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Klientenschwund

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16. Oktober 2014 11:23 # 1
Registriert seit: 27.08.2009
Beiträge: 31

Wir (rein pädiatrischen Praxis) haben seit kurzem die Befundung (sind gerade dabei auch hinsichtlich Interventionen) völlig umgestellt, so dass wir in erster Linie betätigungsorientiert und klientenzentriert (COPM und Aktivitätsanalyse) befunden, ergänzend verwenden wir, wenn notwendig, funktionsorientiert Tests.
Jetzt haben wir folgendes Problem, dass die Praxen, um uns herum nach wie vor in erster Linie nach SI arbeiten, und wir mit der Umstellung ein Image-Problem bekommen haben - "Das ist ja nicht Ergo, was die machen." Bei jedem Kontakt innerhalb unserer Netzwerkes informieren wir über unsere neue Vorgehensweise. Die Rückmeldungen uns gegenüber sind dann positiv, aber irgendwie hab ich das Gefühl hinten herum ist das anders, weil wir auf einmal einen Schwund an Klienten haben. Möglicherweise liegt es auch daran, dass wir den Eltern jetzt einiges mehr an Einsatz abverlangen, und die Kinder bei uns halt nicht mehr nur Spaß haben.
Hat jemand von euch Tipps, wie wir Dinge noch transparenter machen können oder wieder zu Klienten kommen?
18. Oktober 2014 17:57 # 2
Registriert seit: 31.08.2007
Beiträge: 518

Geändert am 19.10.2014 17:27:00
Hallo,
es ist ja eigentlich zum kaputt lachen...wenn es nicht so tragisch wäre.::unsure::

Wenn es tatsächlich so ist, dass in deinem Gebiet klientenzentrierte Vorgehensweise mit "Das ist ja nicht Ergo, was die machen" kommentiert wird...dann ist das schon hart.
Da scheinst du dich ja in einem richtigen "Pradigmen-Clash" zu befinden.::scared::

Ich vermute nicht, dass es sich unter den Eltern herum spricht, das sie bei euch jetzt mehr mitmachen müssen, es wird doch ausdrücklich von den Ärzten gefordert und erwartet...aber ich habe natürlich keine Ahnung, was ihr für Klientel habt.

Jetzt habt ihr eure Vorgehensweise "völlig umgestellt", dass kann insbesondere bei den Bestands-Klienten zu Irritationen führen. Ich bin der Meinung, Veränderung sollte fließend stattfinden...ich weiß aus eigener Erfahrung, dass bei Neuerungen gerne mal der "Dampfhammer" geschwungen wird, weil man selbst so enthusiastisch ist...hinterfrage dich mal, ob ihr eure Patienten momentan evtl. überfordert.

Des Weiteren finde ich nicht, dass Kinder vorher wie nachher "nur Spaß" hatten. Das eine schließt das Andere meines Erachtens nicht aus...

Wie tretet ihr denn nach Außen auf? Habt ihr euer Berichtswesen umgestellt? Wie klärt ihr die Klienten über eure Vorgehensweise auf? Habt ihr mit den Ärzten kommuniziert? Habt ihr euch mal an die anderen Ergopraxen gewendet (wenn es so ist, wie du sagst, schlafen die ja einen "Dornrösschenschlaf"...vielleicht müssen sie ja mal "wachgeküsst" werden)? Berücksichtigt ihr auch die Bedürfnisse aller Beteiligten (Eltern, Kinder, Ärzte, Lehrer, Erzieher u.s.w.)?

Ich weiß, sind viele Fragen...aber für mich essentiell, damit ich evtl. noch einen Ratschlag geben kann, ohne mir die Finger fusselig zu tippen.::rolleyes::

Lieben Gruß, ergotron

22. Oktober 2014 21:02 # 3
Registriert seit: 02.06.2005
Beiträge: 3215

@helga62,

eine grundsätzliche Arbeitsweise umzustellen macht ja erstmal nur Sinn, wenn es dafür triftige Gründe gibt.

Die können im Therapeuten selbst liegen oder es werden Wünsche bzw. Forderungen von außen an den Behandler herangetragen.

Eine betätigungsorientierte, klientenzentrierte Behandlungsweise zu etablieren ist ein recht großer Aufwand. Wenn es aber einmal läuft ein ziemlicher Gewinn und auch eine mögliche Absicherung gegen regress- oder parolenbedingte Verordungsrückgänge.

Vielleicht gehst du noch mal einen Schritt zurück und fragst dich, wer welches Anliegen an euch hat.

Was erwarten die Ärzte konkret von der Behandlung? Wie sieht es bei den Eltern aus, welche Wünsche haben die? Und was bewegt eure kleinen Patienten?

Und da ruhig Ergotherapie auf sich selbst anwenden ::wink::

- Anliegen umfassend ermitteln, Ziele konkret und operant formulieren.

Dann ein "Behandlungsplan": die notwendigen nächsten Schritte zur Umsetzung.

Das ist im Grunde auch gar nicht so schwer. Ärzte aufsuchen oder anrufen und einfach fragen. Eltern: dito oder im Bekanntenkreis umtun. Kinder: die Kids-activity-cards sind ein gutes Instrument, um herauszufinden, was Kindern wichtig ist.

Und dann im zweiten Schritt schauen, welche dieser Anliegen bzw. Ziele innerhalb der Behandlung wie zu erreichen sind oder auch nicht.

Was Elternarbeit angeht: etwas "abverlangen" ist möglicherweise eine Reaktion auf die Wahrnehmung, die Eltern engagierten sich nicht genug. Das ist meistens gar nicht der Fall. Sie sind so gut wie immer ratlos, überfordert oder in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Wenn wir Eltern bzw. Angehörige als erweiterte Klienten ansehen, dann gilt wie bei den kleinen Patienten auch: Anliegen aufnehmen, Ziele formulieren, Befähigen. Statt "Hausaufgaben" und "Ratschläge" eher in die Behandlung einbeziehen und helfen, dass die alltäglichen Probleme, die die Eltern im Umgang mit ihren Kindern schildern, in Kompetenz umgewandelt werden.

Wir sind ja Dienstleister.

Und nicht zuletzt: der Bereich Pädiatrie geht seit Jahren schon zurück. Abgesehen davon, dass er sowieso was die Wirtschaftlichkeit angeht, ein eher grenzwertiger ist.

Ich handhabe es deshalb so, dass ich grundsätzlich nur Kinderpatienten aufnehme, deren Eltern einen gewissen Leidensdruck haben und auch organisatorisch in der Lage sind, sich wie auch immer in die Behandlung zu integrieren. Und mir eine Verbindlichkeit zusichern. Ausnahmen mache ich nur, wenn die verordnenden Ärzte mich explizit darum bitten. Es gibt einige wenige Kinderpatienten, bei denen aus bestimmten Gründen keinerlei Elternarbeit statt findet.

Auf diese Weise sind die Ausfälle im Pädiatriebereich bei mir recht gering.

Und wenn es einmal KV-bedingte Rückgänge gibt, fällt das nicht so sehr ins Gewicht.

Alles Gute wünscht
Oetken1
28. Oktober 2014 22:46 # 4
Registriert seit: 27.08.2009
Beiträge: 31

Danke erst einmal für eure Antworten!

Wir stellen nur das neue Klientel umgestellt, das "alte" lassen wir mit dem herkömmlichen früheren Vorgehen auslaufen, nachdem wir schnell gemerkt haben, dass der Dampfhammer (klar waren wir übermotiviert) nicht funktioniert.
Driftig genug für die Umstellung war für mich, dass ich einer modernen Ergotherapie gerecht werden wollte und ich den Schritt in die Zukunft nicht erst machen wollte, wenn sie für andere schon die längste Zeit Gegenwart ist. Grund war keinesfalls, dass ich mir dadurch erwartet habe, dass ich auf einmal deutlich mehr Zulauf habe. Nur dass es jetzt weniger ist, obwohl wir unserer Arbeiten auf ein anderes Niveau gebracht haben, war für mich jetzt auch nicht zu erwarten.

Wir machen das COPM mit den Eltern und mit den Kindern die Kids Activity Cards oder den älteren das COPM. Mit den PädagogInnen gibt es Kontakt über einen Fragebogen bzw. eine abgespeckte Version COPM am Telefon.
Berichte wurden auch geändert: Betätigungsprobleme + Beurteilung aus dem COPM, Ziele sind jetzt zusätzlicher Inhalt und es stehen weniger "Funktions"-Infos drinnen.
Über den Behandlungsplan wird mit Eltern und Kind nach der Zielvereinbarung gesprochen und auch darüber, dass Ziele überprüft werden und nicht unveränderlich sind.

Fehlenden Leidensdruck empfinde ich definitiv als Thema - vor allem das Thema Pädagoginnen sehen ein Betätigungsproblem, das so von Eltern/Kind nicht gesehen wird. Eltern müssen aber mit dem Kind zur Therapie und die Therapie erfolgt aus verschiedensten Gründen nicht am Ursprung des Problems.

Was grundsätzliche Wünsche und Bedürfnisse meiner Kunden (das sind ja eigentlich in erster Linie Eltern und Pädagoginnen) ist eine gute Frage - Ich weiß es nicht, obwohl ich am Anfang immer ihre Erwartungen an mich und die Ergotherapie erfrage. Aber ich glaube, ich bekomme da auch oft Antworten, die eher von anderen weitergegeben werden - "Mein Kind soll sich besser spüren lernen." "Mein Kind soll reif für den Schuleintritt sein." Prinzipiell hab ich auch das Gefühle, sie mögen diese ganz konkreten festgelegten Ziele, nicht so gern wie so schwammiges wie verbesserte Konzentration, Körperwahrnehmung, Feinmotorik,...

Der Rückgang in der Pädiatrie würde mich interessieren. Warum glaubt ihr, ist das so?
2. November 2014 13:15 # 5
Registriert seit: 31.08.2007
Beiträge: 518

Geändert am 03.11.2014 09:53:00
Hallo helgak42,

zuerst einmal stellt sich mir die Frage, ob die Ergo-Verordnungen nur bei euch rückläufig sind, bist du dir sicher, dass die anderen Praxen noch regen Zulauf haben?
Ich weiß ja nicht, aus welcher Region du kommst, laut oetken1 ist die Pädiatrie in Berlin eher rückläufig, bei uns (Niederrhein/NRW) überhaupt nicht (mehr).

Für mich hört sich dein Statement erst mal gut an, nur fehlt mir der Teil, in den die Ärzte mit einbezogen wurden.
Ihr habt ja auch das Berichtswesen umgestellt (ohne geht´s ja eigentlich auch nicht), nun lesen sich eure Berichte sicherlich anders, "fremdartiger" als die der SI-Kolleginnen. Habt ihr die Ärzte denn informiert? Wie oetken1 bereits schrieb: "Ärzte aufsuchen oder anrufen und einfach fragen". Was für Erwartungen haben sie, was halten sie von der "modernen" Ergotherapie? Könnte ja sein, dass sie sich bei euch mit den Neuerungen konfrontiert und übergangen fühlen.

In einer Fortbildung hatte Aldona Brenner-Ehrlich darauf hingewiesen, dass immer mehr Kinder- und Jugendärzte Fortbildungen in Bezug auf das Konzept "RopE: Ressourcen-orientierte pädiatrische Ergotherapie" besuchen. Einige unserer Ärzte auch. Jetzt kann man von diesem Konzept halten was man will, aber es ist ganz klar betätigungs- und ressourcenorientiert, auch was die Zielsetzungen angeht. Also ist es wohl in unserer Region einfacher, betätigungsorientiert und klientenzentriert zu arbeiten. Bei euch müsst ihr wohl selbst erst mal für Aufklärung sorgen.

Zitat helgak42:
"Was grundsätzliche Wünsche und Bedürfnisse meiner Kunden (das sind ja eigentlich in erster Linie Eltern und Pädagoginnen) ist eine gute Frage - Ich weiß es nicht, obwohl ich am Anfang immer ihre Erwartungen an mich und die Ergotherapie erfrage. Aber ich glaube, ich bekomme da auch oft Antworten, die eher von anderen weitergegeben werden - "Mein Kind soll sich besser spüren lernen." "Mein Kind soll reif für den Schuleintritt sein." Prinzipiell hab ich auch das Gefühle, sie mögen diese ganz konkreten festgelegten Ziele, nicht so gern wie so schwammiges wie verbesserte Konzentration, Körperwahrnehmung, Feinmotorik,..."

Dass "solltest" du aber wissen, es ist eine Frage der Gesprächsführung. Wenn sich Eltern und Pädagoginnen "schwammig" äußern, dann unterstütze sie dabei konkreter zu werden. Bei allen von dir benannten Bereichen (Konzentration, Körperwahrnehmung, Feinmotorik) ist es gut möglich, konkrete Betätigungsbedürfnisse heraus zu finden.
Wenn mir jemand sagt "Mein Kind soll reif für den Schuleintritt sein.", dann hinterfrage ich z. B., in welchem Bereich es denn noch "hapert", wenn es ganz unklar ist, kläre ich darüber auf, was Schulreife bedeutet. Welche Fähig- und Fertigkeiten dann noch fehlen, sollte recht leicht herauszufinden sein, insbesondere mit dem COPM und der vorausgegangenen Erstellung eines Betätigungsprofils. Und natürlich mit der Befragung des Umfeldes, z. B. Kita.

Lieben Gruß, ergotron




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