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Diskussionsforum

Therapie mit Alkoholkranken

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25. Juni 2015 18:19 # 1
Registriert seit: 19.06.2015
Beiträge: 1

Hallo ihr lieben Ergos und diese, die es werden möchten,

habt ihr ein paar Ideen für eine psychiatrische Gruppe in der Alkoholentwöhnung?
Werden wahrscheinlich ca 6-8 männliche Patienten im Alter von 30-60 Jahren. Sie sind bisher zwischen 2 und 5 Wochen auf Station.
Ich möchte ungern dem typischen Klischee der Ergotherapie in der Psychiatrie nachkommen und so viel malerisch/ künstlerisch o.ä. arbeiten (auch wenn das oft nicht schlecht ist). Ich weiß, dass diese Männer definitiv wenig Lust auf Malen mit Acrylfarbe, Pastellkreide oder der Arbeit mit Ton haben.
Es geht um eine Gruppenarbeit mit interaktionellen Anteilen und die Therapiestunde dauert 90 Minuten.
Hatte schon überlegt mit ihnen auch mal draußen was zu machen.

Danke schon mal für eure Ideen und herzliche Grüße ;)
25. Juni 2015 20:21 # 2
Registriert seit: 29.09.2007
Beiträge: 785

Hallo,
nach meiner Erfahrung ernähren sich Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit oft ziemlich gruselig. Das wäre eine Ansatzpunkt für die Ergotherapie. Auch halbwegs vernünftiges Einkaufen ist oft nicht selbstverständlich. Ansonsten: Tagesstruktur? Arbeitsfähigkeiten? In der Regel sind das nach der Entlassung extrem wichtige Themen im Alltag.
Gruß
nimis
2. Juli 2015 06:29 # 3
Registriert seit: 20.05.2007
Bundesland: Schleswig-Holstein
Beiträge: 722

Geändert am 02.07.2015 06:33:00
In der Entwöhnung müsste ja (zumindest bei dem Großteil der Patienten) die Rentenversicherung Kostenträger sein. Die ist sozusagen dein "Auftraggeber" und hat recht klare Vorstellungen davon, welches Ziel verfolgt werden und welche auf dieses Ziel hinauslaufende Angebote die Patienten während der Entwöhnung erhalten sollen. Dein Stichwort heißt "BORA", nachzulesen hier: Klick

Der zweite "Schlüssel" heißt: Zuhören. Wer seinen Patienten gut zuhört, bekommt auch einen Eindruck, eine Idee davon, welche "Baustellen" bestehen. Diese sind sehr individuell, lassen sich aber zu Überschriften zusammenfassen, unter denen dann Gruppenangebote gemacht werden können. Nur ein paar Beispiele aus der letzten Zeit:

Eine Patientin, die beruflich Vorträge vorm Team halten muss und sich dabei sehr unwohl fühlt, übernimmt die Präsentation der Ergebnisse von Kleingruppenarbeiten vor der Gesamtgruppe. Gemeinsam besprechen wird, was schwer und was leicht fiel, suchen nach Lösungen und erproben sie.
Soziale Problemstellungen sind ohnehin häufig vorhanden. Viele schildern Schwierigkeiten, mit Autoritäten umzugehen (entweder aufgrund von Ängsten oder Schwierigkeiten, sich unterzuordnen und Vorgesetzte in ihrer Rolle zu respektieren), Konflikte auszutragen und zu lösen (oft aus Furcht vor der eigenen Aggressivität und Impulsivität), mit Kritik angemessen umzugehen (z.B. sie zu bewerten und dementsprechend anzunehmen oder auch abzulehnen), Kontakte aufzunehmen (aktuell z.B. gerade ein Patient, der sich für sein Stottern schämt), Unkenntnis über die eigenen Außenwirkung (z.B. häufig "unfreundlich wirken", obwohl es gar nicht so gemeint ist. Hier arbeite ich viel über Feedback) usw. usf.

Viele Patienten fühlen sich Unsicher bei Vorstellungsgesprächen, haben teilweise noch niemals eines geführt und wissen gar nicht, was auf sie zukommen könnte. Sie gehen zum Bewerbungstraining. Aktuelle Bewerbungsunterlagen sind bei "meinen" Patienten eher selten vorhanden, viele wissen auch nicht, wie diese zu erstellen sind oder wie sie mit den Lücken im Lebenslauf (Arbeitslosigkeit, Haft) umgehen sollen. Sie erhalten ein entsprechendes Angebot oder eine Angebotskombination, je nachdem, ob sie über EDV-Kenntnisse verfügen oder nicht (im letzten Fall gehen sie erst in den EDV-Kurs). Informationskompetenzen in Bezug auf die Arbeitsplatzsuche sind auch häufig kaum vorhanden. Auch hierfür erhalten die Patienten Angebote.

Ebenso viele haben bisher keine funktionalen Stressbewältigungsstrategien entwickelt, sind auch völlig uninformiert über das Thema. Sie nehmen an verschiedenen edukativen und praktischen Gruppenangeboten zum Thema Stress teil.

Die meisten, die noch einen Arbeitsplatz haben, haben unterschiedliche Problemstellungen zu bearbeiten, wie ungünstige Arbeitsbedingungen (Schichtdienste, Montage, Überstunden...), Konflikte mit dem Arbeitgeber (Abmahnungen etc.), oder dem Team (Mobbing, sonstige Differenzen), körperliche und/oder psychische Überforderung (Rückenschmerzen, Burnout...). Sie erhalten je nach Problemstellung verschiedene Angebote, z.B. Arbeitgebergespräch, Gesprächsgruppen und Interaktionstraining, Edukation, Schulungen zur Ergonomie am Arbeitsplatz...

So mancher ist orientierungslos ohne klare berufliche Perspektive. Auch dafür gibt es entsprechende Angebote, wie beispielsweise "Zielanalyse und Zieloperationalisierung", "Berufswegeplanung", Besuche im BIZ, Orientierungspraktika u.a.

Um nur einige Beispiele zu nennen. Andere Berufsgruppen beschäftigen sich mit anderen wichtigen Lebensbereichen der Patienten, die Übergänge sind dabei fließend (z.B. zwischen Physio- und Ergo- oder Psycho- und Ergotherapie). Bereiche können sein: Körperliche Fitness und Umgang mit körperlichen Einschränkungen (überwiegend Physiotherapie); Ängste, Trauma, Trauer, Depression, Komorbidität (überwiegend Medizin, Psychotherapie); private und berufliche soziale Problemstellungen (Psycho- und Ergotherapie), Ernährung (Ernährungsberatung), Körperpflege und AdL (überwiegend Pflegepersonal, Hauswirtschaft), Impulskontrolle (Psycho- und Bewegungstherapie), Wohnen und Finanzen (Sozialdienst), Tagesstrukturierung/Freizeit (Bezugstherapie, andere Berufsgruppen) und andere mehr.

Also: Lies dir alles zu "BORA" durch. Schau, was über andere Berufsgruppen abgedeckt wird bzw. wie die Zuständigkeiten verteilt sind. Schau dir das Gesamtkonzept der Einrichtung an. Und vor allem: Sprich mit deinen Patienten und beachte Teilhabebeeinträchtigungen und Kontextfaktoren.

Viel Spaß dabei :) Kinaa
Nicht alles, was Hand und Fuß hat, hat auch Herz und Hirn.
3. Dezember 2016 12:04 # 4
Registriert seit: 03.12.2016
Bundesland: Brandenburg
Beiträge: 2

Hallo,

auch wenn dieser Beitrag schon etwas älter ist, stellt sich die Frage ja immer wieder.
Ich bin selbst betroffen, auch wenn ich jetzt fast 18 Jahre trockener Alkoholiker bin.
Damals habe ich viele Entgiftungen mitgemacht und es gab natürlich auch Eergotherapien, die eher der Beschäftigung dienten, als ein erlernen einer Tagesstruktur förderlich waren.

Wenn man diese Frage aus Sicht der Betroffenen angeht, ist es vielleicht besser, die Motivation aud das Miteinander zu legen.
Beim töpfern oder malen ist ja doch jeder eher für sich.
Gruß
Karsten
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http://www.alkoholikerforum.com
3. Dezember 2016 17:01 # 5
Registriert seit: 22.08.2004
Beiträge: 387

Hallo,

wie wärs mit eine Kleinigkeit kochen oder backen mit nacher gemeinsamen Genuß, Gesellschaftsspiele, Projektgruppe zu einem bestimmten Thema z.B. gemeinsam ein Spiel erfinden und bauen


3. Dezember 2016 18:03 # 6
Registriert seit: 04.08.2002
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 1247

Ich hab im Praktikum mal eine strukturierte Gruppenarbeit mit Ton kennengelernt.
Auf einem Brett mit 2 Leisten, als Höhenbegrenzung, wurde Ton ca.1 cm dick ausgerollt.
Daraus wurden gleichgroße Ziegel geschnitten.
Aus diesen wurde nach einem vorher erstellten Grundriss und einfachen Plan, ein gebäude errichtet.
Das war in einer Tagesklinik für meist depressive Patienten.
Spannend war es mit 2 gruppen, Männer und Frauen.
Die Männer lachten vorher über die Frauen. Diese nachher über die Männer!
Unbedingt vorher testen, der Ton darf nicht zu feucht sein, das "Mauerwerk" eventuell noch feucht "verputzen.

Es kann sehr gut arbeitsteilig gearbeitet werden, erfordert Gruppenabsprachen und eignet sich gut zur Reflexion.
Weniger und einfach ist auch hier mehr!

Schönes Wochenende
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