Hallo zusammen,

ich schreibe diesmal nicht als Therapeut, sondern als Angehörige. Meine Oma (80) hatte vor 10 Tagen einen Schlaganfall im linken Occipitallappen. Zuerst konnte sie die rechte Seite gar nicht bewegen, Wahrnehmung und Sensibilität waren nicht vorhaben. Sprachfindungsstörungen, Sprechen ging auch insgesamt sehr schlecht. Symptome eines visuellen Neglectes. Derzeit Frühreha, Anschlussreha ist genehmigt.

Inzwischen kann sie Arm und Bein wieder leicht bewegen, allerdings ohne Kraft.

Weiterhin ist das Gesichtsfeld stark eingeschränkt, sie kompensiert jedoch z.T. allein, indem sie das Foto nach links führt oder den Kopf dreht.
Farbsehen geht sehr schlecht. Sie weiß, dass Zitronen gelb und Tomaten rot sind, erkennt jedoch nur schwarz und weiß. alles andere sieht sie als braun oder blau. Selbst kleine Flecken auf der Kleidung werden erkannt. Auch Farben an sich selbst (z.B. Pullover) nimmt sie klarer wahr, als auf einer Farbkarte.
Sie sagt selbst, dass sie alles verwaschen sieht. Beschreiben, wie sie die Farben sieht kann sie nicht.
Auch ist die Erinnerung an Orte (z.B. ihr Haus) weg. Sie weiß nicht mehr, wie es da aussieht. Ihre Katze hat sie auf dem Bild wieder erkannt.
Anfangs brachte sie viel durcheinander, das ist inzwischen besser.
Sie kann nicht lesen, erkennt keine Buchstaben, jedoch einige Zahlen. Die Uhr kann sie auf nachfragen, wie spät es ist, nicht. Ohne Nachfragen sagt sie mitten im Gespräch "Das ist ja schon um 4!" (stimmte)
Auch sind Einschränkungen im Gedächtnis. Sie wusste zuerst nicht, wieviel Urenkel sie hat, konnte auch nicht alle aufzählen. Am nächsten Tag wusste sie alle wieder.

So richtig beurteilen kann ich die Situation nicht. Hatte einer schonmal einen ähnlichen Fall? Wie sind die Chancen auf Besserung bei Störungen im Sehzentrum?
Ergibt es einen Sinn, keine Buchstaben, aber manche Zahlen zu erkennen?
Kann man als Angehöriger irgendwie unterstützen?
Ich selbst bin zu weit weg, kann auch nicht hin derzeit, da mein Kind Kitakeime hat und ich ihr nix anschleppen will.

Sie war vorher kognitiv völlig fit und mobil, das schlimme an der Situation ist, dass sie ihre Defizite zu 100% mitbekommt.

Hoffe jemand kann mir auf sie Sprünge helfen...

vg Rowdy

Hallo Rowdy,
Das hört sich nach einer recht diffusen Symptomatik an.
Ich denke, nach 10 Tagen besteht aber noch Hoffnung auf weitere Spontanremissionen, vielleicht ist das Bild in einigen Tagen etwas klarer.
Das mit den Buchstaben hatte ich auch schon, es könnte eine Alexie sein. Ich hab dazu auch hier eine Frage gestellt ("Alexie").
Leider ist mein Patient von damals bald darauf verstorben, daher hab ich keine Erfahrungswerte.
Viel Glück für euch,
Tilman

Hallo Rowdy,

in Bezug auf den Neglect lässt sich grade am Anfang viel erreichen. Immer wieder die Seite "ansprechen" die betroffen ist. Immer wieder von dort z.B. das Essen anreichen, den Fernseher hinstellen, die Besucher sich von der Seite nähern lassen etc. Gibt es Besucher in der Nähe, die vielleicht mit deiner Oma puzzeln können. Es müsste natürliche in Puzzel mit guten Kontrasten sein. Das Puzzel hat den Vorteil, dass es vieles im Gehirn aktiviert. Es kann in den Bereich des Neglect gelegt werden etc.

Ist sie denn in Reha?

hallo,

danke für eure antworten. ihr bett steht an der wand, so dass sie gezwungen ist, alles über die betroffene seite zu machen. die motorik ist etwas besser geworden, das sehen weiterhin eingeschränkt. sie sagt, dass sie wohl ein wenig besser sehen könne, aber "immer nur die hälfte" sieht. das farbsehen klappt manchmal, meist aber nicht. dass sie aber hin und wieder eine farbe erkennt, denke ich, dass noch "was da" ist. die uhr kann sie inzwischen.
beim dominospiel hat sie auf beiden seiten angelegt. ein puzzle lasse ich besorgen. ist immer schwer, per ferndiagnose richtige ratschläge zu geben.

@pflümi:
nächste woche ist sie noch in der frühreha, dann geht es zur anschlussreha für mind. 3 wochen.
habe auf dieses intensivprogramm große hoffnungen...

hatte jemand schonmal, dass sprechen ging, buchstaben nicht, aber zahlen ja?

Ich habe noch einen Tipp für den Neglect. Habe ich schon öfters mit Neglect Patienten gemacht und es meistens auch geholfen.
Einfach ein Memoryspiel nehmen (in euren Fall irgendwas suchen was gut zu erkennen ist) und die Karten auf den Tisch verteilen (so das man die Bilder sieht). Die Paare sollten so verteilt sein, das die eine Karte rechts und die andere Karte eher links liegt. Sie soll dann einfach die Paare wieder zusammen suchen (ruhig etwas geordnet in Reihen legen).

Hatte auch eine Patientin die einen ausgeprägten Neglect hatte und auch immer nur die Hälfte z.B. vom Fernsehr gesehen hat und sich immer wieder bei den Nachrichten wunderte, wer der zweite ist der da spricht. Irgendwann als ich kam sagte sie mir "Wissen sie was, es sind wieder zwei Leute bei den Nachrichten zu sehen" Sie war da so froh drüber ;)

hallo,

in den letzten tagen wieder völlig diffuse symptomatik:
sie kann jetzt meist die uhr
sie erkennt manchmal keine geldscheine, manchmal ja
sie konnte den einen tag keine zahlen lesen, aber schreiben (mit links)
sie erkennt keine farben auf farbkarten, aber die schmetterlinge auf der scheibe (das erste mal gesehen) konnten farblich benannt werden.
die vögel vorm fenster kann sie mit namen benennen, auf bildern erkennt sie nur tiere mit eindeutigen merkmalen wie zebra oder giraffe. hund und katze kann sie nicht unterscheiden

weiterhin sagt sie, sie sieht nur die hälfte...

da viel davon manche tage klappt und manche nicht, denke ich dass "oben noch was da ist", aber so richtig kann ich das alls nicht deuten.... tagesformabhängig ja, aber so extrem???

vg rowdy

ich kann auch im moment nicht hin, da meine kids kindergartenkeime haben...

Hat deine Großmutter Ergotherapie? Hast Du dich mal mit den Kollegen vor Ort ausgetauscht?

hallo pflümi,
sie hat derzeit alles an therapien, was geht (stat. reha), austauschen konnte ich mich noch nicht. ich werde aber nächste woche mal hinfahren. die ärzte sagen, abwarten.

vg