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Praktikum: Sichtstunde in der AT

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13. März 2016 14:09 # 1
Registriert seit: 14.07.2015
Bundesland: Bayern
Beiträge: 2

Hallo liebe ergoXchange Community,

ich bin derzeit in Ausbildung und habe vor 4 Wochen mein erstes Praktikum im Bereich der Arbeitstherapie begonnen.
Ich arbeite in einer Wfbm im Bereich des BBB (Berufsbildungsbereich). Zu uns kommen die Mitarbeiter um herausfinden zu können, welche Tätigkeit ihnen am meisten Freude bereitet. Sie können mit unserer Hilfe und auch teils eigenständig Projekte in den Bereichen Holz, Metall und Stoff machen.
Für meine Probesichtsunde hat mir bereits ein Mitarbeiter zugesagt der eine Lernbehinderung hat. Er hat Probleme dabei sich dauerhaft konzentriert auf eine Aufgabe zu richten. Auch hat er ein sehr schlechtes Kurzzeitgedächtnis und vergisst so oft kleine, wichtige Einzelschritte in zB einem Projekt. Desweiteren ist seine Feinmotorik nicht sehr gut. Letztens wollten wir zb anhand eines einfachen Knotens eine Kordel an einem Holzkreuz (Schmuck) befestigen. Dies gelingte ihm nur Schwer mit einem großen Zeitaufwand unter ständiger Anleitung. Auch der Umgang mit einem Lineal fällt ihm schwer.
Nun zu meinem eigtl. Problem. Ich weiß nicht genau was ich mit ihm in der Sichtstunde (ca30min) tun soll, um die Anforderungen der Schule im Bereich AT zu erfüllen. Am Schluss sollten bestmöglichst ein Ergebnis heraus kommen was er auch mit nach hause nehmen kann und wodurch die Richt- und Feinziele erfüllt wurden. Also seine Defizite dadurch verbessert wurden. Ich dachte daran mit ihm ein Memory spiel selbst zu basteln, welches ich teils vorbereiten könnte. Oder an ein Projekt aus Ton wobei er auf Größen und breiten achten muss. Jedoch finde ich meine Einfälle bis jetzt nicht so prickelnd.

Hättet ihr eine paar Vorschläge für mich was ich noch tun könnte, steh echt iwie voll am Schlauch und hab nur noch ca. 1 Woche zeit.

Liebe Grüße lemongrass
15. März 2016 21:37 # 2
Registriert seit: 13.05.2008
Beiträge: 382

Geändert am 15.03.2016 22:41:00
Hallo lemongrass,

ich nehme an, dass du dich im 2 Ausbildungsjahr befindest. Da hast du sicher schon einiges über die Arbeitstherapie erfahren, aber noch nicht alles gelernt. Deshalb nachfolgend einige Anmerkungen:

Die Aufgabe der Ergotherapeuten im Berufsbildungsbereich ist es, eine klientenbezogene Fähigkeitsanalyse und eine Arbeitsplatzanalyse (angestrebter/erprobter Arbeitsplatz) zu erstellen, einen Profilabgleich vorzunehmen und daraus die arbeitstherapeutischen Interventionen abzuleiten und durchzuführen (Anpassung der Fähigkeiten des Klienten an den Arbeitsplatz durch Training, Anpassung des Arbeitsplatzes an den Klienten durch Adaptionen und/oder Hilfsmittel). Dieser Aufgabe folgend, sollten die Ziele auch dem Arbeitsauftrag entsprechen und sind bei diesem Vorgehen automatisch klientenzentriert.

Meist bleiben Klienten 2 Jahre im BBB. Im ersten Jahr zielen die Maßnahmen darauf ab, den Ist-Stand der Arbeitsfähigkeiten und die Interessen des Klienten zu analysieren und allgemeine Arbeitsfähigkeiten zu entwickeln (Ordnung, Pünktlichkeit, Handlungsplanung, instrumentelle Fähigkeiten, Konzentration, Ausdauer, ...) und im 2. Jahr sollte der Klient dann fit gemacht werden für einen bestimmten Arbeitsplatz in der WfbM. Es ist also wichtig, diesen geeigneten Arbeitsplatz gemeinsam mit ihm herauszufinden und ihm dann die für die Arbeitsaufgabe notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln (ggf. mit Adaptionen, Hilfsmitteln und Training).

Man muss seinen spezifischen Arbeitsauftrag als Ergotherapeut in der Arbeitstherapie kennen (siehe oben) und von anderen Möglichkeiten und Professionen abgrenzen. Es ist weder die Aufgabe des Ergotherapeuten Schule zu ersetzen, noch hat er die "Macht und Fähigkeit" eine bestehende geistige Behinderung zu beseitigen. Die Teilhabe des Klienten am Arbeitsleben ermöglichen trotz seiner geistigen und/oder anderen Defizite und unter Ausnutzung seiner Stärken - so lautet die Devise.

In diesem Sinne ist ein Memory-Spiel ein Beschäftigungsangebot (für Hobby und Freizeit) aber in einer Arbeitstherapie nicht zielführend. Ebenso eigenartig finde ich, dass du dir eine Zusage des Klienten zum Mitmachen holst (holen musst?). Das heißt ja, dass du ausschließlich für deine Sichtstunde Rahmenbedingungen schaffst, die es sonst so nicht im BBB gibt (Zuwendung, Aufmerksamkeit und Zeitaufwand für den Klienten betreffend, aber auch die Regeln und Normen im BBB betreffend - oder dürfen sich sonst die Klienten dir oder deinem Anleiter und euren Arbeitsaufträgen verweigern?). Auch sollte es völlig unerheblich sein, welche Anforderungen die Schule an die Arbeitstherapie in der WfbM hat. Der Klient ist Ausgangspunkt der Überlegungen, was therapeutisch gemacht werden muss und die WfbM gibt die Rahmenbedingungen dafür vor (Personalschlüssel, Arbeitsmöglichkeiten, Raum, Zeit,...). Was man in einer Sichtstunde unbedingt vermeiden sollte ist, realitätsferne Rahmenbedingungen zu schaffen, z. B. kann ein Arbeitnehmer am Ende eines Arbeitstages selten alle seine hergestellten Produkte einfach mit nach Hause nehmen. Warum sollte der Klient also gerade dieses Verhalten erlernen??? Warum sollte die WfbM das gestatten?

Was der Praxislehrer aus deiner Schule sehr wohl erwarten kann ist, dass du arbeitstherapeutische Befundinstrumente verwendest, dass du einen Profilabgleich vornimmst (Arbeitsplatz- und Fähigkeitsanalyse) und dass du daraus arbeitstherapeutische Maßnahmen für deinen Klienten ableitest und durchführst. (Also nicht irgendwelche Obstsalate zaubern, wenn das Beschleifen von Holz geübt werden muss; nicht Spiele machen, wenn es darum geht Ausdehnungen zu erfassen und das Messen zu üben, um im Arbeitsprozess an der Produktherstellung beteiligt sein zu können.)

Zu deinen Überlegungen:

Warum denkst du an ein "Projekt" mit Ton? (Begrifflichkeit beachten! Ein Projekt ist im soziologischen Sinne eine Arbeitsaufgabe für eine Gruppe, die in ihrer eigenen Verantwortung geplant und umgesetzt wird, also mit mind. 3 Leuten und in mind. 3 Einheiten). Du schreibst, dass der Klient auf "Größen und Breiten" achten sollte. (Begrifflichkeit beachten! Sicher meinst du: Höhe, Breite und Länge/Tiefe; also Ausdehnungen.) Allerdings könne er mit dem Lineal nicht umgehen.

Fragen, die sich aufdrängen: Wenn er ein Produkt aus Ton auf Maß herstellen soll, hat das dann irgendetwas mit den bei ihm notwendigerweise zu entwickelnden Arbeitsfähigkeiten zu tun (also letztlich mit deinem Arbeitsauftrag)? Ist die Arbeitsaufgabe also geeignet? In welcher Sozialform soll die Arbeitsaufgabe erfüllt werden? Wie kann der Klient etwas abmessen, ohne das Lineal zu verwenden? Sind Adaptionen möglich (Schablonen, zugeschnittene Maße aus Holz,...)? Was passiert anschließend mit dem Produkt? Wie reflektierst du mit dem Klienten, woran misst du die Zielerfüllung? Gibt es noch andere, ggf. arbeitsplatzbezogenere Möglichkeiten, die gleichen Ziele zu erreichen?

Zum Ausdruck:

"Defizite verbessern" - Damit machst du die Sache schlimmer! ::wink::Du solltest Defizite beheben, beseitigen, ausgleichen.

"Ergebnis ... was er auch mit nach Hause nehmen kann ... wodurch die Richt- und Feinziele erfüllt wurden." - Das Handeln des Klienten macht sichtbar, ob Ziele erfüllt wurden. Das Produkt (von dir als Ergebnis bezeichnet) und seine Entstehung sowie die Arbeitsaufgabe sind nur Mittel zum Zweck um Arbeitsfähigkeiten im Sinne deiner Zielsetzung beim Klienten zu entwickeln. Es kann theoretisch auch ein tolles Produkt entstehen, obwohl die Zielstellungen in keiner Weise erfüllt wurden. Das Produkt allein ist kein Nachweis für die Zielerreichung.

Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Denkanstöße geben.

Gruß, Ergo 05
16. März 2016 09:34 # 3
Registriert seit: 10.02.2005
Bundesland: Niedersachsen
Beiträge: 655

Nur so ein Gedanke:
Ton halte ich für völlig ungeeignet, um den Umgang mit einem Lineal zu üben. Das Material verändert sich ständig und seine unscharfen Konturen sind nicht gerade linealtauglich. Hinzu kommt der Schrumpfungsprozess beim Brennen.

Alles andere hat Ergo05 ausführlich und exakt beschrieben – da hast Du quasi eine Gebrauchsanleitung für Deine Sichtstunde.

Ich bin auch der Meinung, dass man keine herausragende, dem Therapiealltag nicht entsprechende Sichtstundenshow abziehen sollte, bei der der Klient irgendwelche Dinge herstellt, die er möglichst noch fertig kriegen und mit nach Hause nehmen soll. Das schaffst Du sowieso weder mit einem Memory-Spiel noch mit einer Tonarbeit.

Schau Dir an, was der Alltag des Patienten ist und baue darauf Deine Sichtstunde auf. Das ist letzten Endes auch mit weniger Aufwand verbunden.

Viel Erfolg!
Karsten
R46.2 – und Spaß dabei!
16. März 2016 13:38 # 4
chipchap
chipchap
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1334

"Ebenso eigenartig finde ich, dass du dir eine Zusage des Klienten zum Mitmachen holst (holen musst?). "

Daran ist nichts eigenartig. Bei einer Sichtstunde ist mit dem Dozenten der Schule eine betriebsfremde
Person während der Therapie anwesend. Dafür muss der Klient/Patient/Mitarbeiter sein Einverständnis
geben.

MfG chipchap
16. März 2016 15:56 # 5
Registriert seit: 13.05.2008
Beiträge: 382

Geändert am 16.03.2016 19:58:00
Zitat / chipchap hat geschrieben:
"Ebenso eigenartig finde ich, dass du dir eine Zusage des Klienten zum Mitmachen holst (holen musst?). "

Daran ist nichts eigenartig. Bei einer Sichtstunde ist mit dem Dozenten der Schule eine betriebsfremde
Person während der Therapie anwesend. Dafür muss der Klient/Patient/Mitarbeiter sein Einverständnis
geben.

MfG chipchap

.

Hallo chipchap,

da gibt es vielleicht ein Verständnisproblem.

Zitat / lemongrass hat geschrieben:
Für meine Probesichtstunde hat mir bereits ein Mitarbeiter zugesagt der eine Lernbehinderung hat.


Hier ging es - so habe ich es jedenfalls aufgefasst - um das Mitmachen des Klienten. Es ging nicht um die Verarbeitung personenbezogener Daten im Sichtstundenbericht. Dafür reicht das Einverständnis des Mitarbeiters oft sowieso nicht, denn die meisten der lern- bzw. geistig behinderten Menschen in der WfbM stehen unter Betreuung. Da müsste man mit dem Sozialen Dienst erörtern, wer überhaupt Entscheidungen treffen darf (bestellte Betreuer, betreuende Familienangehörige, ...) und die Erlaubnis ggf. dort einholen.

Unabhängig davon steht jedem anwesenden Mitarbeiter während des Tages die arbeitstherapeutische Förderung zu, egal ob er bereit ist, für einen Sichtstundenbericht zur Verfügung zu stehen oder nicht. Über die Sozialform, in der diese Arbeitstherapie stattfindet, über die Arbeitsaufgabe usw. entscheidet der Arbeitstherapeut aufgrund einer qualifizierten Befunderhebung. Ich suche mir nicht einen Klienten, der zu mir und meinen Bedürfnissen passt, sondern ich berücksichtige die Rahmenbedingen der Einrichtung und die (Therapie-)Bedürfnisse der Klienten beim Setting. ( Also nicht: Einzeltherapie im Raum abseits des sonstigen Geschehens, weil mir das besser liegt, was sonst aber nie umsetzbar wäre und auch nicht umgesetzt wird.) Mir fehlte bei "lemongrass" die Berücksichtigung dieser Vorgehensweise. Der Befund ist nicht vollständig, ein Profilabgleich wurde noch nicht gemacht, die Therapieziele sind nicht sicher bestimmt, aber es werden schon Medium, Sozialform und andere Rahmenbedingungen festgelegt. Das ist nicht klientenzentriert, sondern therapeutenzentriert - und damit nicht i. O. Dieser Fehler ist häufig in Sichtstunden zu beobachten. Manche Anleiter fordern Schüler regelrecht zu einem solch unqualifizierten Vorgehen auf bzw. korrigieren es nicht- auch eine öfter gemachte Beobachtung aus der Praxis.

Gruß, Ergo 05


16. März 2016 16:40 # 6
chipchap
chipchap
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1334

Ich finde es selbstverständlich eine Einwilligung des Klienten (oder seines Betreuers)
zu haben, bevor eine betriebsfremde Person eine Therapieeinheit begleitet.

Mein Hausarzt muss mich ebenfalls fragen, wenn gerade ein Medizinstudent für einen
Tag in seiner Praxis hospitiert, ob dieser bei meiner Untersuchung/Behandlung dabei sein darf.

Es geht mir nicht darum, dass der Klient seine Einwilligung zu der TE an und für sich geben muss.
Sondern nur um die Anwesenheit der/des Dozenten/in.

Grundsätzlich stimme ich dir natürlich zu, dass: "Der Befund ist nicht vollständig, ein Profilabgleich wurde noch nicht gemacht, die Therapieziele sind nicht sicher bestimmt, aber es werden schon Medium, Sozialform und andere Rahmenbedingungen festgelegt." Hier liegt vielleicht eine mangelhafte Anleitung vor..

Viel mehr hab ich mich geärgert über die Aussage: ".... tun soll, um die Anforderungen der Schule im Bereich AT zu erfüllen. Am Schluss sollten bestmöglichst ein Ergebnis heraus kommen was er auch mit nach hause nehmen kann und wodurch die Richt- und Feinziele erfüllt wurden." ::confused::
Wenn DAS die Anforderungen der Schule zum Bereich AT sind,.. dann Prost Mahlzeit!

Dann bleibt lemongrass auch nichts anderes übrig als hier zu fragen..
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