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Prioritäten in der Schlaganfall Behandlung wie setzen?

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17. November 2015 00:12 # 1
Registriert seit: 01.10.2011
Beiträge: 64

Ich bin mal wieder etwas hin und her gerissen, was die Zielsetzungen, Behandlungsschwerpuknkte und Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen angeht.
Aktueller Auslöser für dieses Hinterfragen meiner Arbeit ist, das ich mit einer Kollegin, die mich im Urlaub vertreten hat unterschiedlicher Meinung war und wir nicht wirklich auf einen Nenner kommen konnten.
Nehmen wir als Beispiel Schlaganfallpatient X Benannte Ziele Grobziel wieder alleine Wohnen können im COPM am Anfang der Therapie angegeben: selbständig Waschen und anziehen, Frühstückstisch decken, Brot/Brötchen schmieren, Türen aufschließen, ..... Wir bzw. sie hat sich also nach und nach die einzelnen Ziele erarbeitet und schnell Erfolge erzielt. Im weiteren Verlauf kam dann Kartoffelschälen usw. dazu. Fazit sie, die Angehörigen und auch ich sind sehr zufrieden mit dem bisher erreichten. Aber aufgrund der starken Beeinträchtigung der re. Hand, haben wir uns alle ihrer bisher erreichten Ziele mit li, also Einhändig erarbeitet. Die Einbeziehung der betroffenen Seite war für uns nie ein Thema, da schon in der vorrangegangenen Reha keine Funktionsverbesserung im re. Arm erreicht werden konnte und somit zu Beginn meiner Therapie keine Funktion im re. Arm vorhanden war. (in Schulter und Hand ebenfalls nicht) Sehr wichtig war jedoch allen Beteiligten, eine schnelle Verbesserung der ADL´s und somit haben wir entschieden, das wir den Arm außen vor lassen und das die Physio die Mobi des Armes mit in die Therapie einbezieht. Stand der Dinge ist nun eine recht selbständige Patientin, die mit Hilfe des Pflegedienstes wieder alleine in ihrer Wohnung wohnen kann. Jedoch mit einem nicht zu gebrauchendem re. Arm, der von der Spastik und der passiven Beweglichkeit noch genau so ist, wie zu Beginn unserer Therapie jedoch keine großen Probleme beim Waschen und anziehen bereitet.
Nun war meine Kollegin zur Vertretung dort und hat mich zum Grübeln gebracht, ob dieses Vorgehen nun wirklich richtig war oder ob ich der Pat. evtl. die Chance genommen habe eine Verbesserung der re. Seite zu erreichen. Sie kann es absolut nicht verstehen, das wir die re. Seite quasi total außer Acht gelassen haben und findet so ein Vorgehen unmöglich.
Ich muss dazu sagen, das ich bis vor ca. 2 oder 3 Jahren so gut wie immer rein Funktionell gearbeitet habe und vom COPM o.Ä. auch noch nichts gehört hatte so das Passive uns Assistive Mobi, Tonusregulation usw. eigentlich immer Bestandteil der Therapie waren, da man ja aber Lernfähig ist habe ich mich Fortgebildet und bin mit meinen Ergebnissen eigentlich zufrieden, bin jetzt jedoch verunsichert, ob ich von einem Extrem ins nächste gefallen oder doch auf dem richtigen Weg bin.
Vielleicht noch eins dazu ich habe außer dieser Patientin nur noch einen weiteren Patienten bei dem wir die betroffene Seite überhaupt nicht mit einbeziehen, bei allen anderen nutzen wir auch die betroffene Seite je nach Möglichkeit z.B. als Haltehand, Begrenzung, als Arbeitshand ... doch in diesen beiden Fällen war halt von Beginn an von Seiten der Pat. überhaupt nicht das Bedürfnis den Arm oder die Hand zu nutzen vorhanden und auch keine aktive Beweglichkeit vorhanden.
So nun bin ich sehr gespannt auf eure Meinungen zu solchen Fällen und würde mich über Antworten sehr freuen, da mich dieses Thema aktuell sehr beschäftigt (wie man ja auch an der Uhrzeit sehen kann::ohmy::)
17. November 2015 04:09 # 2
Registriert seit: 26.06.2005
Beiträge: 520

Hallo Gunda,

dann will ich dir auch mal schnell antworten.
Dein Beispiel ist spannend und von dir sehr schön und klar beschrieben. Danke!

Ich finde dein Vorgehen super, du hast ganz klar beschrieben, worum es dir mit deiner Patientin geht und sogar die Angehörigen waren vollsten dahinter gestanden. Ich finde das Beispiel zeigt super, dass wir uns immer wieder überdenken müssen als Ergos, dass sich Dinge, die wir vor Jahren gedacht haben, stark verändern können.

Klasse dass dich deine Kollegin zum Nachdenken anregt, dass wäre mir genauso passiert. Ich könnte mich in dem von dir beschrieben Beispiel gut wiederfinden und dass die Physio sich um die Armmobilisation gekümmert hat, super!

Ja, vielleicht hast du deiner Patientin ein bißchen die Chance genommen, ein wenig Funktion in ihrem betroffenen Arm zu gewinnen. Es klingt nicht so, als ob da ein sehr positiver Verlauf, bzw. Zugewinn möglich gewesen wäre, aber vielleicht ein wenig,.. Aber auch wenn schon, finde ich, dass ihr abgesägt habt und deine Patientin hat sehr viel erreicht, dass sie wieder alleine wohnen kann, selbständig ist, etc dieser Zugewinn steht sicher in einem größeren Verhältnis als Funktionsgewinn im Arm. Die frage der Restitution oder Kompensation hängt mit den Zielen des Patienten, der Prognose und deinem Clinical Reasoning zusammen. Es scheint als hast du das wunderbar mit deiner Patientin abgewogen/besprochen. Also gerne über das gesagt der Kollegin nachdenken, aber dich nicht verunsichern lassen.

Es git nicht nur den einen Weg und ich habe in meiner Laufbahn vile unterschiedliche Wege mit Patienten beschritten (da waren Patienten, die unbedingt NUR Funktion wiedergewinnen wollten, oder eben Patienten, die egal wie nur selbständig sein wollten, oder eben auch die Kombination.
Wichtig ist, den Patienten aufzuklären, was gibt es für Möglichkeiten, wie könnte man es angehen, beides gleichzeitig (mehrere Baustellen ist oft nicht sinnvoll). Also erst Selbständigkeit und dann Funktion, oder umgekehrt. Ein ganz richtig und ganz falsch gibt es nicht. Wenn die Prognose für Funktion so schlecht ist in deinem Beispiel, macht das eher keinen Sinn.

Ich habe auch oft erlebt, dass es Patienten erst später wichtig wird wieder mehr mit dem Arm zu können.

Weiterhin viel Erfolg für dich und deine Patienten.
Christina


"Give a man a fish and he will eat for one day;
Teach a man to fish and he will eat for a lifetime..."
(Chinese Proverb)
17. November 2015 21:29 # 3
Registriert seit: 01.10.2011
Beiträge: 64

Hallo,
vielen Dank für deine schnelle Antwort, nachdem ich heute noch mal mit der Patientin gesprochen habe, denke ich auch, das unser Weg für diese Patientin genau der richtige war und das wir genau so weiter machen, wie wir es geplant haben um auch noch ihre restlichen Ziele erreichen zu können (z.Zt. steht Kochen mit allem was dazu gehört an, denn das war ihr vorher immer sehr wichtig und das möchte sie gerne wieder können und wir sind auch hier schon sehr weit gekommen und werden denke ich in diesem Jahr ihre Ziele noch erreichen können)
Nachdem ich gestern sehr hin und her gerissen war bin ich heute fest davon überzeugt, das es gut so war wie wir es gemacht haben, denn ich habe der Pat, nichts aufgezwungen und wir haben nach ihren Wünschen gehandelt, wir haben vorher verschiedene Möglichkeiten besprochen und ihr war es bewusst, das wir den betroffenen Arm außen vor lassen, Ihr war es wichtig, ihre Ziele so schnell wie möglich zu erreichen und ich denke das war nur mit dem gewählten Weg möglich und es sind alle mit dem erreichten zufrieden, da kann es ja nicht wirklich falsch gewesen sein.
Mir ist es halt am wichtigsten die Ziele der Patienten zu erreichen. Wenn diese realistisch sind, dann wird daran gearbeitet sind sie unrealistisch wird zusammen nach einer Alternative gesucht. ausprobiert und so lange angepasst, bis die Tätigkeit so gut wie möglich ausgeführt werden kann. Es kommt dabei häufig vor, das ich für mich ganz andere Prioritäten gesetzt hätte aber ich bin ja "nur" der Therapeut und ich bin für mich der Meinung, so lange ich es mit Patienten zu tun habe, die verstehen welche Konsequenzen das eine Vorgehen hat und welche anderen Möglichkeiten es geben könnte, dann muss der Patient für sich entscheiden, (ggfs. zusammen mit seinen Angehörigen) welchen Weg er gehen möchte. ich kann da "nur" Beraten aber keine endgültige Entscheidung treffen denn es ist nicht mein Leben.
17. November 2015 21:37 # 4
Registriert seit: 01.04.2014
Beiträge: 599

Danke, für diesen sehr anregenden Meinungsaustausch! Ich hoffe, ganz viele Auszubildende lesen das, damit ihnen klar wird, worum es in der Ergotherapie geht!!!!
Ich finde es super, dass hier der Klient mit seinen Zielen im Fokus steht. Und ja, Ergos können nur beraten. Entscheiden muss der Klient.
Ich wünsche DIr weiterhin viel Erfolg und Freude bei der Zusammenarbeit mit deiner Klientin!
18. November 2015 08:49 # 5
Registriert seit: 17.07.2005
Beiträge: 692

Zitat / pflümi hat geschrieben:
Danke, für diesen sehr anregenden Meinungsaustausch! Ich hoffe, ganz viele Auszubildende lesen das, damit ihnen klar wird, worum es in der Ergotherapie geht!!!!
Ich finde es super, dass hier der Klient mit seinen Zielen im Fokus steht. Und ja, Ergos können nur beraten. Entscheiden muss der Klient.
Ich wünsche DIr weiterhin viel Erfolg und Freude bei der Zusammenarbeit mit deiner Klientin!


schließe mich dem an und wünschte, jede/r würde schon so klientenzentriert und in Kooperation mit den Physios arbeiten!
18. November 2015 22:16 # 6
Registriert seit: 01.10.2011
Beiträge: 64

Ja eigentlich kann man ja sagen, das wir dazu da sind Hilfe zur Selbsthilfe zu geben oder wie ich es neulich gelesen habe sind wir die Alltagsmöglichmacher ::thumbup::
Leider klappt hier bei uns die Zusammenarbeit mit den Physios nicht immer so gut wie in dem oben beschriebenen Fall.
Ein schönes Beispiel für wie sollte es nicht laufen ist z.B.
Ein Apoplex Pat. dessen Frau mir bei der Anmeldung am Telefon sagte, das sie eine Vo für Ergo bekommen hat, weil der Physiotherapeut gesagt hat, an/mit dem schmerzendem Arm ihres Mannes könne er nichts machen dafür braucht er Ergo ::confused:: da war ich echt etwas sprachlos. Für mich bestand hier eigentlich ganz klar auch eine Indikation für Physiotherapie vor allem da der Pat. zusätzlich Arthrose in der Schulter hat, die schon vor dem Schlaganfall zu Problemen geführt hat. Aber der Physiotherapeut wollte da einfach nicht ran. (Ein Wechsel kommt jedoch leider für den Pat. nicht in Frage)

Weiter ging es dann beim Erstgespräch in dem raus kam, das der Pat. sich ganz klar wünschte, wieder Funktion im Arm zu erlangen (die einzelnen ADL Ziele würden jetzt den Rahmen sprengen), in der Reha wurde jedoch überhaupt nichts mit dem Arm gemacht, da er dem Pat. schmerzte.

Dieses Vorgehen finde ich auch etwas seltsam den der Pat. hatte so starke Sensi Probleme, das ihm teilw. schon die Berührung durch seinen Pullover am Arm Schmerzen bereitete aber es wurde gar nichts!!! mit dem Arm gemacht außer Schmerzmittel zu verabreichen, die nicht viel brachten.
Er hatte dort auch Ergo (Zu dieser und auch den anderen Therapien ging er stets ohne Socken, da er diese nicht anziehen konnte was scheinbar keiner bemerkt hat ::confused::) In der Ergo sollte er dann einen Korb flechten was er ganz furchtbar fand und mir im Erstgespräch so ziemlich als erstes mitteilte, das er auf keinen Fall einen Korb flechten wolle ::laugh::
Doch auch dieser Pat. konnte inzwischen viele seiner Ziele erreichen Socken anziehen konnte er z.B. nach der 1. Einheit ::tongue:: und auch der Arm Schmerzt nur noch Arthrosebedingt bei bestimmten Bewegungen, so das er keine Schmerztabletten mehr braucht ::thumbup::,
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