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Patienten ohne Compliance-->Ziele? Therapierelevanz?

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10. Januar 2017 18:28 # 1
Fee89
Fee89
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 19

Wir hatten vor kurzem eine Patientin mit 90 Jahren (Akutgeriatrie) die gegenüber allen Therapien unkooperativ, ablehnend, aggressiv war. Wegen einer medialen Schenkelhalsfraktur und langer Immobilität stand die Mobilisation (Transfer, Rollstuhlmobilität, Sitzausdauer) im Vordergrund was hauptsächlich die Physiotherapeuten teils in Zusammenarbeit mit uns Ergos übernommen haben. Kognitive Befundung wurde von der Patientin abgelehnt. Laut Pflege zeigten sich deutliche Einschränkungen bei den komplexen Abläufen mit OrientierungStörung. Habe dann "versucht" mit der Patientin für sie wichtige Alltagsrelevante Tätigkeiten, Interessen zu fördern. Habe Gespräche geführt was ihre Ziele sind...Da sie schon ein paar Jahre im Pflegeheim lebt und auch laut Angehöriger "nur im Bett liegt" hat sie keine Ziele/Interessen sondern dann kam nur "ach ist egal". Sie sieht also keine Notwendigkeit in der ergotherapeutischen Behandlung.
Dem Chefarzt wurde immer wieder gesagt wie unkooperativ die Patientin ist was dann mit "Naja dann müssen Sie halt freundlich sein und auf die Patientin eingehen"- was natürlich mit Engelsgeduld gemacht wurde. Ich sehe es dann auch nicht ein und das ist ja nicht im Sinne der Ergotherapie mit der Patientin salopp gesagt bissl Gymnastik zu machen oder sonst was aus den Fingern saugen nur damit man eine Therapieeinheit verbuchen kann.

Wie ist eure Erfahrung mit solchen Patienten im stationären Bereich?
10. Januar 2017 19:00 # 2
Registriert seit: 26.11.2011
Beiträge: 38

Komme aus einem anderen bereich, deswegen verzeih, wenn ich "dumme" fragen stell:
-Was genau ist die aufgabe der ergotherapie in deinem bereich?
-Besteht diese vor allem/ausschließlich aus motorisch-funktionellen behandlungsverfahren?
-Wieviel freiheit in der gestaltung der therapieeinheit hast du, wenn dem leiter bereits "ein bißchen auf die klientin eingehen" ausreicht?
-90Jahre ist ein stolzes alter, das dann sehr bewegungseingeschränkt wie in diesem fall, kann ich mir elend vorstellen. Wieviel leben-, alltagsziele, bzw. motivation besitzt man mit 90jahren, wenn man sein leben gelebt hat und nun im pflegeheim abseits vom bisherigen leben/angehörigen den "rest" verbringt?
- Wie bist du zu beginn auf die dame zugegangen? "Arbeits-und pflichtgemäß" mit dem hintergrund "ziele" zu formulieren, oder eher richtung biografie- und beziehungsarbeit?
-Was ist für ältere menschen "noch" von belang? Sicher - immer sehr unterschiedlich - aber in der regel klappts oft über das interesse an dem leben, dem gelebten des klienten. Erzählen lassen - hierhinein fragen stellen....
-Gibt es noch angehörige?
-Bekommt sie noch besuch?

Kann frustration verstehen - hab aber grad beim lesen das gefühl gehabt, daß sich die ablehnung übertragen hat.
Viele grüße
11. Januar 2017 18:26 # 3
Registriert seit: 15.07.2013
Beiträge: 14

Hallo Fee 89,

ich kann deinen Frust verstehen mir geht es auch oft so. Ich arbeite ebenfalls in der Akutgeriatrie (GFK). Ich muss leider auch viel leisten, was wenig mit Ergotherapie (eher mit Physiotherapie) zu tun hat (und Einheiten müssen erbracht werden, wie auch immer). Ich denke, deine Patientin hat nicht mehr viel Lebensmut und ist depressiv verstimmt. Also GDS durchführen. Ich denke, sie kommt bestimmt auf mindestens 6 Punkte. Dies gibt dir das "Recht" auf stützende Gespräche und psychosoziale Intervention. Ein anderes Stichwort ist Aktivierung. Frag sie nach ihrem Leben, ihren Vorlieben. Gehe darauf ein. Ein anderer Ansatz , den ich immer mit einbaue, ist die basale Stimulation. Falls du Gruppen anbietest setze sie einfach im Pflegestuhl mit dazu. Vor allem vermittle, dass du dir Zeit für sie nimmst. Versuche Vertrauen aufzubauen, dann ist es meist auch möglich Transfertraining oder ähnliches durchzuführen. Viele (schwierige )Patienten sind einfach einsam und fühlen sich nicht mehr wertgeschätzt. Ich finde es deshalb unheimlich wichtig irgendeinen Zugang zu solchen Patienten zu finden. Ich bin Ergo geworden, weil wir immer den ganzen Menschen sehen und nicht nur einen Schenkelhalsbruch, der therapiert werden muss.
Sicher gibt es auch ab und zu Fälle, wo ich nichts bewirken kann. Ich gehe dann trotzdem jeden Tag kurz rein frage nach dem Befindend mache Angebote. Und dann werden diese Kurzbesuche mit 15 Min. PI verbucht. Nicht toll, aber leider Realität.

An hück: 90 Jahre ist heutzutage nicht mehr automatisch ein stolzes Alter, das elend ist. Die meisten meiner Patienten sind zwischen 85-95 Jahre alt und viele verlassen nach 2 Wochen die Station mit dem Rollator! Momentan habe ich zwei Patientinnen die 99 und 104 Jahre alt sind. Sie haben beide trotz diverser Einschränkungen noch Freude am Leben und haben gelernt wieder zu gehen. Es gibt auch bei Hochbetagten noch Therapieerfolge!
11. Januar 2017 21:41 # 4
Registriert seit: 26.11.2011
Beiträge: 38

Hallo Isto,

selbstverständlich gibt es gerade heute immer mehr menschen, die auch im hohen alter sehr fit, lebenslustig, eigenmotiviert sind - und das ist wunderbar.
Ich weiß nicht, mit welcher betonung du meine fragen, die ich stellte, gelesen hast?
Habe lediglich versucht, mich in die situation einzufühlen und die fragen genannt, die mir in ähnlichen situationen (scheinbar schwierig-gar nicht zu motivierenden klienten) durch den kopf gehen. Das bedeutet nicht, daß ich frustration über die aktuelle situation nicht nachempfinden kann - sondern zeigt lediglich, wie ich versuche genau diese zu überwinden und einen neustart zu initiieren.
Viele grüße
12. Januar 2017 15:42 # 5
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Hallo Fee,
ich kann nicht beurteilen ob dieses Verhalten auf Grund einer demenziellen Erkrankung oder einer Depression gezeigt wurde, das solltest du aber für dich schon in Erfahrung bringen können.
Bei Demenz ist diese Form des Rückzuges durchaus bis hin zur völligen Abschottung zu beobachten. Geholfen einen Zugang zu finden hat mir die Vallidation nach Feil. Sie ist kein rein ergotherapeutisches Angebot, hat mir aber für die verschiedenen Stadien der Demenz sehr viele Möglichkeiten der Aktivierung (im Sinne von den Patienten erreichen) aufgezeigt und bin weit weg von dem was die Physiotherapeuten anbieten (Transfers, Bettkante ect.).
Bei einer vorrangigen Depression sollten aber andere Maßnahmen im Fordergrund stehen.
"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
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