapeutin mache ich ein paar Muskelkräftigungsübungen zu beginnt... also grobmotorische Übungen und werde dann immer feiner in den Übungen. Ich habe ihn jetzt auch nur noch 3 Mal aber 1. möchte ich jetzt auch nicht 3 mal das selbe machen und 2. interessiert es mich natürlich generell wie es weiter gehen kann.
und jetzt noch ganz doof, Kraftgrade der Finger testen... nein habe ich nicht , ich habe nur Beobachtungen machen können, da wir keinerlei Geräte zur Testung haben.
20. August 2015 22:19 # 15
chipchap
chipchap
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1334

Hallo!

Für eine Kraftgradmessung der Finger/Hand/UA braucht man keine Geräte !!
Bitte "Muskelfunktionstest" googlen...

Ob die Akutversorgung in seinem Heimatland "querschnittsgerecht" war, ist also
wahrscheinlich unbekannt...
Bei Läsionshöhe C5-C6 würde in Deutschland die Erstversorgung in einem
Querschnittzentrum ca 6 - 12 Monate stationäre Reha bedeuten..und in dieser
Zeit wird funktionelles Training über Monate wiederholt ! Immer die gleichen
Übungen..es geht hier nicht darum ein interessantes abwechslungsreiches
Repertoire anzubieten. Sonders das RICHTIGE immer wieder durchzuführen.

Jetzt weiß ich immer noch nicht, in welche Art Einrichtung Du arbeitest...
lebt der Patient jetzt dort??

Also ich würde so ansetzen (wenn ich keine Erfahrung im Querschnittbereich hätte...):
Entweder
1. abklären mit dem behandelnden Arzt, daß der Patient eine stationären Aufenthalt in dem nächstgelegenen
Querschnittzentrum (als Auftrainierer) absolvieren kann
oder
2. weniger funktionell arbeiten und stattdessen mich auf die ADL-Fähigkeiten konzentrieren.
Eben: WAS kann der Patient mit den jetzt vorhandenen Fähigkeiten erreichen im Alltag.
Körperpflege, An- und Auskleiden, Transfere (Bett, Rollstuhl, Toilettenstuhl/Toilette/Autositz...),
Antreiben des Rollstuhles bzw Bedienung des E-Rollis.... Was ist mit beruflicher Perspektive ???

Ein Querschnitt ist Endgültig!! Muskelkraftsteigerungen sind minimal und nur über einen sehr
langen Zeitraum zu erreichen (Jahre..). Deshalb auf ADL konzentrieren...

Grüße, chipchap
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