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Patientenausfall durch höhere Gewalt, Arbeitgeberrisiko?

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12. Oktober 2017 14:48 # 1
Registriert seit: 12.10.2017
Beiträge: 3

Hallo ihr Lieben,

in letzter Zeit haben sich in meiner Praxis vermehrt Ungereimtheiten bezüglich der Vergütung/Verpunktung bei Ausfällen der Patienten ergeben.

Zu unserem System: wir werden mit Festgehalt vergütet, haben zusätzlich ein Punktesystem, welches und per Einheit (15 Min) am Patienten mit einem Punkt vergütet. Diese Punkte können bei Minus am Ende einer Anstellung zu einem Abzug beim Urlaub und/oder gehalt führen oder eben bei Plus zu einer Extra Auszahlung in Form von Gehalt oder Urlaub.
Fällt ein Patient aus Krankheitsgründen aus, wird der Patient aus unserem Plan gestrichen und wir erhalten keine Punkte für die Zeit, die wir in der Praxis verbringen.
Fällt ein Patient bei Sturm (wie es in letzter Zeit leider das ein oder andere Mal vorkam) aus und ist nicht in der Lage mit Öffi zur Therapie zu kommen oder hat, wie beispielsweise bei älteren Patienten öfter der Fall, einfach Angst das Haus zu verlassen, wird der Patient aus dem Plan gestrichen und wir erhalten keine Punkte.

Meine Frage ist nun: Dieses Punktesystem ist ja schon allgemein eine Möglichkeit, sich als Arbeitgeber dem sogennannten Arbeitgeberrisiko teilweise zu entziehen.
Wie ist in solchen Fällen eigentlich die Rechtslage?
Wieso müssen WIR als Angestellte Therapeuten das Risiko des Ausfalles in diesem Falle durch Nichtvergabe der Punkte tragen? Oder müssen wir dies eigentlich gar nicht?
Unser Arbeitgeber stellt natürlich bei Versäumnissen der Therapie Ausfallrechnungen und wir erhalten dann auch unsere Punkte.

Wir als Therapeuten verbringen ja in so einer Leerzeit auch nicht die Zeit nur am Handy, sondern sorgen in der Praxis für Ordnung, organisieren oder machen eben Dinge, die in der Praxis so anfallen. ::confused::

Wir als Team möchten gern Wissen, ob, und wenn ja welche, eine Rechtsgrundlage hierzu besteht.

Freuen uns sehr auf eure Antworten!

Bei Fragen erläutere ich gern auch noch genauer die jeweiligen Fälle.
12. Oktober 2017 15:08 # 2
Bocephalus
Bocephalus
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 19

Rechtsgrundlage: Annahmeverzug - §§ 293, 194 BGB

Fälle darstellen nicht nötig. Die Rechtslage ist eindeutig.
12. Oktober 2017 15:41 # 3
Registriert seit: 12.10.2017
Beiträge: 3

Zitat / Bocephalus hat geschrieben:
Rechtsgrundlage: Annahmeverzug - §§ 293, 194 BGB

Fälle darstellen nicht nötig. Die Rechtslage ist eindeutig.

Sprich; diese Zeit ist uns anzurechnen und muss nicht nachgearbeitet werden?
Ich bin nicht so geübt mit Paragraphen Sprache.
Wurde das in diesem Falle bedeuten, dass wir dafür eben nicht das Risiko tragen dürfen? Oder hab ich das genau falsch gedeutet?
12. Oktober 2017 18:09 # 4
Bocephalus
Bocephalus
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 19

Annahmeverzug: Nichtannahme der ordnungsgemäß angebotenen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber (§§ 293, 194 BGB).
Wenn der Arbeitnehmer in der vertragsgemäßen Arbeitszeit anwesend ist und dem AG seine Arbeitskraft anbietet, ist diese Zeit zu vergüten. Da gibt es kein Schlupfloch. Es ist egal, warum so eine Leerlaufzeit entsteht.
Ausnahme ist, wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel später kommen und früher gehen will und dies auch seinem AG vorher ankündigt. (Regelungen zum Arbeitszeitkonto)
Die Beschreibung des Punktesystems ist definitiv KEIN Arbeitszeitkonto und rechtlich nicht haltbar.
12. Oktober 2017 18:22 # 5
falladar
falladar
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1376

Wenn der PI euch für diese Zeiten nicht bezahlt, was stellt er dann den Patienten in Rechnung? Welchen Schaden will er denn dann hier vom Patienten ersetzt haben?

Da Ihr keine Honorarkräfte oder Freie Mitarbeiter seid, ist er für die Ausfälle zuständig und muß euch ggf. anderweitig beschäftigen. Lehnt ihr diese Tätigkeiten ab, geht ihr nach Hause oder verlängert ihr eure Pause, sind es "Minusstunden". Bleibt ihr in der Praxis und verrichtet anderweitige Tätigkeiten, müßt ihr auch dafür mit dem vereinbarten Stundensatz bezahlt werden.

"Diese Punkte können bei Minus am Ende einer Anstellung zu einem Abzug beim Urlaub und/oder gehalt führen oder eben bei Plus zu einer Extra Auszahlung in Form von Gehalt oder Urlaub."

Alle Überstunden müssen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt oder "abgebummelt" werden. Minusstunden können nicht einseitig durch den PI durch Urlaubs- und Gehaltskürzung " verrechnet" werden. Gehaltskürzungen dürfen max. nur bis zur Pfändungsfreibetrag erfolgen und der Urlaub darf überhaut nicht gekürzt werden. Sonderregelung gibt es nur bei langwieriger Erkrankung - trifft aber hier nicht zu.

http://karrierebibel.de/minusstunden-verrechnen/
https://www.deutsche-anwaltshotline.de/rechtsberatung/102564-verrechnung-von-ungewollten-minusstunden
https://anwalt-kg.de/privatinsolvenz-recht/privatinsolvenz/pfaendungstabelle-2015-und-pfaendungsfreigrenzen-2015/

MfG falladar
12. Oktober 2017 21:57 # 6
Registriert seit: 27.12.2016
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Beiträge: 67

Hallo handy,
das ist ja echt perfide, was sich einige PI's so ausdenken, um sog."Minusstunden" auf MA abzuwälzen.
Setzt man sich als MA dagegen zur Wehr und ist sich das Team darin nicht einig, kann das bis zur Kündigung führen- alles schon erlebt. Das soll nat. nicht heißen, das Du es nicht versuchen sollst. Du hast hier ja einige gute Tipps bekommen. Da kann man nur auf Einsicht des PI hoffen. Viel Erfolg!
12. Oktober 2017 22:03 # 7
Registriert seit: 05.10.2011
Bundesland: Hamburg
Beiträge: 719

Klassische Abwälzung des unternehmerischen Risikos an Mitarbeiter - würde ich sagen! Also dünnes Eis für den PI!

Mensch, wozu uns PI diese mickrigen Abrechungssätze bringen, ist echt nicht schön! Daran muss sich was ändern....
ergoSystemisch - Systemisches Arbeiten in der Ergotherapie

Informationen gibt es hier: https://www.ergoSystemisch.de
13. Oktober 2017 09:42 # 8
Registriert seit: 12.10.2017
Beiträge: 3

Hallo ihr Lieben und danke für die vielen hilfreichen Antworten.

Ich muss aber nocheinmal etwas klar stellen: bezahlt werden wir immer fest! Das ist absolut nicht das Problem.
WENN Patienten etwas in Rechnung gestellt wird, dann bekommen wir selbstverständlich auch unsere Punkte dafür.

Aber dieses Punkteystem ist, wie ich gehört habe, nicht selten in Praxen. ::thumbdown::

Jedoch haben ich und mein Team langsam echt genug mit Minuspunkten besäht zu werden, wenn Patienten ausfallen. Wir sind der festen Überzeugung, dass dies unter das Unternehmerrisiko fällt und wir dafür Punkte bekommen müssen. Wir sind ja arbeitswillig! ::thumbup::
Dass wir die Punkte nicht bekommen, wenn wir länger Pause machen oder eher gehen; logisch, dass nicht. Erklärt sich ja von selbst. ::laugh::
Dieses Punktesystem und die Ausfälle sind meiner Meinung nach aber auch eine Form der entfallenden Entlohnung und somit nicht in unserem Sinne.
Für mich bedeutet dieses Punkteystem vor allem aber immer eins: Stress. Was passiert wenn ich kündige und zu viele Minusstunden habe?
Und Mal ganz abgesehen davon ist es ein ziemlich demotivierender Faktor im Bezug auf die Wertschätzung durch den AG/PI. ::sad::

Wir müssen das wohl wirklich Mal als Team ansprechen. Glücklicherweise sind wir alle dieser Meinung, weswegen das Thema Kündigung absolut nicht diskutabel ist. ::smile::
13. Oktober 2017 17:36 # 9
Registriert seit: 27.12.2016
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Beiträge: 67

Hallo handy,
ob das Ding nun Minusstunden oder verklausuliert "Minuspunkte" heisst, ändert am ungerechten Sachverhalt nichts.
Ich kann deinen Frust absolut verstehen. Wenn man arbeitswillig zur Arbeit geht, Spaß an den Behandlungen hat und dann Patienten nicht kommen, warum auch immer nicht und das quasi als Freizeit für den MA gewertet wird, kann einem das die Stimmung am Arbeitsplatz schon verleiden. Mir ging es mal genauso. Das Team war super, die Arbeitsbedingungen O.K. - aber die leidigen Minusstunden... . Bei uns wurde das System erst nach Jahren eingeführt. Als ich nach einer längeren Pause wiederkam, war es plötzlich da. Ich habe auch oft die Dokuzeiten "überzogen", weil ich in den Ausfallzeiten praxisrelevante
Arbeiten erledigte (und nicht weil ich solange schrieb) und ich gar nicht einsah, dass Ausfälle mein Privatvergnügen sein sollten. Dann wurden die Orga - Zeiten beschnitten und damit war das Thema der Ausfälle auf dem Tisch. Meine PI hatte keine Lsg. für das Problem - im Gegenteil, sie fragte uns. Ich fühlte mich total ungerecht behandelt, nicht wertgeschätzt, wurde immer verzweifelter und auch zunehmend wütender. Es gab auch keine Antwort darauf, dass es in den ersten Jahren der Praxis ja auch anders gut lief. Ich habe dann gesagt, dass ich mich erkundigen werde, ob dass denn wohl alles so gesetzlich läuft und hatte auch Telefonate mit irgendeinem Gremium der KK (ich weiß nicht mehr welches). Die Dame von der KK war entsetzt, welchem Druck Therapeuten in Praxen ausgesetzt sein können (ich diskutierte auch über Vor-und Nachbereitungszeiten und ob die zur Behandlung gehören oder auch Freizeit sind, wenn man das Tagesbudget an Orgazeit aufgebraucht hat.) Das wurde sich 2 Wochen angeguckt und dann kam die Kündigung. Ein anderer Mitarbeiter hatte bei seinem (freiwilligen) Verlassen der Praxis tatsächlich bei der letzten Gehaltszahlung einen Lohnabzug. Ihm wurde die Regelung beim Einstellungsgespräch nicht erklärt, erst Wochen später. Anfangs waren für seine Stelle noch nicht mal genug Patienten da und die "Minusstunden" rasselten nur so durch. Obwohl er immer von morgens bis abends da war, konnte er sie nie "ausgleichen", zumal auch neue Ausfälle dazukamen.
Nun arbeite ich in einer Klinik, da wird gar nichts diskutiert, sondern angeordnet. Aber das System ist wenigstens klar und gilt für alle. Und Leerlaufzeiten werden selbstverständlich bezahlt. In der Praxis waren die Pädis am meisten betroffen, in Einrichtungen oder anderen Arbeitszusammenhängen konnten keine Minusstunden auflaufen; das steigerte mein Benachteiligungsgefühl noch, weil ich nur Pat. von niedergelassenen Ärzten hatte und bei mir unverschuldet mehr Minusstunden entstanden, als bei den anderen, die entweder auch in Einrichtungen waren oder dann PL-Zeit hatten... . So gab es auch eine Spaltung im Team, wobei ich alleine auf der einen Seite stand und offiziell niemand diese Benachteiligung sah. Es kämpfte auch keiner mit, weil keiner derart betroffen war oder weil er eigene Wege fand, den Minusstunden aus dem Weg zu gehen. Im übrigen "drohte" ich nicht nur mit dem Gesetz, hatte zwar keine Lsg, aber eine ganze Reihe konstruktiver Vorschläge... . Na, das ist nun Geschichte.
13. Oktober 2017 18:47 # 10
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Beiträge: 719

Das einzig sinnvolle Instrument bei kurzfristigen Absagen (und damit Ausfällen) sind Ausfallrechnungen.

Nicht wir Leistungserbringer tragen die Verantwortung für das Nicht-bezahlen reservierter Termine, sondern die kranken Kassen. Das sollten die Versicherten wissen und verstehen. Unsere Bezahlquote liegt bei über 90%, Therapieabbrüche bei max. 2/Jahr.

Wenn ich z.B. für depressive Patienten ambulant Ergotherapie anbieten will, dann gehört es dazu das diese Patienten auch mal keinen Antrieb haben aus dem Haus zu gehen - damit will ich klar machen, dass wir Leistungserbringer entscheiden, wen wir behandeln möchten.

Der entsprechende Umgang ist dann die notwendige Folge davon - MItarbeiter sind da das letzte Gliied in der Kette. Negative Folge von Absage = Punktabzug/Minusstunden ist doch, dass kein Mitarbeiter gern ausfallintensive Patienten haben möchte.

Was macht das mit der Therapeut/Patientbeziehung? Was macht das im Team?

Ne ne ne, nur die AFR ist eine klare und verantwortungsvolle Regelung! Die Verantwortung für das Nichtbezahlen trägt die Kasse. Das sollte jede/r wissen! ::thumbdown::
ergoSystemisch - Systemisches Arbeiten in der Ergotherapie

Informationen gibt es hier: https://www.ergoSystemisch.de
13. Oktober 2017 20:09 # 11
ergo-ex
ergo-ex
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Beiträge: 338

Geändert am 13.10.2017 20:10:00
Zitat / handy hat geschrieben:

Wir müssen das wohl wirklich Mal als Team ansprechen. Glücklicherweise sind wir alle dieser Meinung, weswegen das Thema Kündigung absolut nicht diskutabel ist.


Ich finde es richtig, das ihr gegen diese unhaltbare "Regelung" angehen wollt- möchte aber, aus eigener, sehr leidvoller Erfahrung zu bedenken geben, das ein "alle einer Meinung sein" sich gaaaanz schnell ändern kann, wenns ans Eingemachte geht..
Von "Yeah, finden wir alle", zu "sieh zu, wie du klar kommst, schließlich warst DU es, die was gesagt hat..." Und schon hat man die A.-Karte....

Im Ernstfall ist sich dann plötzlich jeder selbst der nächste und will seine (zumindest gefühlte) Haut retten --- was bei mir dazu geführt hat, das ich Kollegen nur von jetzt bis gleich traue...
Bzw GAR nicht.



15. Oktober 2017 13:24 # 12
Registriert seit: 12.09.2002
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 278

Zitat / HHAltona hat geschrieben:
Ne ne ne, nur die AFR ist eine klare und verantwortungsvolle Regelung! Die Verantwortung für das Nichtbezahlen trägt die Kasse. Das sollte jede/r wissen!

Verstehe ich dich richtig, HHAltona, dass du der Krankenkasse den Ausfall in Rechnung stellst, wenn der Patient kurzfristig absagt? Ich schicke die Ausfallrechnung dem Patienten mit mehr oder weniger gutem Erfolg. Manche brechen dann die Therapie ab, jedoch die, die bleiben, sind dann zuverlässig.

Zum "Punktesystem": Natürlich darf der AG ein Punktesystem einführen, und bei soundsoviel erreichten Punkten einen Bonus zahlen. Also ein reines "Pluspunktesystem". Abziehen darf er weder Geld noch Urlaub, wenn Patienten nicht kommen.
15. Oktober 2017 22:06 # 13
Registriert seit: 05.10.2011
Bundesland: Hamburg
Beiträge: 719

Geändert am 15.10.2017 22:09:00
Zitat / xxu hat geschrieben:
Zitat / HHAltona hat geschrieben:
Ne ne ne, nur die AFR ist eine klare und verantwortungsvolle Regelung! Die Verantwortung für das Nichtbezahlen trägt die Kasse. Das sollte jede/r wissen!

Verstehe ich dich richtig, HHAltona, dass du der Krankenkasse den Ausfall in Rechnung stellst, wenn der Patient kurzfristig absagt? Ich schicke die Ausfallrechnung dem Patienten mit mehr oder weniger gutem Erfolg. Manche brechen dann die Therapie ab, jedoch die, die bleiben, sind dann zuverlässig.....


Nein, soweit sind wir noch nicht - aber das Weiterreichen der Rechnung an die Kasse empfehlen wir unseren Patienten, eben mit der Begründung dass ihre Kasse nicht dafür aufkommt, wenn sie kurzfristig krankheitsbedingt nicht zur Therapie kommen können.

Aber das an die Kasse direkt zu schicken.... mmmh, das sollte ich mal probieren. Die Idee finde ich ganz gut! ::thumbup::

Grüße in die alte Heimat! ::smile::
ergoSystemisch - Systemisches Arbeiten in der Ergotherapie

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16. Oktober 2017 08:33 # 14
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