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Berufsanfänger zunehmend unselbstständiger

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20. September 2017 06:37 # 1
Registriert seit: 30.07.2001
Beiträge: 71

Hallo liebe Kollegen!

Ich arbeite seit 2004 als Ergotherapeutin in Berlin. In meinen Berufsjahren habe ich viele Praktikumsanleitungen übernommen und neue Kollegen kommen und gehen sehen.
Sicherlich ist der Start in unseren anspruchsvollen Beruf nicht immer leicht. Ein Thema, das mich jedoch schon lange beschäftigt ist die zunehmende Unzufriedenheit mit "Neulingen".
Wenig Interesse der kollegialen Zusammenarbeit, mangelnde Umsichtigkeit in puncto Ordnung, Aufräumen etc. und schlecht ausgebildete Arbeitskräfte überschwemmen seit einigen Jahren den Arbeitsmarkt. Beim Lesen von therapeutischen Berichten stellen sich mir regelmäßig die Nackenhaare auf und ich schäme mich fremd....
Nachdem ich ein paar Jahre in der Ausbildung mitgearbeitet habe, werden mir Ursachen und Auswirkung jedoch zunehmend klarer. Es erfolgt kaum noch Selektion zu Beginn der Ausbildung (zu viele Schulen?!), das Curriculum scheint mir veraltet (gängige Therapieverfahren wie manualtherapeutische Techniken finden keine Erwähnung etc.) und Auszubildende werden durch das Examen geschoben, obwohl offensichtlich das Fachwissen und der professionelle Umgang mit Klienten fehlt.
Dies sind nur einige Beispiele der letzten Jahre.
Mich würde interessieren, ob Ihr ähnliche Erfahrungen gesammelt habt und bin offen für Austausch und Input!

Liebe Grüße

Julia::smile::
20. September 2017 10:08 # 2
Registriert seit: 15.03.2003
Beiträge: 944

Im Moment arbeite ich als Honorardozent an einer Schule für ein bestimmtes Thema... nicht alle der Schüler sind für diesen Beruf geeignet, das merke ich auch. Da wird schon auf Schülerseite abgewinkt, wenn es um Basiswissen, z.B. die kindliche Normalentwicklung, geht. Wie nach dem Motto, das brauch ich eh nicht.
Schade, denn die guten Kollegen für eine Praxis auf dem leergefegten Markt zu finden ist auch zukünftig noch mehr gefährdet....
LG
"Die Kunst ist, den Kindern alles, was sie tun oder lernen sollen, zum Spiel zu machen."
John Locke
20. September 2017 17:35 # 3
Registriert seit: 24.03.2017
Beiträge: 13

Meine Erfahrungen mit Berufsanfängern sind durchaus positiv im Umgang mit Patienten; im Umgang mit Materialien stelle ich einen zunehmend unsachgemäßen Gebrauch fest, z.b. Werden Terrabänder nur einmal benutzt und dann weggeschmissen, oder nach der Therapiestunde werden die Materialien in den Schrank gelegt ohne auf die Ordnung zu achten
20. September 2017 22:38 # 4
Registriert seit: 16.07.2014
Beiträge: 62

Hallo,

seit unserer Selbstständigkeit ( 6 Praktikanten) bzw. als Angestellte hatten wir Praktikanten.

Wir haben uns erhofft, dass sich aus den Praktikanten evtl. neue Angestellte entwickeln.

Ich kann nur sagen, wir haben keinen übernommen, weil es an Wissen fehlt, mangelnde Grundarbeitsfähigkeiten
( Arbeitstempo, Arbeitsorganisation, Planung, Verantwortung ) da ist.

Wir hatten von 16 - 25 Jährige dabei . Ich frage mich immer, wie kann eine Schule so junge Therapeuten/innen annehmen ???
Denen fehlt einfach die persönliche Lebenserfahrung um mit kranken Menschen zusammenzuarbeiten.

Und unser Team ist sehr, sehr locker :)
21. September 2017 11:32 # 5
Registriert seit: 09.02.2012
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 423

Geändert am 21.09.2017 11:33:00
Ich kann eher Gegenteiliges berichten, natürlich gab es auch schon die eine oder andere Ausnahme, allerdings sehe ich dabei die Ursache deutlich an der Qualität der Schulen, die stetig abnimmt, nach dem Motto: "Je mehr Schulen es gibt, desto weniger Qualität benötigen die einzelnen Institutionen!" Was kann man da dann erwarten?!

Ich finde eher, dass Ergotherapeuten, die seit 30 Jahren im Beruf sind, sich viel zu wenig und unzureichend fortgebildet haben, im Alltagstrott drin sind, weder nach links und nach rechts schauen und noch über ihr Doppelgehalt (im Vergleich zu den aktuellen Gehältern für Ergos) und über die Altverträge mit 35 Tage Urlaub pro Jahr + Urlaubsgeld + Weihnachtsgeld rumjammern... vielleicht ist das auch mal ein interessantes Thema? ;-)
Sag Menschen nicht, wie sie Dinge tun sollen. Sag ihnen was zu tun ist, und sie werden dich mit ihrem Einfallsreichtum überraschen.
21. September 2017 11:45 # 6
Registriert seit: 03.01.2011
Beiträge: 387

@j.zurm hälst du jetzt 25 jährige die die Ausbildung machen für zu jung oder meinst du eher die 16 jährigen?
Ich finde es sehr schwierig am Alter die Lebenserfahrung fest zu machen. Natürlich hat man mit anfang 20 mit einigen Dingen keine Erfahrungen gemacht, aber macht nicht jeder Mensch sowieso andere Lebenserfahrungen? Man muss nicht jede Erfahrung selbst gemacht haben, um einen Patienten mit dieser behandeln zu können. Ich finde es gehr hier um Empathie und Einfühlungsvermögen, die man benötigt, um mit kranken Menschen gut umgehen zu können und eine gute Basis zu finden und das ist keine Frage des Alters, das kann man haben, wenn man 20 ist, genauso wie jemand der 40 ist. Genauso kann es sein, das dies fehlt, egal wie alt man ist.
21. September 2017 15:13 # 7
Registriert seit: 18.10.2012
Beiträge: 1476

Geändert am 21.09.2017 17:10:00
Also ich finde es gibt schon welche die mit 25 Jahren einfach noch unreif sind das stimmt schon. Aber meiner Meinung nach solltest du schon mit 25 Jahren mit der Ausbildung fertig sein. Mit 26 Jahren habe ich bereits meine eigene Praxis gegründet und bin nun seit 4 Jahren Selbständig.
Ich habe ab und an mal Schnupperpraktikanten und muss sagen es ist wirklich unterschiedlich. Welche sind echt engagiert und welche muss ich auch wirklich erst mal klar machen, wie den so die Arbeitswelt aussieht. Welche haben auch einfach falsche Vorstellungen von dem Beruf. Es gibt Praktikanten die würde ich gerne wieder sehen, wenn sie dann das Motorisch Funktionelle Praktikum machen und bei den Anderen kann ich mir das gar nicht vorstellen. Wobei diese auch schon im Vorpraktikum oder Schnupperpraktikum schon gemerkt haben, dass dieser Beruf für sie nix ist. Es gibt solche und solche.

Aber ich muss auch Motte123 zustimmen, das es wirklich Therapeuten gibt, die wie vor 100 Jahren arbeiten. Also es gibt eine Praxis in meiner Nähe da habe ich echt schon Sachen von meinem Patienten gehört, wo ich dachte die gibt es gar nicht. Da standen mir echt die Haare zu Berge. Was ich mir für Geschichten habe anhören müssen. Ich weis ganz genau, warum manche Patienten die Praxis gewechselt haben. Und deren Praxis Existiert auch schon seit Jahren. Wobei ich mich frage, wenn die Storys wirklich stimmen, wie man überhaupt auf dem Markt so lange existieren kann.
Eine super krasse Story von einer Mutter dessen Tochter zu mir gewechselt ist. War, dass die Mutter jedes mal gefragt wurde, weswegen das Kind noch mal da ist. Und dann hat mir die Mutter noch erzählt, dass das Kind gefragt wurde was es den heute machen möchte. Zum Einsatz kamen verschiedene Handwerkstechniken und das Kind war jedoch die ganze Zeit alleine im Raum während dessen die Therapeutin im Nebenraum Kaffee getrunken hatte. Das Kind hatte dabei keine Fortschritte gemacht. Die Kinnlade von mir ging bei der Story bis zum Boden.
Diese Geschichte konnte ich einfach nicht glauben. Wobei ich diese Praxis kenne, da ich schon bei denen Probe gearbeitet habe. Die haben wirklich noch die Therapiemethoden wie vor 100 Jahren. Wobei ich das während der Probearbeit nicht erleben musste, das die den Patienten einfach mal alleine gelassen haben.
Bezüglich Ausbildung muss ich schon sagen, dass ich nach der Ausbildung wirklich noch nix bzw wenig konnte. Ich habe auch erst bestimmten Techniken wie z.B die Manuelle Therapie während der Fortbildung kennen gelernt. Auch an meiner Schule wurde keine Manuelle Therapie gelehrt. Aber wir hatten dafür mal einen kleinen Einblick in PNF bekommen. Aber es war jetzt nicht so, dass wir diese Therapieform auch konnten. Dafür hatte ich zig Handwerkstechniken gelernt. Und wende in der Praxis diese kaum an. Ich finde es zwar wichtig, dass man Handwerk im Unterricht hat und auch lernt, was man damit alles fördern kann, aber ich finde, dass da auch ein par Stunden ausreichend sind. Und du dann ein einziges Werkstück anfertigst. Und nicht aus Peddigrohr ein Korb, dann ein großen Korb und noch ein Tablett etc.. und es muss auch nicht perfekt sein. Hauptsache du weist wie diese Technik geht und was du damit alles fördern kannst. In der Praxis habe ich noch kein einziges mal eine Korb mit geflochtenen Boden und Zopfrand mit einem Patienten angefertigt. Du musst so etwas anleiten können mehr aber auch nicht.
Ich denke mal, dass man bereit sein sollte auch Fortbildungen zu machen um auch eine gute Qualität abliefern zu können und vor allem finde ich es auch wichtig immer auf dem neusten Stand zu sein. Die Therapiemethoden ändern sich ja auch im laufe der Jahre.
@ Pilgerin das habe ich ja noch nie gehört, dass welche echt auf die Idee kommen, das Theraband nach 1 Maligen Gebrauch weg zu schmeißen. Ich selber benutze diese Therabänder so lange bis sie entweder porös werden oder einfach ausgeleiert sind. Meistens halten die so ca 2 Jahre je nach Gebrauch und werden dann dementsprechend entsorgt. Therapieknete schmeiße ich auch nach ca 2 Jahre weg, da diese einfach anfangen unangenehm zu riechen und auch einfach weicher werden. Ich hätte mir eher das andere Extrem vorstellen können. Wobei ich das auch schon mal erlebt habe, dass einer meiner Praktikanten bei meinen Kercher diese Rollen weg geworfen hat, weil die dreckig waren. Wobei er wirklich gedacht hat, dass man diese nur ein mal benutzen kann und dann im Müll entsorgt. Ich habe ihm jedoch erklärt, dass diese dann in die Waschmaschine kommen. Wobei man hätte ja auch einfach mal fragen können.
Wer kämpft kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren.
24. September 2017 13:16 # 8
Kwick_Kiwi
Kwick_Kiwi
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 64

Geändert am 24.09.2017 13:23:00
Hallo Julchen,

ich bin 24 Jahre alt und seit einem Jahr ausgelernt - als Berufsanfängerin bezeichne ich mich trotzdem, weil es sich immer noch so anfühlt, trotz zunehmender Handlungssicherheit.

Ich habe auf der privaten Schule gemerkt, wie wenig selektiert wird. Ich hatte den Eindruck, viele Schüler haben die Ausbildung - finanziert von den Eltern angefangen "um mal zu gucken" - viele Abbrüche oder Kündigungen wegen ständiger Verspätung/Fehlens. z.B. gab es zu Anfang der Ausbildung ein sehr junges, absolut unselbstständiges und überaus schüchternes Mädchen, dass noch nie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren (wurde von Mutti zur Schule hin- und zurück gefahren) oder mal ausgegangen ist. Sie hang komplett an Mutters (Ergotherapeutin) Brust und hat sich auch nicht getraut sich im Unterricht aktiv/mündlich zu beteiligen - sie wurde nach der Probezeit (wahrscheinlich) seitens der Schule gekündigt - jedoch ist auch sie ohne Probleme durch das Aufnahmeverfahren gekommen. Oder ein Sport-Boxer mit regelmäßigen Hämatomen im Gesicht...

Nunja, auch ich stand da also letztes Jahr mit meinem Titel und bin in meiner ersten Stelle erstmal mächtig auf die Nase geflogen. Ich von meiner Seite finde mich in den beschriebenen Normen nicht wieder. Ich bin sehr engagiert, ordentlich, strukturiert, organisiert und wissbegierig. Was mir jedoch fehlte, war das Wissen. Ich finde meine Ausbildung im Nachhinein nicht sehr gut. Auch wenn ich das Examen erst 2016 gemacht habe, fand ich das Konzept veraltet. Handwerk, Handwerk, Handwerk... und das war auch so ziemlich alles, was ich wissenstechnisch im Gepäck hatte. Schnell habe ich gemerkt, dass ich damit allein nicht weit komme und den Ruf der Ergotherapie damit ebenfalls veraltet darstelle, und die negativen Klischees bediene. ::sad::

Also habe ich viele Fortbildungen belegt: Manualtherapeutische Techniken, Spiegeltherapie, Feldenkrais etc.
Seitdem fühle ich mich in meinem Repertoire besser ausgestattet. Jedoch greife ich immer gerne mal auf Peddigrohr zurück! Das Handwerk verteidige ich! Peddigrohr ist super vielseitig einsetzbar! ::thumbup::

Das Wichtigste für mich sind meine Kollegen, die ich immer wie in einer kleinen Supervision fragen kann, wenn ich nicht weiter weiß oder unsicher bin. Mit der richtigen Anleitung kann auch aus einem Berufsanfänger ein Diamant geschliffen werden, wenn das Material - die Leidenschaft für den Beruf gegeben ist. ::smile::

Liebe Grüße



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