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Graphomotorik!

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30. April 2017 13:10 # 1
Registriert seit: 06.08.2016
Beiträge: 9

Hallo ihr lieben,

ich habe da mal eine Frage. Habe derzeit im Praktikum einen Patienten (7 Jahre alt) der beim malen oder schreiben viel zu viel Druck aufwendet.
Bei anderen Tätigkeiten wie z.B.Kneten ist es genau das Gegenteil der Fall, hier wird viel zu wenig Druck ausgeübt.
Es besteht eine Hypotonie!

Warum ist das von der Kraftdosierung so unterschiedlich?

Außerdem liegt sein Handgelenk und sein Unterarm nicht immer komplett auf dem Tisch Auf beim Schreiben. Er verkrampft total!
Warum ist das so?

Danke schon einmal für die Antwort
30. April 2017 19:00 # 2
Registriert seit: 06.04.2013
Beiträge: 60

Liebe Kollegin,

Kneten ist eine feinmotorische Tätigkeit.
Die Grafomotorik ist etwas anderes und viel schwieriger für hypotone Kinder.
Noch höhere Anforderungen stellt die Schreibmotorik.

Zur Erläuterung kurz die Definitionen:

Feinmotorik: Der Begriff Motorik ist vom lateinischen „movere“ abgeleitet und bedeutet „bewegen“ / „antreiben“.
Feinmotorik ist die gezielte, koordinierte Bewegung, die sich in kleinräumigen, besonders differenzierten Bewegungen, vor allem der Finger, zeigt. Feinmotorik entwickelt sich parallel zur Gesamtmotorik und bezeichnet Bewegungsabläufe in einem fortgeschrittenen Lernstadium jeder Bewegung. Zu den kompliziertesten Bewegungen, zu denen der Mensch fähig ist, gehören die der Hände.

Grafomotorik bedeutet die Produktion von grafischen Zeichen mittels der Hand und einem Schreibgerät auf einem Untergrund.
Ein Graph ist die kleinste, nicht bedeutungskennzeichnende Einheit in schriftlichen Äußerungen, z. B. ein Punkt.
Ein Graphem ist die kleinste bedeutungsunterscheidende geschriebene Einheit, also ein grafisches Symbol, das ein oder mehrere Phoneme wiedergibt, z. B. ein Buchstabe / Buchstabengruppen.

Schreibmotorik ist ein komplexer motorischer Prozess als Grundlage einer flüssigen Handschrift. Die Buchstaben werden aus einer zuvor gelernten automatisierten Bewegung heraus geschrieben; sie „entstehen“ wie „beiläufig“ während sich das Kind dem Textinhalt oder den Rechtschreibregeln widmen kann. Die im Gehirn abgespeicherten ganzheitlichen Bewegungsmuster werden dabei abgerufen. Darüber ist automatisiertes, zunehmend schnelles Schreiben möglich.

Aus dieser Schwierigkeitssteigerung ergibt sich die Problematik Ihres Kindes. Typisch für hypotone Kinder verkrampft es sich beim Malen und noch mehr beim Schreiben kompensatorisch, um mehr Spannung aufzubauen. Dies verhindert aber die Mal und Schreibbewegung aus Handgelenk und Fingern.
Das Kind hat vermutlich wegen seiner Hypotonie zudem geringe grafomotorische Erfahrungen machen können und entsprechende Tätigkeiten vermieden. So ist es ungeübt und kraftlos. Dies führt häufig auch dazu, dass Probleme in der Formwiedergabe bestehen, die bereits beim Malen, mehr noch beim Schreiben von Buchstaben erforderlich ist. Mit zunehmender Sicherheit der Formwiedergabe und Steigerung der Kraft ist eine lockere Stiftführung möglich. Das heißt: Üben hilft, aber natürlich muss "das Richtige" geübt werden. Die Grundformen der Schrift werden von "normal" entwickelten Kindern beim spontanen Malen geübt, Kinder, die dies nicht oder zu selten machen, brauchen eine systematische Unterstützung beim Erarbeiten der Grundformen der Schrift.

Was tun?
Keine dünnen Stifte geben, sondern dicke, rutschfeste, evtl. mit Greifmulden versehene.
Kräftigende grafomotorische Tätigkeiten mit stiftähnlichen Werkzeugen zur Kräftigung der Schreibfinger parallel zum Arbeiten auf dem Papier durchführen: Zauberkratzbilder, Muster ritzen in Tonplatten, über Strukturunterlagen (oder Blätter) Kritzeln
Parallel zu konkretem Malen und Schreiben grafomotorische Übungen mit Stiften durchführen, die die Beweglichkeit der Schreibfinger und des Handgelenks fördern (abwechselnd mit gezielten feinmotorischen, spielerischen, unbedingt auch kräftigenden Übungen): kleinräumiges, häufig wiederholtes Kritzeln (ca. 1 cm) Kringel, Knäule, Kreuze etc. als Muster

Alles möglichst spielerisch, aber immer zielgerichtet.

Weiteres: www.ergotherapie-ravensburg.de

Kollegiale Grüße, Sabine Pauli
30. April 2017 21:23 # 3
Registriert seit: 06.08.2016
Beiträge: 9

Liebe Sabine Pauli,

vielen vielen lieben Dank für diese ausführliche und
nützliche Antwort!
Danke, dass sie sich Zeit genommen haben, es verständlich
und umfangreich hier rein zu schreiben!

Ich wünsche ihnen einen schönen 1. Mai!
Gruß, Timona:)
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