Hallo Tine-Line123,
"an der Lebenswelt orientierte Ergotherapie" - nannte man das nicht mal ganz schlicht "klientenzentriertes Arbeiten" und war für die Ergotherapie selbstverständlich?
Ich kann nicht so wirklich nachvollziehen, wieso ein solcher Blickwinkel nicht der "traditionellen Ergotherapie" entsprechen sollte (wohl wissend, dass viele Ergotherapeuten so nicht arbeiten).
Ich kenne eine Kollegin, die in der Nähe arbeitet und sehr gute Arbeit macht, aber dort ist eine Hospitation, vor allem mit der von dir angegebenen Intention, nicht möglich. Bei uns in der Einrichtung (die ohnehin zu weit entfernt ist) wäre das ebenso. Die Geschäftsführung würde mich lynchen, würde ich einem Kollegen der "Konkurrenz" (ja, auch wenn man es im sozialen Bereich gern verleugnet - die gibt es) Tür und Tor zu unseren Interna öffnen, damit er sich etwas abschauen kann. Ist leider so.
Vielleicht kann ich dir aber trotzdem ein wenig weiterhelfen. Bei uns wäre das, was du vorhast, "im Alleingang" nicht umsetzbar. Keine Ahnung, wie euer Personalschlüssel aussieht, aber er muss traumhaft sein. Wir lösen das über interdisziplinäre Zusammenarbeit, die m.E. in diesem Zusammenhang auch sehr sinnvoll ist, zumal mich der Titel "Ergotherapeut" ja nicht automatisch für alles mögliche qualifiziert. In vielen Punkten bin ich nun mal Laie, glücklicherweise gibt es Kollegen dafür, die den Patienten wesentlich besser helfen können.
Deshalb unser vorgehen:
Ausführliches Erstgespräch mit Erhebung der Teilhabebeeinträchtigungen und Ressourcen --> Therapieplanung mit Zuordnung zu den passenden Angeboten --> im Verlauf Überprüfung und ggf. Anpassung des Plans --> Anschlussmaßnahmenplanung für alles, was während der Behandlungszeit nicht oder nicht vollständig bearbeitet werden konnte --> Abschlussevaluation
Beispiele:
Kaum Kenntnisse über Haushaltsführung --> Haushaltstraining bei den Kollegen der Hauswirtschaft.
Keine PC-Kenntnisse --> PC-Schulung beim dafür ausgebildeten Kollegen.
Rückenschmerzen mit Bewegungseinschränkungen --> Physio- und Bewegungstherapie.
Eingeschränkte soziale Kompetenzen (welche ist hier ja egal) --> Interaktionstraining bei mir.
Schlafstörungen mit Antriebslosigkeit, Abgeschlagenheit --> Weiterleitung an die Mediziner und Psychotherapeuten.
Wohnungslosigkeit und/oder Verschuldung --> Weiterleitung an die Sozialarbeiter und Schuldnerberatung.
Inaktive Freizeitgestaltung --> entsprechende Gruppe bei der Sozialarbeiterin.
... und so weiter und so fort, die Liste ließe sich ewig fortführen. Die Beispiele sind natürlich stark vereinfacht, aber für die Zwecke hier sicherlich ausreichend.
Ein anderes Vorgehen kann ich mir kaum vorstellen, sowohl im Hinblick auf Fachlichkeit als auch im Hinblick auf meine Kapazitäten und die der Kollegen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Willst du das nicht auf mehrere Köpfe verteilen mit einem (z.B. dir) der zentral steuert? Wie willst du das sonst bewältigen?
Liebe Grüße! Kinaa
Nicht alles, was Hand und Fuß hat, hat auch Herz und Hirn.