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Diskussionsforum

Hemmschwelle für Ergos in der Pflege und Berührungsängste im Umgang mit schwer mehrfachbehinderten Menschen

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3. März 2017 15:50 # 1
Registriert seit: 27.12.2016
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Beiträge: 67

Ich habe folgendes Problem, zunächst zwar nur in meinem Kopf, aber dort recht quälend. Nach etlichen Jahren Arbeit in einer Praxis hätte ich nun die Möglichkeit, in einem Heim mit dem o.g. Klientel(ab 18 Jahre) zu arbeiten. Das Konzept des Hauses überzeugt mich. Aber ich habe im wahrsten Sinne des Wortes Berührungsängste. Dazu kommen gelegentliche Klogänge, Wasch -und Anziehtraining.
Gleich mal vorneweg: ich werde dort einige Tage zur Probe arbeiten, um in etwa zu checken was auf mich zukommen kann.
Versorgungen im Intimbereich konnte ich bisher als "externer" Ergo immer der Pflege überlassen. Ich konnte (und brauchte) mich einfach nicht zu überwinden.
Mich reizt das hier ein völlig anderes Therapiekonzept als in Praxis erstellt werden muss. Beziehungsaufbau mit dem durchschnittlichen Praxisklientel gelang mir bisher gut aber plötzlich habe ich meine Bedenken.
Wer hat Erfahrung mit schwer mehrfachbehinderten Patienten? Wie kann der Umgang mit Exkrementen erwachener Personen, das Windeln dieser etc. im Alltag gelingen ohne das man dabei "umfällt"?
Ich habe mehrere Kinder groß gezogen aber das ist ja dann doch was anderes.
Die Stellenkonditionen sind übrigens sehr gut.
Für einige Gedanken zum Thema wäre ich sehr dankbar.
(Es ist schon ein Ergo-Job, halt mit o.g. Pflegeanteilen)
3. März 2017 17:11 # 2
Registriert seit: 23.02.2009
Bundesland: Hessen
Beiträge: 135

Hallo,

ich arbeite im Akutbereich wo das Austreten von Körperflüssigkeiten (Kot, Urin, Speichel, Blut, Sondenkost, etc.) aus diversen Körperöffnungen (Mund, Nase, Magensonde, Braunüle, Trachealkanüle, PEG) vorkommt. Nicht jeden Tag, aber fast. Ich persönlich empfinde das als nicht störend. Schön ist es sicherlich nicht, aber gehört zum Menschen dazu und kann als Ergebnis der Aktivierung auch durchaus erwünscht sein. Ich finde es gut, dass du dort Probe arbeitest. Dabei hast du wahrscheinlich mehr als genug Möglichkeiten auszutesten, ob dass dir zu nah ist oder ob du es tolerieren kannst. Nicht jedem Menschen liegt dieser Bereich des Jobs und sich das einzugestehen und dann zu sagen "danke aber nein danke" ist doch besser, als sich jeden Tag fast übergeben zu müssen, weil dein Patient die Windelhose voller Dünnpfiff hat, oder dein Patient in deinem Beisein abgesaugt wird.
Ansonsten gilt üben, üben und nochmal üben
6. März 2017 18:11 # 3
Registriert seit: 27.12.2016
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Beiträge: 67

T. Hanke,
besten Dank für Deine schnelle Reaktion. Die Antwort hift ein wenig beim Sondieren der Lage, ansonsten muss ich echt die Praxis abwarten.
7. März 2017 12:02 # 4
Registriert seit: 06.05.2008
Beiträge: 1188

Aus meiner Sicht ist es auch einfach ein Sache der Gewöhnung und des Trainings. Es gibt zb im Beruf der Pflege Übungseinheiten zum Thema EKEL.Da gibt es Kompensationstechniken. Es ist also nichts ungewöhnliches und niemand braucht so zu tun als wenn er mit Gerüchen und Situationen immer gleich leicht zurecht kommt.
Nach langer Berufszeit merke ich das es schon etwas ganz besonderes braucht um mich noch " umzuhauen".Vieles wird " normal und alltäglich ".
Ich finde es auch sehr gut das du dir vorher Gedanken dazu machst und auch erst mal zur Probe da arbeitest.
Aber letztendlich ist es ja so... wie viele Menschen haben Probleme damit Leute im KH zu besuchen weil sie den Geruch schon als fürchterlich empfinden...

7. März 2017 12:41 # 5
Registriert seit: 27.12.2016
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Beiträge: 67

Geändert am 07.03.2017 12:43:00
Danke roo22,

das mit den ÜE ist eine hilfreiche Idee. Evt. gibt es da ja auch mal extra Schulungen.
7. März 2017 19:01 # 6
Registriert seit: 15.07.2013
Beiträge: 14

Hallo Tina 65,

ich arbeite seit einigen Jahren in der Geriatrie und habe u.a. auch mehrere Jahre in einer Werkstatt für behinderte Menschen und in der Neurologie gearbeitet.
Ausscheidungen und Windeln sind daher schon viele Jahre ein Thema bei meiner Arbeit. Ich habe damit kein Problem mehr (anfangs schon).
Was mir geholfen hat, war zu überdenken, wie ich persönlich über meine Ausscheidungen denke. Jeder Mensch hat Ausscheidungen - normal. Muss so sein. Ist einfach so.
Selbstständiger Toilettengang ist ein ganz wichtiger Punkt in Bezug Teilhabe und Selbstständigkeit. Also ein ganz wichtiges Thema für Ergos.
Sicher gibt es auch immer wieder Situationen, wo man an seine Grenzen kommt. Dann ist es schön, wenn man ein gutes Team (Pflege) hinter sich hat.
7. März 2017 20:21 # 7
Registriert seit: 30.07.2001
Beiträge: 58

Hallo,
Ich arbeite in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung und auch zu meinem Alltag gehört es Menschen beim Toilettengang und bei der Körperpflege zu unterstützen.
Gerade heute hatte ich den Fall, dass ein Mitarbeiter eingekotet hat und Anleitung und Hilfe beim Saubermachen benötigte.
Ist nicht der schönste Teil des Tages, aber kriegt man hin ::wink::

Mir hilft es mir vorzustellen, wie ICH mich anstelle des Klienten fühlen würde und wie ICH mir wünschen würde dass mir geholfen wird. Das hilft wegzukommen von "Igitt, ist das eklig!" hin zu "Ich helfe dir, dass du dich wieder wohl fühlst".

Ja, und manchmal hilft auch etwas Humor die Situation durchzustehen ::biggrin::
14. April 2017 14:27 # 8
Registriert seit: 27.12.2016
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Beiträge: 67

Hallo,
danke für alle Rückmeldungen.
Ich habe die Stelle nicht bekommen und hätte mich aus gegebenen Gründen nach der Probearbeit wohl auch dagegen entschieden.
17. April 2017 14:46 # 9
Registriert seit: 06.04.2017
Beiträge: 2

Hallo,
nur eins :) ..zu dem anderen Teil schriebe ich jetzt einmal nichts, weil ich da ganz differenzierter Meinung bin.
Wenn ich aber schon "Probearbeiten" lese oder höre, bin ich recht vorsichtig :D.
Arbeiten tue ich nicht mehr entgeldlos, dafür ist nämlich die gute alte (teilweise sogar mittlerweile 6 monatige ) "Probezeit" da. Ich schaue mir einen Arbeitsplatz, ect. mal an und "hospitiere" eventuell :-).
Mit "Probearbeiten" habe ich aber so einige Erfahrungen in vielen Betrieben sammeln bzw. beobachten können!
Grundsätzlich immer aufpassen, dass die liebe Ergotherapie bzw. der liebe Therapeut nicht von der (Pflege) ausgenutzt wird (Erfahrungsgemäß aus meinen letzten 8 jahren ist die Plege dominanter).
Das musste ich jetzt noch schreiben :-)
20. April 2017 00:56 # 10
Registriert seit: 27.12.2016
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Beiträge: 67

Hallo,
die "Probearbeit" wurde vom AG angeboten und von mir gewollt (3Tage). Ich finde das O.K. und fühle mich nicht ausgenutzt. Im Gegenteil, so konnte ich den Arbeitsalltag hautnah erleben und besser entscheiden und der AG eben auch. In einem Pflegeheim geht sowas auch, in der Praxis z.B. nicht, da wäre es dann hospitieren.
20. April 2017 21:46 # 11
Sina12
Sina12
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 121

Ich möchte das vorher gesagte nochmal auffassen, weil es mich beschäftigt hat. Ich finde es wichtig, sich einmal in die Situation des Klienten hinein zuversetzen. Ich habe das bei deinem Krankenhausaufenthalt von mir selbst beobachten können, mit welcher Hingabe die Schwestern in manch prekären Situation geholfen haben. Ich würde mir ungern wünschen, dass eine dieser Schwestern beim Abendbrot zuhause mit Ekel an mich zurück denkt ::scared::
Was ich sagen will ist, dass es schon eine riesen Bedeutung für einen Patienten hat, wenn er mit Würde angeschaut wird. Ich habe großen Respekt vor Ergotherapeuten, die sich auch "ekeligen" Situationen im Berufsalltag stellen können.
7. Mai 2017 21:44 # 12
Registriert seit: 19.09.2016
Beiträge: 15

Hallo Tina 65,
Ich fand deine Fragestellung zu dem Thema Vernetzung von pflegerischen und therapeutischen Aufgaben sehr interessant, auch angesichts individueller Grenzen und Hemmschwellen, die sich in diesem Bereich auftun. Ich selbst arbeite im Sozialen Dienst eines Altenheims, wo pflegerische und soziale Tätigkeiten strikt getrennt werden. Ich habe jedoch auch schon einige Male Bewohner auf die Toilette begleitet oder diverse Ausscheidungen weggewischt, wenn ich in einer Situation spontan handeln musste. Ich denke, eine klare Einteilung bzw. Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche ist wichtig, da das Pflegepersonal ansonsten schnell in Versuchung kommt, dies auszunutzen ::unsure::

Grundsätzlich ist es wohl von Institution zu Institution unterschiedlich, inwieweit man als Ergotherapeut auch in pflegerische Aufgaben eingebunden wird. Bei dir war ja scheinbar aus gegebenem Anlass eine enge Zusammenarbeit erforderlich.
Ich finde es völlig legitim, wenn jemand hierbei Berührungsängste hat; schließlich hat jeder seine Grenzen. Entweder man steht darüber und gewöhnt sich daran, oder der Arbeitsbereich liegt einem einfach nicht.

@ Sina:
Ekel ist ein menschliches Gefühl , wofür man sich meiner Meinung nach nicht schämen muss. Wenn man gegenüber Ausscheidungen o.ä. Ekel empfindet, so hat es nichts damit zu tun, dass man die Würde eines Menschen nicht achtet. Schließlich sind wir auch alle nur Menschen !
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