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Schlaganfall - kein Deutsch - keine Compliance - keine Fortschritte

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31. Juli 2014 15:10 # 1
Registriert seit: 24.06.2010
Beiträge: 4

Hallo zusammen...

Ich bin auf meinen schwierigsten Fall bisher gestoßen und brauche Unterstützung...

Es Handelt sich um einen 60 Jahre alten arabischen Patienten, der kein Deutsch spricht. Es hatte einen schweren Schlaganfall und leidet unter viele Symptomen, von denen einige aber vermutet sind.

Er ist geistig stark verwirrt. Seine Emotionen reichen von freudig lachen über weinen zu Aggression (mit Gewaltanwendung)...und das innerhalb von 2 Minuten.

Die Frühreha war deswegen wohl ein riesiger Reinfall denn seine Schulter ist stark subluxiert, der Brustmuskel so sehr verkürzt, dass man selbst wenn der Patient mit starkem Rundrücken sitzt (was er nur tut), die Spannung der Sehne deutlich sehen kann.
Der Muskel ist also weitestgehend nicht mehr vorhanden.

Er verweigert die Therapie meistens, es sei denn sein ältester Sohn ist dabei. Dieser hat jedoch einen Job und eine eigene Familie und kann deswegen nur selten an den Therapien teilnehmen.
Er scheint in einer stark analen Phase zu sein, denn er greift sich ständig in den Genitalbereich und schmiert laut Aussage der Familie auch mit Kot. Er zieht sich ständig die Hose und das Inkontinenzmaterial aus und versucht ohne Hilfe aus dem Bett aufzustehen.

Er scheint einen stark ausgeprägten Neglect zu haben und eine starke Aphasie. Auf Ansprache seiner Familie auf Arabisch reagiert er nur selten.

Der Anfall ist nun erst 4 Monate her und er besteht enormer Handlungsbedarf. Es wurde schon versucht arabische Therapeuten zu finden...es gibt jedoch leider keine bzw. nur welche, die eine Wartezeit von fast 6 Monaten haben. Seine Psycho ist so stark beeinflusst, dass eine Behandlung immer schwerer wird. Auf Schmerz reagiert er sofort mit Aggression.
Ich habe mittlerweile einen blauen Oberarm von seinen Kratzattacken. (kann ich allerdings mit leben)

Es geht mir hier in erster Linie darum eine Zugang zu ihm zu finden und ihm bewusst zu machen in was für einer Lage er sich befindet....dies scheint aber unmöglich...

Aber wie soll ich auf dieser Grundlage weitere Therapien planen und durchführen?

Seine Familie ist verzweifelt....die Therapeuten sind verzweifelt...und die Schwellungen in Arm und Bein werden immer schlimmer aber er lässt sich nicht behandeln...bzw. man muss immer darauf gefasst sein, dass er Gewalt anwendet...

Ich bin nicht der Typ, der jetzt aufgibt und sich davor fürchtet eine abzubekommen...aber ich will Fortschritte in der Therapie sehen...die aber nicht kommen...und das frustriert.

LG Jonas


31. Juli 2014 19:11 # 2
Registriert seit: 03.07.2007
Beiträge: 490

Hey Jonas!

1. Arabische Patienten sind sehr fordernd... hab nicht den Anspruch die Welt zu retten
2. Besorg dir einen Übersetzer oder forder, dass Therapie nur stattfindet wenn ein übersetzendes Familienmitglied dabei ist
3) Lerne Arabisch- Wünsch ihm mal Karim Ramadan,, Begrüß ihn auf Arabisch- das bringt bei einigen schon sehr viel
4) Verkaufe die Therapie zumindest zum Teil als Wellness
5) Ich halte es so.. ohne gutes Benehmen/ etwas aktive Mitarbeit gibt es keine passiven "Wellness" Einheiten
6) Ich lasse mich nicht schlagen, wenn du das gut findest.. deine Entscheidung.

Viel Spaß und Erfolg,

lg Ceilidh
31. Juli 2014 22:38 # 3
saloia
saloia
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 3624

Geändert am 31.07.2014 22:40:00
ich weiß wirklich nicht, wie weit es noch gehen soll/ du noch gehen willst---- blauer Oberarm ist ok??

Und Frauen müssten sich dann, weil: "sind ja Therapeuten", sonstwohin greifen lassen?? Der Klient weiß es eben nicht besser??
Ich habe vor ca. 12 Jahren wegen sowas den 1. Klienten abgelehnt. Chefin hat gezetert. Tja.
Ich bin Therapeutin- kein Lust- oder Aggressionsobjekt.
Punkt.

Bist du Angestellter? Hast du Angst, irgendwas nicht "erfüllen" zu können?

Und "keine Compliance" war für mich (nach einiger Zeit) immer ein Grund für Therapieabbruch. Warum (und WIE) soll ich jemanden behandeln, der nicht will, nicht mitarbeitet, kein "Problem hat"??

Was versuchst du grade zu "beweisen"?
1. August 2014 00:41 # 4
Registriert seit: 18.10.2012
Beiträge: 1476

Ich muss ganz ehrlich sagen ich bin der gleichen Meinung wie Saloia. Wenn keine Compliens von Seiten des Pat vorliegt, dann wird auch keine Verbesserung großartig eintreten. Du kannst der weltbeste Therapeut sein, aber wenn der Patient nicht mitarbeiten möchte, bringt auch die beste Therapie nix. Ich finde ja solche Handgreiflichkeiten seitens des Pat nicht ok und würde so was unterbinden, aber wenn du es ok findest, dann ist das halt so. Ist ja deine Entscheidung.
Sorry das ich so negativ schreiben muss, aber ich denke mal, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine stehen werde.
Wer kämpft kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren.
2. August 2014 14:11 # 5
Registriert seit: 24.06.2010
Beiträge: 4

Erstmal danke für die Antworten...

Es mag alles etwas dramatisch klingen...aber ist es nicht in diesem Ausmaß. Es sind schwierige Momente aber ich konnte im Verlauf der letzten drei Einheiten schon Fortschritte machen.

Ich hab das Glück, dass meine Praxis ihn komplett betreut und dadurch auch Physio und Logo mit mir direkt zusammen arbeiten können. Dadurch geht es grade.

Wir haben uns jetzt um einen arabischen Psychologen bemüht und hoffen, dass das in Punkto Einsicht noch was bringt.

Das mit dem Übersetzer halten wir jetzt auch so...und die Familie ist jetzt auch dazu angehalten, den rechten Arm zu fixieren...sofern einer der Söhne da ist, geht das. Ansonsten verkaufe ich die Therapie auch als Wellness...gebe leichte Massagen mit Bürsten und rede ihm gut zu.

Es scheint besser zu werden...und ich lasse mich nicht gerne schlagen...aber wenn ich das Gefühl habe, dass ich etwas bewegen kann...dann nehme ich in seltenen Fällen selbst das in gewissen Maßen in Kauf...kann trotzdem seelenruhig einschlafen ;)

Danke für den Tipp mit "selbst Arabisch lernen" ...kam ich in all dem Stress noch nicht zu...Wald vor lauter Bäumen...

2. August 2014 20:34 # 6
Registriert seit: 08.05.2009
Beiträge: 305

Hi

salam aleikum ist eine verbreitete Begrüßungsformel und wird in der Regel mit aleikum salam beantwortet. Habibi heisst Liebling und shukran Danke.

Ich hoffe das können kleine "Türöffner" sein.

Gruß Andrea
Ich liebe unseren Beruf!
:-)
3. August 2014 08:20 # 7
coriande
coriande
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 129

Hallo,
wie wärs mit ein wenig vertrauter arabischer Musik im Hintergrund. Vielleicht lässt sich im Rhytmus dieser die Aufmerksamkeit besser lenken und Bewegungen gestalten.

?
3. August 2014 23:29 # 8
chipchap
chipchap
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1334

Hallo!
Für mich (leider) eine nicht seltene Kombi: Aphasie und Nicht-deutschsprachig,
zum Teil kommt noch Demenz dazu....(ich arbeite in der Geriatrie).
Für mich ein Grund mehr, eher non-verbal zu arbeiten.
Bei einem Neglect bietet sich das ja auch an.
Also Körpersprache, Gestik, Mimik zur Kommunikation.
Behandlung des Neglects zunächst über Körperwahrnehmungstraining,
mittels Lagerung, Transfere, die einen eindeutigen Input geben.
Wer pflegt den Patienten? Gibt es einen Lagerungsplan?
Werden die Transfere von Allen auf die gleiche Art gemacht?
Sitzt der Patient im Rollstuhl, verlässt er begleitet das Haus?
Was "macht" er den ganzen Tag?
Ist seine Umgebung eher reizarm oder ist in der Familie "immer was los"
(hoher Geräuschpegel)?
Ist die Familie über den Neglect aufgeklärt, also was es bedeutet
für einen Patienten und wieviel Angst dies machen kann?
Liegt ein DK, daß er vielleicht deshalb ständig den Fremdkörper aus seiner Hose
entfernen will?

Das Kotschmieren deutet allerdings auf erhebliche kognitive Einschränkungen hin,
also eine demenzielle Entwicklung. Dies senkt natürlich das Reha-Potiential aufgrund
der geminderten Lernfähigkeit.

In so einem Fall ist es zunächst mal wichtig WELCHE Ziele man sich und dem Patienten
und seiner Familie setzt!!!! Erreichbar und realistisch innerhalb von 10 Einheiten
zum Beispiel.....
- fachgerechte Lagerung nach der LIN-Methode
- Transfer-Technik, die dem Patienten keine Angst macht
- Aufklärung der Familie über die Symptome, deren Auswirkung/Bedeutung und der
Umgang damit
- "Beschäftigung" des Patienten über den Tag, damit er sich NICHT mit seinen Fäkalien beschäftigen
muss (mangels anderer Angebote)
usw....
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