Geändert am 02.07.2015 06:33:00
In der Entwöhnung müsste ja (zumindest bei dem Großteil der Patienten) die Rentenversicherung Kostenträger sein. Die ist sozusagen dein "Auftraggeber" und hat recht klare Vorstellungen davon, welches Ziel verfolgt werden und welche auf dieses Ziel hinauslaufende Angebote die Patienten während der Entwöhnung erhalten sollen. Dein Stichwort heißt "BORA", nachzulesen hier:
KlickDer zweite "Schlüssel" heißt: Zuhören. Wer seinen Patienten gut zuhört, bekommt auch einen Eindruck, eine Idee davon, welche "Baustellen" bestehen. Diese sind sehr individuell, lassen sich aber zu Überschriften zusammenfassen, unter denen dann Gruppenangebote gemacht werden können. Nur ein paar Beispiele aus der letzten Zeit:
Eine Patientin, die beruflich Vorträge vorm Team halten muss und sich dabei sehr unwohl fühlt, übernimmt die Präsentation der Ergebnisse von Kleingruppenarbeiten vor der Gesamtgruppe. Gemeinsam besprechen wird, was schwer und was leicht fiel, suchen nach Lösungen und erproben sie.
Soziale Problemstellungen sind ohnehin häufig vorhanden. Viele schildern Schwierigkeiten, mit Autoritäten umzugehen (entweder aufgrund von Ängsten oder Schwierigkeiten, sich unterzuordnen und Vorgesetzte in ihrer Rolle zu respektieren), Konflikte auszutragen und zu lösen (oft aus Furcht vor der eigenen Aggressivität und Impulsivität), mit Kritik angemessen umzugehen (z.B. sie zu bewerten und dementsprechend anzunehmen oder auch abzulehnen), Kontakte aufzunehmen (aktuell z.B. gerade ein Patient, der sich für sein Stottern schämt), Unkenntnis über die eigenen Außenwirkung (z.B. häufig "unfreundlich wirken", obwohl es gar nicht so gemeint ist. Hier arbeite ich viel über Feedback) usw. usf.
Viele Patienten fühlen sich Unsicher bei Vorstellungsgesprächen, haben teilweise noch niemals eines geführt und wissen gar nicht, was auf sie zukommen könnte. Sie gehen zum Bewerbungstraining. Aktuelle Bewerbungsunterlagen sind bei "meinen" Patienten eher selten vorhanden, viele wissen auch nicht, wie diese zu erstellen sind oder wie sie mit den Lücken im Lebenslauf (Arbeitslosigkeit, Haft) umgehen sollen. Sie erhalten ein entsprechendes Angebot oder eine Angebotskombination, je nachdem, ob sie über EDV-Kenntnisse verfügen oder nicht (im letzten Fall gehen sie erst in den EDV-Kurs). Informationskompetenzen in Bezug auf die Arbeitsplatzsuche sind auch häufig kaum vorhanden. Auch hierfür erhalten die Patienten Angebote.
Ebenso viele haben bisher keine funktionalen Stressbewältigungsstrategien entwickelt, sind auch völlig uninformiert über das Thema. Sie nehmen an verschiedenen edukativen und praktischen Gruppenangeboten zum Thema Stress teil.
Die meisten, die noch einen Arbeitsplatz haben, haben unterschiedliche Problemstellungen zu bearbeiten, wie ungünstige Arbeitsbedingungen (Schichtdienste, Montage, Überstunden...), Konflikte mit dem Arbeitgeber (Abmahnungen etc.), oder dem Team (Mobbing, sonstige Differenzen), körperliche und/oder psychische Überforderung (Rückenschmerzen, Burnout...). Sie erhalten je nach Problemstellung verschiedene Angebote, z.B. Arbeitgebergespräch, Gesprächsgruppen und Interaktionstraining, Edukation, Schulungen zur Ergonomie am Arbeitsplatz...
So mancher ist orientierungslos ohne klare berufliche Perspektive. Auch dafür gibt es entsprechende Angebote, wie beispielsweise "Zielanalyse und Zieloperationalisierung", "Berufswegeplanung", Besuche im BIZ, Orientierungspraktika u.a.
Um nur einige Beispiele zu nennen. Andere Berufsgruppen beschäftigen sich mit anderen wichtigen Lebensbereichen der Patienten, die Übergänge sind dabei fließend (z.B. zwischen Physio- und Ergo- oder Psycho- und Ergotherapie). Bereiche können sein: Körperliche Fitness und Umgang mit körperlichen Einschränkungen (überwiegend Physiotherapie); Ängste, Trauma, Trauer, Depression, Komorbidität (überwiegend Medizin, Psychotherapie); private und berufliche soziale Problemstellungen (Psycho- und Ergotherapie), Ernährung (Ernährungsberatung), Körperpflege und AdL (überwiegend Pflegepersonal, Hauswirtschaft), Impulskontrolle (Psycho- und Bewegungstherapie), Wohnen und Finanzen (Sozialdienst), Tagesstrukturierung/Freizeit (Bezugstherapie, andere Berufsgruppen) und andere mehr.
Also: Lies dir alles zu "BORA" durch. Schau, was über andere Berufsgruppen abgedeckt wird bzw. wie die Zuständigkeiten verteilt sind. Schau dir das Gesamtkonzept der Einrichtung an. Und vor allem: Sprich mit deinen Patienten und beachte Teilhabebeeinträchtigungen und Kontextfaktoren.
Viel Spaß dabei :) Kinaa
Nicht alles, was Hand und Fuß hat, hat auch Herz und Hirn.