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Fallbeispiel Kind

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16. September 2014 13:37 # 1
Registriert seit: 22.03.2010
Beiträge: 47

Hallo liebe Kollegen, ich habe seit jetzt 10 Wochen einen 8 jährigen in der Therapie.
Die Schule und die Eltern berichteten mir im Erstgespräch von Defiziten in der Feinmotorik und in der Konzentration.
Nun sind in diesem System auch noch Oma und Opa stark involviert, da die Eltern beide voll arbeiten. Also bringt meistens Oma ihn zu mir in die Stunde.
Nun handhabe ich das so, dass ich dem Kind freistelle ob es Mama/Papa/Oma/Opa mit in den Raum nehmen will oder nicht um Vertrauen aufzubauen.
Jetzt nach 10 Stunden bin ich etwas verzweifelt.. Dieser Junge klebt regelrecht an dem jeweiligen Bezugspunkt der da ist und lässt sich nicht erweichen sich mal zu trennen, er sitzt regelrecht auf dem Schoß (mittlerweile reicht es wenn er nur ganz nah mit den Stühlen aneinander ist) und blockt völlig ab, zieht sich innerlich zurück wenn ich die kurzzeitige Trennung nur anspreche .. hmm die Eltern sind selber etwas ratlos da dies gar nicht das Problem ist weswegen sie kommen und mich persönlich machen die Eltern und vor allem die Oma in der Behandlung nervös da alle so an diesem Jungen kleben oder irgendwie besonders ironische Sprüche reißen... weiß jetzt leider keinen mehr... So als Menschen mit Erwachsenen zusammen liebe ich diesen Humor.. bei dem Kind in der (ERNSTHAFTEN) Stunde finde ich das etwas übertrieben...
Und ich stelle mir auch einfach die Frage ob er sich wirklich bei mir wohl fühlt..aber er scheint immer Spaß zu haben wenn er hier ist und geht lockerer mit mir um..

Vielleicht wollte ich das nur einfach mal loswerden.. Vielleicht habt ihr sowas wie Tipps oder hmm.. Gedanken dazu.. Manchmal begegnen einem doch verflixte Fälle in der Praxis...

Liebe Grüße
Derjenige der Fliegen lernen will,muss erstmal lernen auf beiden Beinen zu stehen - Nietzsche
16. September 2014 14:02 # 2
Registriert seit: 31.08.2007
Beiträge: 518

Geändert am 16.09.2014 16:48:00
Hallo Jojochen,

hat der Junge denn schon bei der ersten Begegnung so unsicher gewirkt?

Das Angebot, mit einer Bezugsperson mit in den Behandlungsraum zu kommen, mache ich den Kindern nur, wenn sie mir eine eindeutige Verunsicherung signalisieren. Das kommt zumeist eher bei Kita-Kindern vor.
Manchmal kann allein ein Angebot dazu führen, dass die Kinder denken könnten, es gäbe einen Grund, weshalb z. B. die Mama dabei sein müsste.
Allerdings gehe ich auch eher nur alleine mit den Kindern in den Behandlungsraum, wenn ich eine Testung durchführe oder wenn ich sehen möchte, wie das Kind ohne seine Bezugspersonen agiert. Ansonsten sind die Eltern eh´ die meiste Zeit dabei, zumindest die letzten 10 Minuten.
Es gibt allerdings manchmal Sequenzen, da können Bezugspersonen, die den Therapieprozess durch ständige Einmischungen stören auch mal einfach draußen bleiben, da bietet es sich erst recht an, sie nur die letzten 5-10 Minuten dazu zu bitten: Vielleicht solltest du es ja so machen bei dem Jungen.

Außerdem sagen die Eltern, die Anhänglichkeit sei nicht das Problem, weshalb sie kämen: Ist es denn zuvor schon mal ein Problem gewesen? Und sind es wirklich die Angehörigen, die von sich aus an dem Jungen kleben? Ist der Junge WIRKLICH ängstlich oder genießt er eher die Aufmerksamkeit? Und zuletzt: Es wäre interessant, mal einen der ironischen Sprüche zu hören, evtl. verunsichert es das Kind sehr, weil er es nicht richtig versteht. Kann ja sein, dass die Eltern so was loslassen wie: "Ja, pass bloß auf, dass die nicht beißt" oder so.

Klar ist, dass die Angehörigen mit dir zusammen arbeiten müssen, evtl. solltest du sie nochmal zu einem Gespräch ohne das Kind einladen, um die Rahmenbedingungen zu klären und erst recht um zu erklären, wie sie sich in solchen Situationen bestmöglich verhalten sollten.

Noch einige Fragen: Arbeitest du nach einem bestimmten Prozessmodell? Hast du z. B. ein COPM mit Kind UND Angehörigen durchgeführt? Arbeitest du videogestützt?

Wenig Antworten, viele Fragen.

Lieben Gruß, ergotron



17. September 2014 12:34 # 3
Registriert seit: 22.03.2010
Beiträge: 47

Hallo Ergotron, da bestand von Anfang an eine Unsicherheit ja deswegen habe ich es ihm ja auch angeboten.. Und ab da war das immer sehr offensichtlich, wenn ich in den Warteraum kam krabbelte er auf Oma`s Schoß.. Wenn ich nur angesprochen habe ob er alleine mitkommt wurde er komplett steif.. Die Eltern wissen auch nicht so recht was sie mit dem Verhalten anfangen sollen und schieben ihn immer so n bisschen .. " Was stellst du dich jetzt so an Dicker" und so und Oma guckt mich nur immer mit ihren großen Hundeaugen an.. hmm.. Die Idee mit dem für die letzten 10 minuten reinnehmen oder so funktioniert demnach auch nicht. Im Bewegungsraum bewegt er sich frei und ungezwungen und geht gut mit mir in den Kontakt aber es muss eine Bezugsperson anwesend sein und wenigstens am Anfang immer auf "Guck doch mal.." reagieren..
Ich habe immer mal das Gefühl das der Kleine die Sprüche die sein Vater so loslässt nicht versteht aber das Grinsen des Papas nachmacht.. Ich bin mir bei ihm sehr unsicher ob er das nicht wirklich einfach nur ausnutzt und die Aufmerksamkeit sucht oder so.. Ich dachte auch einfach ich bin nicht die Richtige, vielleicht fühlt er sich nicht ganz wohl aber er spricht mich direkt an, geht nett mit mir in den Kontakt also ich sehe da keine Abwehr..

So und zuletzt arbeite ich zumindest NOCH nicht nach einem bestimmten Prozessmodell und mache das eher so.. frei mit Eltern und Kind.. Bin da drann. Und ja manchmal arbeite ich auch nach Videos aber kommt recht selten vor.. Es sind eben einfach auch sehr viele Familienmitglieder wo es ja wenigstens deutlich wird das er körperlich und vom Verhalten mehr an Oma und Mama klebt und bei Opa und Papa auch akzeptiert das diese nur in der Ecke sitzen.. Und dann ruft mich Mama noch an und sagt mir das Oma manchmal auch sehr besitzergreifend ist und ihren Enkel in Schutz nimmt..

Grüße ::ohmy::
Derjenige der Fliegen lernen will,muss erstmal lernen auf beiden Beinen zu stehen - Nietzsche
18. September 2014 21:50 # 4
Registriert seit: 31.08.2007
Beiträge: 518

Hallo Jojochen...

...da ham wer´s ma wieder, die Oma isses schuld!::tongue::

Aber im Ernst: Ich kann dir natürlich nur einen Eindruck vermitteln, den ich gewonnen habe, ohne die Familie eigentlich zu kennen, aber ich wage mich trotzdem mal, dir meine Gedanken mitzuteilen.

Die Oma guckt mit "Hundeaugen" und der "kleine" (8-jährige!!!) krabbelt ihr auf den Schoß, na da hat ja jeder was davon. ::blink::
Großeltern sind doch eh´ oft für das Verwöhn-Programm zuständig, was bis zu einem gewissen Punkt (!) auch ok ist.
Der Oma gefällt es eventuell sehr, von ihrem Enkel "gebraucht" zu werden...und kann selber nicht loslassen. Der "Kleine" weiß bestimmt, was er tun muss, um "beschützt" zu werden. Und wenn du schreibst, die Mama ruft dich an und beklagt sich über die "besitzergreifende" Oma, das rundet irgendwie das Bild ab.

In so einem Fall versuche ich immer mit allen Beteiligten zu sprechen...und zwar so behutsam aber auch so deutlich wie möglich.
Die Eltern gaben dir auch einen ganz anderen Behandlungsauftrag, als dich um die Loslösungsprozesse von den Bezugspersonen zu kümmern. Allerdings gehört das nun dazu. Du weißt sicherlich, wie es zu Beginn der Kita und der Schule für den Jungen war, aber auch dort ist der "Kleine" ja nun inzwischen seit ca. 2 Jahren ganz auf sich alleine gestellt (was seine engste Familie betrifft).
Nur so kann es ihm irgendwann gelingen, zu einen selbstständigen Menschen heran zu reifen, ein unabdingbarer Entwicklungsprozess. Also sollte die Ergo für ihn ein Klacks sein...oder kommt die Oma manchmal in die Schule um ihn zu knuddeln? Bestimmt nicht!

Wenn es sehr ungünstig läuft, nehmen Eltern und Oma ihrem Kind unbewusst die Chance, aus sich selbst heraus Erfolg zu empfinden und Selbstvertrauen zu entwickeln. Und deshalb würde ich ihnen erklären, warum es momentan wichtig für ihn ist, auch mal alleine mit dir in den Behandlungsraum zu gehen. Und möglicherweise funktioniert das mit den letzten 10 Minuten ja doch, wenn du es einfühlsam erklärst.

Wie der Junge reagiert wirst du eher wissen, aber manchmal sind so kleine Abnabelungen halt schmerzhaft. Selbstverständlich solltest du natürlich sehr vorsichtig sein, wenn eine tiefliegende psychologische Problematik bekannt sein sollte, ansonsten ruhig auch mal ab ins "kalte Wasser".

Es wirkt auf mich auch nicht so, als läge es an dir, er macht ja offensichtlich gerne mit und geht "nett mit dir in Kontakt".

Bin mal gespannt, wie sich dass noch entwickelt.::smile::

Lieben Gruß, ergotron
19. September 2014 10:43 # 5
Registriert seit: 09.10.2009
Beiträge: 5

Ich schließe mich den Kommentaren an: das Kind ist so stark gehemmt durch die Überwachung der Angehörigen...ich nehme an, dass dieses Verhalten schon länger besteht und die Omi ihn immer schön bestätigt für dieses Rückzugsverhalten. Ich arbeite gerade mit größeren Kindern gern mit kurzen Verhaltensverträgen und gebe dann eine direkte Belohnung. Meistens hilft das ganz gut, natürlich in Verbindung mit einer Aufklärung und Anleitung der Eltern. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade diese Kinder allein dann völlig aufdrehen und ein überschwängliches Verhalten in der Therapie an den Tag legen... Aber wie schon vorher erwähnt, sollte man die Familie gut befragt haben bzw. kennen, um Verlustängste o.ä. ausschließen zu können.
19. September 2014 12:59 # 6
Registriert seit: 22.03.2010
Beiträge: 47

Naja und dann sitzt sie aber doch da und sagt "Sie kennt das gar nicht von ihrem Enkel"... gut sei jetzt mal dahin gestellt. Einen kleinen Nachtrag habe ich noch, hatte ihn am Mittwoch wieder und Oma kam wieder mit und hat sich in die Ecke gesetzt und er sich zu mir an den Tisch, hat zwar 1 mal komisch geguckt aber das war dann Okay.. Habe dann Testaufgaben mit ihm begonnen um zu gucken wie er reagiert, wie die Stifthaltung ist etc.. Fand er total super, hat sich reflektiert und gesagt Graphomotorik fällt ihm schwer (nein so hat ers nicht gesagt ::tongue:: ) und das er die Zeigeaufgaben lieber macht. Danach runter in den Bewegungsraum und Oma durfte draußen bleiben ::laugh:: Für nächste Woche haben wir jetzt abgemacht, dass das wieder so läuft ::thumbup::

Schönes Wochenende und danke für die Antworten!
Derjenige der Fliegen lernen will,muss erstmal lernen auf beiden Beinen zu stehen - Nietzsche
19. September 2014 18:04 # 7
Registriert seit: 31.08.2007
Beiträge: 518

Hallo Jojochen,

schön, dass sich schon jetzt eine Wendung abzeichnet...und dass du eine tolle Bestätigung dafür hast, dass es nun wirklich nicht an dir lag. Freut mich sehr für dich::biggrin::

Lieben Gruß und schönes Wochenende,
ergotron
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