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Autismus & Wahrnehmung & Hilfsmittel

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20. Januar 2016 22:24 # 1
Registriert seit: 20.01.2016
Beiträge: 8

Geändert am 21.01.2016 15:53:00
Hallo zusammen,
unser Sohn (8) ist ein atypischer Autist. Er hat eine eher schlaffe Koerperhaltung, extrem bewegliche Gelenke und ist absolut empfindlich, was seine taktile Wahrnehmung betrifft.
Er traegt immer die gleiche Kleidung, die aber uebrigens eng anliegen muss, steckt seine Fuese beim Hausaufgabenmachen in einen Papierkorb und schafft es , samt Stuhl umzufallen.
Nun haben wir uns überlegt (zus. mit unserer Ex-Ergotherapeutin- leider im Mutterschutz), dass unser Sohn einen Therapiestuhl bekommen soll. So hat er Halt und man koennte auch ggf. die Fuesse leicht fixieren. Er koenne sich besser konzentrieren, weil er jetzt eben nur rumkaspert und sich damit beschaeftigt. Nach guten Erfahrungen mit einem speziellen Reha-Autokindersitz (in dem er super gehalten wird und damit wesentlich ruhiger ist) wäre das doch vielleicht auch für Zuhause eine Idee, aber unser Arzt und unsere "neue" Ergotherapeutin halten nichts davon...
Gibt es vielleicht Erfahrungen oder gar Studien, die solche Stuehle als Sinnvoll fuer unruhige, unkonzentrierte Kinder ansehen?

Danke im Voraus und liebe Gruesse,
Leo
21. Januar 2016 10:12 # 2
Registriert seit: 17.07.2005
Beiträge: 692


Hallo Leo,
ich bin Ergo und betreue auch 2 Autisten/Aspergerkinder.

Leider weiß fast niemand wirklich etwas über Autismus – man braucht auch sehr sehr viel Zeit und Erfahrung - Ärzte wissen da leider besonders wenig.

Jeder Mensch und auch jeder Autist ist anders- es gilt- genau das herauszufinden, was ihm persönlich und individuell hilft bei der Teilhabne/in seinem ganzen Leben!

Viele wollen auch nicht auffallen durch besondere „Hilfsmittel“.
Auf jeden Fall könnte man so einen Therapiestuhl ausprobieren- ich denke das Teil ist teuer, so sollte eine Probe möglich sein,,,,,

Wichtig ist, herauszufinden, was genau Dein Sohn braucht!
Das könnte man ihm dann dann evtl auch mit „normalen“ Mitteln verschaffen.

z. B könnte ich mir vorstellen, dass eine S a n d w e s t e viel bringt !
Es gibt Vieles- aber leider kenne ich Deinen Sohn nicht..

Keidung: dann kauft halt immer mehrere gleiche Teile- Enges ist förderlich f d Körperwahrnehmung- auch dies sollte bei der ergotherapeut. Behandlung berücksichtigt werden-

Gebt nicht auf, es finden sich immer Mittel und Wege!! Es lohnt sich!
viele liebe Grüße von refi
21. Januar 2016 11:39 # 3
Registriert seit: 20.01.2016
Beiträge: 8

Hallo refi,

danke für die Einschätzung.
Um mal von vorne zu beginnen, hatten wir vor einiger Zeit eine Ergotherapeutin, die uns wegen seiner Unruhe und Aggressionen im Auto zu einem speziellen Reha-Kindersitz geraten hatte. Wir hatten Glück und konnten kurzfristig von Freunden einen fast neuen, passenden für wenig Geld bekommen. Der Sitz hat eine Fußstütze, hohe, enge Seitenwangen und eine gr. Kopfstütze. Angeschnallt wird er darin mit einem Fünfpunktgurt und es kommt noch ein recht großer Tisch davor. Unser Sohn hat zuerst unglaublich geschimpft, aber letztendlich bekommt ihm das "Einengen" gut. Die Freiheit eines normalen Sitzerhöher-Kissens tut ihm anscheinend nicht gut. Die Ergotherapeutin hatte also mit ihrer Idee damals Recht und es war eine gute Idee. Nun ist es aber, warum auch immer, unglaublich anstrengend geworden am Tisch mit ihm. Ob es Mahlzeiten sind oder Hausaufgaben, egal, er kaspert nur rum.. Da haben wir als Laien uns gedacht, ob er nicht vielleicht auch am Tisch in einem speziellen Stuhl sitzen sollte.
(Generell ist er Therapien eher ablehnend und wir machen viel, aber er "bockt" oft herum oder die Therapeuten ziehen ihr ding durch und danach! ist dann die Luft raus und wir bekommen seinen Ärger über die Sache ab. Unter den Umständen zweifle ich mal die Sinnhaftigkeit einer Therapie generell an).
Mittlerweile haben wir eine andere Ergotherapeutin bekommen, weil unsere vormalige in Mutterschutz gegangen ist. die "neue" Ergotherapeutin steht der ganzen Sache eher ablehnend gegenüber (Zitat: Anschnallen ist ja auch keine Lösung) Da fühlten wir uns ganz schlecht. es geht ja nicht darum, unseren Sohn stundenlang anzugurten, sondern ihm zu helfen, in dem er sitzen bleibt, und sich eventuell (Versuch) besser konzentrieren kann.
Unser Arzt will kein Rezept ausstellen, weil unser Sohn ja nicht "körperbehindert" ist.
Die Frage ist, ob es da vielleicht verschiedene Grundrichtungen in der Ergo gibt, oder ob es einfach Sturheit ist, mal was zu probieren. Oder wir sind tatsächlich auf dem falschen weg?
LG
Leo
21. Januar 2016 13:19 # 4
Registriert seit: 10.02.2005
Bundesland: Niedersachsen
Beiträge: 655

Es tut mir leid, sowohl für die Vertreterin meines Berufes als auch für den Arzt pure Sturheit und eine gehörige Portion Ignoranz diagnostizieren zu müssen. Allein die Aufteilung in reine "geistige" und "körperliche" Behinderung ist erschreckend vereinfachend. Komplexe Diagnosen, und Autismus ist eine solche, verlangen komplexe Lösungen und ein wenig Experimentierlust. Auch die Einschätzung der Kollegin, die Strategie mit einem Stuhl hätte etwas mit dauerhaftem Anschnallen zu tun, ist schlichtweg falsch. Es klingt für mich, als hättet Ihr mehr Ahnung als die Fachleute, die Ihr aufgesucht habt. Da würde ich auf jeden Fall versuchen, kompetentere und vor allem aufgeschlossenere Gesprächspartner zu suchen. Und konsequent den gewählten Ansatz zu verfolgen, ob mit oder ohne ärztliche bzw. therapeutische Unterstützung. Außerdem klingt es so, als würde hier die Ergotherapie für Überforderung und anschließende Frustration sorgen. So soll Therapie nicht aussehen! Habt Ihr mit der Kollegin darüber sprechen können?

Gruß,
Karsten
R46.2 – und Spaß dabei!
21. Januar 2016 14:39 # 5
Mschiew.
Mschiew.
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Beiträge: 935

Oje....

Unsere Arbeit mit Kindern generell und im speziellen mit Autismus braucht experimentierfreudige Menschen drum herum. Ausgangspunkt ist immer das Kind. Un denn das Kind gern "mehr Halt" braucht, dann soll es dies bekommen.
Mir wird leicht übel, wenn Erwachsene meinen die Entscheidungen treffen zu können, weil sie so unendlich eins sind: erwachsen.

Naja...haltet durch und kämpft für das Recht, unkonventionelles auszuprobieren. Und wenn die Kollegin nicht mag, dann muss halt eine andere her...

21. Januar 2016 16:03 # 6
Registriert seit: 20.01.2016
Beiträge: 8

Hallo nochmal,
danke für die Meinungen.Also wir sind beide nicht vom Fach, kennen aber unseren Sohn am besten. Wir sind auch keine Menschen vom Typ Klugscheisser, aber teilen eben auch unsere Beobachtungen mit- mit dem Ziel, dass die Therapie soviel wie möglich bringt für das Kind- auch ein Spaß kann manchmal dabei nicht schaden.
Der Witz ist, dass uns der Arzt Medikamente aufschreiben wollte, gegen die Unruhe, aber kein Rezept für einen Stuhl.
Naja, dann eben nicht. Wir versuchen es einfach beim Hausarzt und sonst versuchen wir, eben wieder einen gebrauchten zu bekommen.
Schade, dass es so steht und fällt mit den Leuten.. Da kann man Glück haben oder weniger Glück. Ich melde mich einfach mal wieder, was wir erreicht haben.
Also dann höre ich raus, dass ein "Therapiestuhl mit Gurten" grundsätzlich aus ergotherapeutischer Sichtweise nicht von vorn herein Teufelszeug ist und allemal einen Versuch Wert (siehe Erfahrungen mit dem Autositz- wo er zur Ruhe kommt, weil er die Füße absetzen kann und auch sonst sehr fest im dick gepolsterten Sitz sitzt)

Nochmals Danke und Gruß
Leo
21. Januar 2016 20:01 # 7
Registriert seit: 16.10.2007
Beiträge: 318

hallo,

schau dir auch mal die bereits von ReFi erwähnte Sandweste an..

Würde ich auf alle Fälle einem Stuhl erstmal vorziehen
21. Januar 2016 20:03 # 8
Mschiew.
Mschiew.
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Beiträge: 935

Zitat / Lillly hat geschrieben:
hallo,

schau dir auch mal die bereits von ReFi erwähnte Sandweste an..

Würde ich auf alle Fälle einem Stuhl erstmal vorziehen


Obwohl du das Kind nicht kennst? Mutiger Ratschlag!

21. Januar 2016 20:25 # 9
Registriert seit: 16.10.2007
Beiträge: 318

@ Mschiew. Bissel hingeschlampt mein Posting ;)

ich würde es vorziehen , die Sandweste erstmal anzuschauen
bevor ich mich auf den Stuhl versteifen würde.

gehe davon aus das jeder sich richtig über Vorgeschlagenes informiert,
bevor er/sie losrennt und es Kauft bzw. verordnen lässt.

Habe mit Sandwesten sehr gute Erfahrungen gemacht

LG
21. Januar 2016 20:38 # 10
Registriert seit: 20.01.2016
Beiträge: 8

Hallo und danke fuer die Vorschlaege. Sandweste faellt glaube ich aus, weil er eh schon dieses Riesenproblem mit Bekleidung hat und ihm immer zu warm ist.
Generell kann ich das wohl nachfuehlen, dass es Menschen gibt, die das positiv empfinden.
Danke nochmals,
Leo
22. Januar 2016 16:02 # 11
Registriert seit: 30.05.2008
Beiträge: 146

kennt jemand die "Kugelprodukte" von Protac?
Link
Grüsse Nirtak
22. Januar 2016 17:11 # 12
Mschiew.
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Beiträge: 935

Zitat / Lillly hat geschrieben:
@ Mschiew. Bissel hingeschlampt mein Posting ;)



LOL!

ja so hätte man es auch sagen können. Hast es ja korrigiert! ::thumbup::

kollegiale Grüße
28. Januar 2016 16:11 # 13
Registriert seit: 22.01.2011
Beiträge: 7

Also, ich habe über Temple Grandin (Psychologin und selber Autistin) mal einen Bericht gesehen, in dem sie schilderte, wie sie sich eine "Quetsch-Maschine" baute und wie sehr ihr diese half und immer noch hilft...

Link

Ein Auszug:
...Während einer Autofahrt mit ihrer Tante hatte sie zufällig eine entscheidende Beobachtung am Straßenrand gemacht: Rinder in einer Pressmaschine, damit diese geimpft werden konnten.

„Ich war völlig fasziniert von dem Anblick der in diese Maschine gepferchten Tiere. Man sollte meinen, daß die Rinder panisch reagieren, wenn sie so in die Zange genommen werden, doch das Gegenteil ist der Fall. Sie werden plötzlich ganz ruhig. Das ist gar nicht so unlogisch, wenn man bedenkt, daß starker Druck äußerst beruhigend wirkt. Aus demselben Grund empfinden wir auch Massagen als angenehm. Der Fang- und Behandlungsstand gibt den Rindern höchstwahrscheinlich das Gefühl, das sonst nur Neugeborene haben, wenn man sie wickelt. Oder Taucher unter Wasser. Sie mögen das. Noch während ich die Rinder betrachtete, wurde mir klar, daß ich auch sowas brauchte. Als ich im Herbst auf das Internat zurückkehrte, half mir ein Lehrer, für mich einen „Behandlungsstand“ zu bauen. Ich kaufte mir einen Kompressor und benutzte Sperrholzplatten für die V-Struktur. Die so entstandene squeeze machine funktionierte tadellos. Wenn ich in meine squeeze machine ging, beruhigte ich mich sofort. Ich benutze sie heute noch. Dank ihr und der Pferde überlebte ich die Pubertät.“

– Temple Grandin, Catherine Johnson: Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier., Ullstein, München 2005, S. 13.[2]
1. Februar 2016 06:12 # 14
Registriert seit: 20.01.2016
Beiträge: 8

Hallo,

danke für den Beitrag. Das ist sehr beeindruckend und passt ja auch in die Beobachtungen unseres Sohnes.
Er muss auch immer ganz viel fühlen und spüren....
Speisen werden nun gerne "angeleckt", eine neue Marotte, bevor er sie isst...
Es wird nicht langweilig bei uns...

Lieben Gruß
14. März 2016 11:36 # 15
Registriert seit: 14.03.2016
Beiträge: 2

Falls es noch aktuell ist:

Protac R Therapiemittel, erschwerte Kugeldecken zum Schlafen z.B. oder zum Sitzen werden für einen Zeitraum von 3-4 Wochen verliehen für einen geringen Kostenbeitrag zwecks Reinigung. In dieser Zeit wird zu Hause am Besten ein Tagebuch über mögliche Verbesserungen geführt, dies kann bei der Krankenkasse dann mit eingereicht werden und wird hoffentlich nach dem Wiederspruch auch gelesen... ;-)
Diese Kugeldecken gibt es mit unterschiedlichem Gewicht. Eine Weste gibt es von der Fima auch. Evidenzbasierte Studien wurden in Dänemark durchgeführt.

Vielleicht ist es ebenso sinnvoll ein Theraband in gewisser Stärke um die 4 Stuhlbeine zu binden und die Waden dahinter zu klemmen. Es bleibt eine Beweglichkeit und dennoch ist sie erschwert, die Reize werden durch das Band gegeben.

Ich würde mich nach geeignetem Fachpersonal mit Weiterbildung in Verhaltenstherapie, TEACCH R und ABA Ausschau halten. Es gibt Ergos mit solchen Qualifikationen! Nur dann ist die Behandlung auch wirklich sinnvoll und qualifiziert.
Eventuell kann ihnen ein Autismuszentrum bei der Weitervermittlung und Behandlung auch weiterhelfen.
Beim Verein Hilfe für das Autistische Kind gibt es ebenfalls die Möglichkeit der Vernetzung in ihrer Nähe.

Mit vielen Grüßen und viel Erfolg für Ihr Kind!
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