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Kind außer Rand und Band

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11. April 2017 15:34 # 1
Registriert seit: 11.04.2017
Beiträge: 6

Geändert am 11.04.2017 15:39:00
Hallo liebe User,
ich bin neu hier und habe direkt mal eine Frage bzw. benötige eure fachkompetente Hilfe.
Ich beschreibe zuerst meinen Klienten:

-männlich
-3,7 Jahre alt
-geringer Wortschatz; Zwei-Wort-Sätze
-Diagnose (laut Arzt): gesichert Wahrnehmungsstörung, ADHS
-Diagnose (SPZ): retardierte Entwicklungsstufe ; Wahrnehmungsstörung ; Mikrozephalie ; Verhaltensauffälligkeiten ; ADHS & Depression ; Verdacht auf bio-psycho-soz. Genese ; Gefährdung seel. Entwicklung
-in der Therapie: schwer zu motivieren, bricht meistens gestellte Aufgaben ab, bei Reizüberforderung folgt exzessives masturbieren, keine Einschätzung von Gefahren, "leicht" autistische Züge (alles muss dahin zurück geräumt werden, wo es vorher gestanden hat, Unordnung geht absolut nicht, alles muss in einer Reihenfolge liegen), motorische Unruhe, niedrige Frustrationstoleranz, fremdeln

So, vielleicht könnt ihr euch einen kurzes ungefähres Bild über meinen kleinen Patienten machen. Nun zu meiner Problematik: Das Kind zeigt wie oben schon beschrieben, kaum Motivation eine Aufgabe fertig zu stellen oder sie gar auszuführen bzw. zu beginnen, sobald es die Eltern(vor allem die Mutter) im Wartezimmer hört, muss er nachschauen und wird richtig sauer wenn ich dies nicht zulasse. Er verkriecht sich schnell wenn er etwas nicht möchte unter Tische und dreht sich weg von mir. Ansprechen kann ich ihn dann auch nicht mehr. Zu Hause berichtet mir die Mutter ein immer aggressiveres Verhalten vor allem gegenüber dem Vater. Er schlägt und tritt um sich und lässt sich wenn, dann nur von der Mutter beruhigen.

Meine Frage lautet nun, habt ihr eine Idee was ich da tun kann. Ich probiere jede Einheit etwas neues mit Ihm aus, und versuche ein Medium zu finden, womit er sich wohlfühlt. Ich habe versucht seine eigene Wahrnehmung zu schulen, aber alles ohne Erfolg.
Ich wäre euch sehr dankbar für Anregungen oder einfach einen Austausch, was ihr zu ihm sagt und wie er auf euch (soweit das über das schreiben/lesen geht) wirkt. Vielleicht übersehe ich etwas und komme einfach nicht darauf.

Vielen Dank. ::smile::
11. April 2017 16:27 # 2
Registriert seit: 15.03.2003
Beiträge: 944

Hallöchen,
puh, da haste ja zu tun....::unsure::

jetzt würde mich noch interessieren: Kindergarten? ja/ nein? Verhalten dort? Heilpadagogische Förderung?
kognitive Entwicklung? altersgemäß weitere Bausteine der Entwicklung?

das liest sich nach einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung , die mehrere Bereiche umfasst. Dann bist du Therapeut und Pädagoge zugleich. Musst sehr kleinschrittig vorgehen, selbst konsequent sein und den Faden vorgeben, schlechtes Verhalten ignorieren und den Ansatz des gewünschten sofort loben.... Anforderungen ganz runterschrauben, bis du sicher bist, dass er das kann.... körperbetont arbeiten/ Lernen über Bewegung...

Diagnostik SPZ, falls noch nicht erfolgt....

das bitte nur als brainstorming sehen. Sind meine Erfahrungswerte. Evtl. den ET 6-6 abnehmen, aber nur wenn es überhaupt machbar ist.
kannst dich gerne per PN melden....
LG
Sabine
"Die Kunst ist, den Kindern alles, was sie tun oder lernen sollen, zum Spiel zu machen."
John Locke
11. April 2017 17:59 # 3
Registriert seit: 11.04.2017
Beiträge: 6

Hallo :-)

Kindergarten ja und auch dort zeigt er dieses Verhalten, bzw. erzählte mir die Mutter momentan nur von dem exzessiven masturbieren, welches er ebenfalls dort auch macht.
HP-Förderung findet auch 1-2 mal wöchentlich statt, im häuslichen Umfeld.
Die kognitive Entwicklung ist stark retardiert. Kann Situation schlecht einschätzen, kann keine Farben benenn (obwohl ich hier nicht genau sagen kann, ob es visuell oder kognitiv ein "Problem" ist.), auf die Frage wie es ihm geht antwortet er nur mit seinem Namen.

Danke für deine ersten Eindrücke. Und ja, ich sehe das nur als Brainstorming. Benötige einfach ein paar andere Sichtweisen um nochmal genau zu schauen wie ich die Sache evt. auf eine neue Art angehen kann.
11. April 2017 19:05 # 4
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Geändert am 11.04.2017 19:06:00
Hallo die Therapeutin,
mit was beschäftigt er sich im häuslichen Umfeld, gibt es ein Lieblingsspielzeug?
Gibt es einen Grund, warum du seine Mutter nicht in den Therapien dabei hast spielt er mit ihr, und wenn was?
Ich würde im Wechsel von Angeboten sehr vorsichtig sein, offensichtlich fallen ihm Änderungen nicht leicht. Versuche herauszufinden, ob es etwas gibt, das ihm wichtig ist, etwas das er mag, sich selbst holt.
Mich wundert diese Vielfalt von Diagnosen in solch einem Alter doch sehr.::confused::
"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
11. April 2017 19:29 # 5
Registriert seit: 15.03.2003
Beiträge: 944

Oh nein,

die wundern mich gar nicht... das Kind ist massiv von Behinderung bedroht, wenn es das nicht gar schon ist.... bei mir klingeln alle Alarmglocken!!!!!
da wird man nur auf basaler Ebene anfangen können... beim eigentlichen Entwicklungsalter. Mutter in Therapie nicht dabei finde ich persönlich ok, das tut aber nicht jeder hier... ich entscheide das von Fall zu Fall, bei einem zweijährigen Brandverletzten Kind ist die Mutter ganz sicher dabei, bei einem fast vierjährigen, der Kindergartenkind ist, eventuell vielleicht.
Hole ihn da ab wo er steht, mit kleinen Aufträgen "hol mir...." dann auch die Farben dabei zum Beispiel, bring ihn erstmal zum sinnvollen Spielen.... Rituale ja aber evtl. auch durchbrechen, damit sich keine stereotypen Handlungen manifestieren. Ist aber auch im Einzelfall zu entscheiden.....
Versuch eine interdisziplinäre Sache anzuleiern, alle gehören da in ein Boot... HPler, die Ergo, die Logo (sollte er eigentlich auch bekommen) die Kita und der Doc evtl....
Ich würde wohl gerne mal eine Videoaufnahme von ihm sehen... träum... ::smile::
"Die Kunst ist, den Kindern alles, was sie tun oder lernen sollen, zum Spiel zu machen."
John Locke
11. April 2017 20:47 # 6
Registriert seit: 11.07.2003
Beiträge: 326

Hallo,

geh noch mal 1-2 "Schritte" zurück und setze deine Erwartungen ebenso zurück. Wenn er gerne sortiert, lass ihn sortieren und gehe dabei in Kontakt mit ihm. Das gleiche gilt für andere Spiele und Aktivitäten. Damit stellst du sicher, dass du ihn da abholst, wo er ist. Beobachte weiter gut und finde heraus, was seine Stärken und Ressourcen sind. Setze dort an! Erfolg und das Gefühl etwas meistern zu können, motiviert Kinder.

Hast du die Mutter und/oder den Vater schon mal mit in die Therapieeinheit eingebunden?

Es ist auch nicht notwendig, jede Einheit etwas neues auszuprobieren. Versuche Routinen mit ihm zu finden, z.B. immer das gleiche Begrüßungslied/-spiel zu Beginn und Abschiedsspiel/-lied zum Ende. Gib ihm Verlässlichkeit, etwas das er kennt und worauf er sich verlassen kann. Das hilft vielen Kindern ungemein.

Liebe Grüße und viel Erfolg weiterhin!
12. April 2017 02:00 # 7
Registriert seit: 27.12.2016
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Beiträge: 67

Geändert am 12.04.2017 02:01:00
Hallo Therapeutin,
das Wichtigste und Schwierigste scheint mir der Beziehungsaufbau zum Kind. Dieses muss sich von Dir angenommen und bei Dir sicher fühlen. Vorher wird nichts gehen. Der Junge befindet sich auf einem ganz frühen Entwicklungsniveau. Formulierte Aufgaben und zuviel Pädagogik überfordern das Kind wahrscheinlich. Es ist eher angezeigt konsequent auf dem Boden zu arbeiten: Krabbellandschaften, Höhlen, in HM vorsichtig schaukeln, eher wiegen und evt. einfaches Kinderlied dazu singen - Rhythmik des Schaukelns und Singens nutzen, matschen, Fingerfarbe, evt. einfache Bilderbücher mit wenig Geschehen pro Seite, Bällebad, Kirschkernbad. Biete keineswegs zuviel an, das Kind muss nichts leisten. Es zeigt Dir ja deutlich seine Grenzen (die gilt es zunächst zu respektieren, bevor man sie erweitert). Begleite alles was Du tust und was das Kind tut verbal, wiederhole seine Äußerungen (nat. richtig und vollständig), spiele immer mit (Lernen am Vorbild, Motivation steckt an). Schau was der Junge von sich aus macht, unterstütze ihn darin und erweitere dabei seinen Handlungsspielraum.
Die enge Mutterbindung ist normal. Am besten wäre es, die Mutter mit reinzunehmen. bietet sich evt. erst an, wenn Du selbst Bez. zum Kind hast.
Auf alle Fälle brauchen auch die Eltern dringend Hilfe, schon die arg gestörte Bez. zum Vater weist darauf hin. (was angezeigt ist, muss man gezielt erfragen bzw. peu à peu rausfinden: Hifen zur Erziehung, Psychotherapie evt. auch für die Eltern, Spieltherapie, Frühförderung, Eheberatung, ...) Kommt immer auch auf die Beziehung zu den Eltern an, auch auf deren geistiges Aufnahmemevermögen, ihr Problembewusstsein, ihren Leidensdruck.
12. April 2017 13:07 # 8
Registriert seit: 10.09.2002
Beiträge: 406

Off label Medikation (Diagnose ist ja gesichert)
Medikamentös einstellen, dann möglicherweise höherer Therapieerfolg und weniger Frust für Behandelnden und Patienten.
Begleitend IFF oder Ähnliches (Interdisziplinäre Frühförderstelle) SPZ(Sozialpädiatrisches Zentrum).
Dann therapeutische Palette bei begleitend pharmakotherapeutischer Behandlung.

Die Anregung zur Off label Medikation passt hier vermutlich nicht jedem, muss ja auch nicht.
Ich halte es nur für notwendig die entsprechenden Voraussetzungen zur Behandelbarkeit zu schaffen.
Momentan versuchst Du vermutlich deinen Patienten unterschiedlich zu motivieren zu "entertainen" und nach bestem Wissen und Gewissen sinnvoll zu behandeln. Wenn dieser jedoch aufgrund seiner Einschränkungen noch gar nicht aufnahmefähig genug ist, befürchte ich wenig Nachhaltigkeit / Effizienz.
Viel Kraft
BV
12. April 2017 13:53 # 9
Registriert seit: 15.03.2003
Beiträge: 944

da wird keiner an die Medikation ran wollen....
klar wäre es gut, wenn der Salat im Kopf erst mal sortierter wäre und Reize von außen nicht in seinem Hirn umhereiern würden......
LG Sabine::unsure::
"Die Kunst ist, den Kindern alles, was sie tun oder lernen sollen, zum Spiel zu machen."
John Locke
12. April 2017 14:27 # 10
Registriert seit: 27.12.2016
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Beiträge: 67

Hallo,
man sollte unbedingt bedenken, dass eine solche Medikation immerhin der Eingriff in den Gehirnstoffwechsel eines kleinen Menschen darstellt mit auch unabsehbaren Folgen. Erst wenn alles andere ausgereizt ist, sollte man darüber überhaupt erst nachdenken. Es kann nicht nur darum gehen, dass Kind schön "therapiekompatibel" zu machen, um den Behandlern Frust zu ersparen. Das Kind in seinem "SO-Sein" zu erfassen, zu begleiten, unbedingt anzunehmen und durchaus auch auszuhalten ist m.E. die vorrangige Aufbabe des Therapeuten, zumal wir das Kind nur 45 min. haben und dieser kurze Zeitraum daher auch eine Chance sein kann.
12. April 2017 15:00 # 11
Registriert seit: 10.09.2002
Beiträge: 406

Da ich der Diskussion über die Vor- und Nachteile einer Medikation keinen Vorschub gewähren möchte und es auch nicht dem Sinn dieses Threads dient, werde ich mich auch nicht weiter dazu äußern.
Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass es bei einer begleitenden Pharmakotherapie NICHT darum geht ausschließlich den Behandlern das Therapieren zu erleichtern und ich dies so auch nicht geschrieben habe.
Es stellt sich lediglich die Frage nach der medizinischen Indikation und der Erfüllung der entsprechenden Symptomtrias und ganz wichtig: dem Leidensdruck des Kindes

Ohne jetzt den anamnestischen Hintergrund zu kennen ist es eh schwer konkret Stellung zu beziehen.
Neulich habe ich einen Beitrag auf Arte gesehen, der eine gestörte Darmflora also ein unausgewogenes Bakteriengleichgewicht mit Verhaltensstörungen und Autismus im frühen Kindesalter in Verbindung bringt.
Durch eine entsprechende Nahrungsumstellung konnten die Symptome deutlich gelindert werden.

Wen`s interessiert: Link
12. April 2017 16:55 # 12
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Nun über die Diagnosen: ADHS und Depression in diesem Kindesalter darf ich mich aber wohl wundern, denn beide sind in diesem Alter nicht gesichert zu stellen und schon garnicht in der Kombination zu den weitern Diagnosen.
Zudem finde ich es bei einem solch verunsichertes Kind notwendig die Bezugsperson in die Therapie einzubinden, zumindest bis sich eine stabile Therapeuten/Kindbeziehung hergestellt hat. Vergiss bei allem was das Kind braucht bitte auch die Mutter/Familie nicht empfehle Beratungsstellen und oder Selbsthilfegruppen etc.
"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
12. April 2017 17:38 # 13
Registriert seit: 15.03.2003
Beiträge: 944

Depression bei einem knapp 4 jährigen .. ok, darf man in Frage stellen,
ADHS könnte man evtl auch, aber mit fitiy/fiftiy ist das durchaus denkbar.
Der Rest deutet auf ne wirklich sehr komplexe Entwicklungsstörung hin, der oft mit einer geistigen Behinderung einhergeht, da wiederum kann das ADHS durchaus passen.....
ich würde mich auch nicht wundern, wenn es eine syndromale Erkrankung wäre...
Wo könnte man diese Sicher diagnostizieren lassen?
LG:)
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John Locke
13. April 2017 08:19 # 14
Registriert seit: 31.08.2007
Beiträge: 518

Hallo,
mich würde noch die Zeit während der Schwangerschaft interessieren, hast du Informationen darüber, was da passiert ist? Gab es evtl. Alkohol- oder Drogenabusus? Wenn ja, wäre es nicht möglich, dass es auch ein FAS sein könnte? Die extreme Mischdiagnose spräche dafür...aber ich spekuliere hier natürlich nur rum, vielleicht kannst du es ja konkretisieren?

Gruß, ergotron
13. April 2017 12:48 # 15
Registriert seit: 07.12.2003
Beiträge: 38

Geändert am 13.04.2017 12:52:00
Hallo die Therapeutin,

ich les hier aufmerksam mit und kann mich den anderen nur anschließen: Elterarbeit, Lieblingsspiel als Startelement, ganz niederschwellige Angebote,Medikament?,diese Diagnose in dem Alter?....
ABER: was hälst Du von diesen Äußerungen? Du hast bis jetzt sehr eingeschränkt auf Antworten für DICH reagiert! Das finde ich ausnutzend und auch wenig konstruktiv von Dir.
Jeder hat sicherlich schon das ein oder andere Kind in seinem Arbeitsleben kennengelernt, was der Therapie nicht aufgeschlossen gegenüber war. Auch hat sich der entsprechende Therapeut dann Hilfe geholt, hier oder vor Ort. Und er ging damit in Austausch. Aber leider kommt von Dir keine Rückmeldung. Schade. Da sind Leute hier echt dabei und wollen helfen, aber es gibt kein Feedback. Und was dabei auch nicht zu vergessen ist, das die die "HIlfe geben" dafür ZEIT investieren!!


Ramona 13
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