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Diskussionsforum

Geriatrische Komplexbehandlung

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19. März 2017 12:25 # 1
Registriert seit: 21.12.2011
Beiträge: 6

Geändert am 19.03.2017 12:27:00
Hallo erstmal

Ich muss mir nun erstmal ein paar Dinge von der Seele schreiben. Arbeite seit kurzem auf einer geriatrischen Komplexstation. Grund meiner Anstellung war der Aufbau der ergotherapeutischen Arbeit auf der Station. Es gibt große Diskrepanzen zwischen den Physios und Ergos auf der Station die dazu geführt haben das meine Kollegin sich den Physios untergeordnet hat und deren Tätigkeiten mitübernommen hat. Mir steht nun bevor ein ganzen Physioteam an Ergotherapie heranzuführen und meinen Stand im Team zu festigen. Über Ideen und Ratschläge bzw Erfahrungswerte bzgl. Konzeption, Arbeitsschwerpunkte, Befundsysteme etc. Wäre ich seeeehr dankbar ::unsure::::thumbup::
19. März 2017 13:25 # 2
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Hallo miamex,
wir sind verpflichtet bei jeder Aufnahme auf unserer geriatrischen Komplex-Station den MMSE, Uhr nach Shulmann, Alltagstest (Geldzählen) und Handkraftmessung durchzuführen. Zudem nutzen wir das EA und ggf. weiter Testverfahren wie PANDA, DemTec, Apraxietest etc. Probleme mit den Physios haben wir sehr wenig, sicher gibt es mal Überschneidungen, wenn z.B. ein Patient nur daran interessiert ist wieder ins Laufen zu kommen, aber dann legen wir z.B. mehr Gewicht auf Sturzprophylaxe und Reaktionsvermögen und die Physios auf Belastbarkeit und Gangschule.
Unsere vorrangigen Behandlungsangebote:
ADL-Training wie Frühstückstraining (nach Stationsumbau hoffentlich auch mit Übungsküche), Gesichtsfeldtraining, vers. Behandlungskonzepte bei Schlaganfallpat., Arthrose, Rheuma (von Perfetti über Bobath, thermische Anwendungen, Schallwellen uvm.), Sturzprophylaxe, HM-Training/Anpassung und Beratung, Vallidation, Angehörigentraining, Biografie Arbeit, HLT, Spiegeltherapie, Tapen, Narbenbehandlung, Helparm usw.
Unsere multi morbiden Pat. bringen oft viele Wünsche und Ziele mit um wieder in ihr häusliches Umfeld entlassen werden zu können, da gibt es im Team gerade mit den Physios Absprachen wer wo seinen Scherpunkt legen kann. Oft haben unsere Pat. Lymphdrainage von den Physio und dadurch keine Kapazität für mehr, wir müssen dann eben auch mal die Gangschule übernehmen wenn das ein vorrangiges Ziel ist.
Wenn du über ein Assessment wie das EA deinen Befund machst, kannst du dich sehr gut auf die Teilhabefähigkeiten und Defizite deines Patienten konzentrieren und dich klar von den Physios abgrenzen, zudem kannst du den Verlauf und die Fortschritte und Zielveränderungen dokumentieren.
In unserer Teambesprechung (1 mal wöchentlich) tragen alle zusammen welche Ziele verfolgt werden, jede Berufsgruppe schreibt dann etwas dazu. Selbst wenn die Ziele wie z.B. Mobilisation und Gangschule sind, gehe ich als Ergotherapeut ja mit einem anderen Hintergrund an die Zielsetzung heran. Ein Mensch will ja nicht nur gehen, sondern eben auch Dinge von A nach B transportieren, auf unterschiedlichen Untergründen gehen können, im Stehen in den Küche oder Bad beide Hände benutzen können usw.
Schreibe doch mal zusammen welche Diagnosen oft bei euch auf Station vorkommen und überlegt welche Ziele diese Pat. haben könnten. Dann Assessments zusammentragen die Hilfreich sind und ergotherapeutische Behandlungskonzepte dazu zusammentragen (was ihr auch könnt und valide ist).
Ich finde leider oft die Zeit viel zu kurz um unsere alten Damen und Herren wieder fit genug zu machen, damit sie ihren Alltag wieder bewältigen können, als das Zeit und Energie dafür da ist mich mit den Kollegen über Verantwortlichkeiten und Kompetenzen zu rangeln. Schade, wenns so ist.
::thumbup::
"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
19. März 2017 15:06 # 3
Registriert seit: 21.12.2011
Beiträge: 6

Die Patieten auf der Station kommen gößtenteils mit Diagnosen wie COPD, Herzinfarkte, Darmverschlüsse bzw. GastroOPs, aber auch mit orthopädischen Krankheitsbildern wie HüftTEPs, Femurfrakturen, SchulterTEPs etc. Also Krankheitsbilder die nach einem Sturz entstehen können. Vorher habe ich schwepunkttechnisch in der Handtherapie in einer Praxis gearbeitet und die Patienten ca. 4-6 Wochen post op behandelt. Es fällt mir sehr schwer hier alltagsorientierte aber auch diagnosenspezifische Zielsetzungen für die Ergotherapie zu formulieren. Wie arbeitest du mit diesem Kliententel 1-2 Tage nah OP? Liegen deine Zielsetzungen trotzdem im Bereich Alltagstraining oder behandelst du auch die betroffene Fraktur/ Hüfte/ Schulter? Was machst du mit Oatienten die akut Herzrhytmusstörungen aufweisen und noch garnicht Belastbar sind? Hier gibt es bei uns einfach keine Trennng zur Physiotgerapie und beide Berufsgruppen kollidieren... Desweitern wurde mir einfach gesagt "mach einfach wie du meinst". Ich habe große Angst Dinge falsch zu machen.
19. März 2017 18:50 # 4
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Geändert am 19.03.2017 19:07:00
Hallo miamex,
zunächst geht es bei allen Patienten ja um Teilhabe, auch erst mal im Klinikalltag. Wie komm ich aus dem Bett nach Hüfttep), wo und wie kann ich sitzen oder zum Kiosk oder Café mit meinem Besuch kommen. Ggf. zunächst mit Rollstuhl, wie geht der Transfer selbständig etc., HM / Adaptionen für Waschen nach Schultertep, Gelenkschutz etc. Bei Pat. nach Sturz (in der Regel ja nicht der Erste) - Beratung zum häuslichen Umfeld - Stolpergefahren, Sturzprophylaxe, Gleichgewicht etc. wie kann ich nach einem Sturz wieder aufstehen, oder zum Telefon kommen?
Sicher machen wir auch Funktionstraining, wenn diese für teilhaberelevante Aktivitäten benötigt werden, z.B. Perfetti bei Schmerzpatienten, Frakturen oder Paresen. Oft behandle ich auch mit den Physiokollegen einen Pat. zusammen, z.B. wenn Pat. sehr schwer ist. Sicher gibt es Pat., da steht die Physiotherapie mehr im Vordergrund, aber ebenso l wo die Ergotherapie deutlich wirkungsvoller ist, deswegen muss ich mich nicht schlecht fühlen, sondern kann dann z.B. in einer Kleingruppe auch mal Hockergymnastik, oder eine Spielestunde anbieten um dem Krankenhauskoller entgegenzuwirken, und um mal wieder Spaß zu haben. Hirnjogging wird in der Gruppe auch gerne angenommen. Manchmal ist es auch möglich verlorengegangene Aktivitäten ("war mir alles zu anstrengend in letzter Zeit" ) wieder anzuregen.
Häufige Themen sind auch eher psychisch, gerade Ängste und Depressionen nach einem schweren Sturz oder Herzinfarkt, gibt es viele, wie können die Patienten damit umgehen, welche Hilfe gibt es nach der Entlassung für sie und ihre Angehörigen? Wenn die Angst mich hindert wieder ins Gehen zu kommen, sind die Physios oft recht unsicher was sie tun sollen, da haben wir Ergos viel mehr Möglichkeiten mit dem Pat. Wege zu finden.
Vielleich hilft es dir mal einen Patienten wo es dir so schwer fällt einen Behandlungsplan aufzustellen hier vorzustellen, bestimmt kommen da viele Ideen zusammen, die zu dann adaptieren kannst.
"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
24. März 2017 04:01 # 5
Registriert seit: 21.12.2011
Beiträge: 6

Ich danke dir vielmals für deine Antwort. Ich musste nun einige Tage darüber nachdenken wie ich Dinge verbessern/verändern kann.
Den ersten Schritt den ich gehen werde ist meinen Chef miteinzubeziehen. Es müssen Struckturen und Ziele formuliert werden und Befundungen anders angegangen werden.

Du hast mir wirklich sehr weiterholfen .... 🤗 Danke Danke Danke

Ich berichte gerne wie dieses kleine Abenteuer weitergeht 🙄

24. März 2017 13:33 # 6
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Viel Erfolg::thumbup::
"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
24. März 2017 13:42 # 7
Sina12
Sina12
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 121

Fine wirklich ein toller Beitrag und Einblick in die Arbeit auch für jemanden wie mich, der von diesem Bereich der ergoth. Arbeit so gar keine Ahnung hat! Ich habe es mir gleich gespeichert für den Fall der Fälle... ::smile::
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