Der frühere Einsatz der Tiefen Hirnstimulation (THS) bei Morbus Parkinson kann die Lebensqualität der
Patienten verbessern. Tübinger Hirnforschern ist dieser Beweis, gemeinsam mit weiteren Forschern aus
Deutschland und Frankreich, gelungen. Die im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlichte
Studie zeigt überdies auch, dass sich die motorischen Funktionen der Patienten signifikant verbesserten.
Die in ihrer Mobilität stark beeinträchtigten Probanden erzielten durch die Tiefe Hirnstimulation
beispielsweise, eine um 53 Prozent gesteigerte Bewegungsfähigkeit.
Ihre Fähigkeit Aktivitäten des täglichen Lebens zu meistern, verbesserte sich um 30 Prozent.
Zum Einsatz kam die Tiefe Hirnstimulation bislang nur bei Patienten mit schweren Symptomen und in
fortgeschrittenen Krankheitsstadien, typischerweise nach einer Krankheitsdauer von über zehn Jahren.
In Deutschland sind rund 250.000 Menschen an Morbus Parkinson erkrankt.
Weltweit sind es über sechs Millionen.
Experten schätzen, dass sich die Zahl der Betroffenen bis 2030 verdoppeln wird.
„Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse Eingang in die Parkinson Therapieleitlinien finden, so dass
Patienten flächendeckend von einem frühen Einsatz der Tiefen Hirnstimulation profitieren können“,
sagt Professor Dr. med. Rejko Krüger, Forschungsgruppenleiter am Hertie-Institut für klinische
Hirnforschung (HIH), Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Tübingen. Bislang ging man davon aus,
dass Patienten von einer tiefen Hirnstimulation erst später im Krankheitsverlauf profitieren.
„Denn die beginnenden Bewegungsstörungen können zu einem früheren Zeitpunkt auch durch Medikamente gut
behandelt werden. Parkinson-Medikamente haben jedoch, wenn sie über viele Jahre eingenommen werden müssen,
schwere Nebenwirkungen“, sagt Krüger. Ziel der Studie war es deshalb herauszufinden, so der Hirnforscher
weiter, welche Vorteile der wesentlich frühere Einsatz einer THS gegenüber der typischen medikamentösen
Behandlung den Patienten bietet.
Die 251 Probanden der Studie waren durchschnittlich sieben Jahre an Parkinson erkrankt.
Eine Hälfte der Patienten erhielt einen sogenannten Hirnschrittmacher, wurden also mit THS behandelt.
Die Vergleichsgruppe wurde medikamentös behandelt. „Die Ergebnisse der Studie zeigten ein einheitlich
positives Bild zugunsten der THS“, freut sich Krüger. Bei der Hirnschrittmacher-Gruppe verbesserte sich
nach zwei Jahren die Lebensqualität um 26 Prozent. Die in ihrer Mobilität stark beeinträchtigten
Probanden beispielsweise, erzielten eine 53 Prozent verbesserte Bewegungsfähigkeit.
Ihre Fähigkeit, Aktivitäten des täglichen Lebens zu meistern verbesserte sich um 30 Prozent.
Nebenwirkungen im Rahmen der klassischen Medikamenten-Therapie mittels „L-Dopa“, durch die ein Ausgleich
des „Dopamin-Haushaltes“ angestrebt wird, reduzierten sich um 61 Prozent.
„Die Vorteile für die THS-Patienten sind damit überraschend deutlich und beeindruckend.
Außerdem haben sich auch die Depressionen der Probanden signifikant verbessert.
Darüber hinaus vertrugen sie das Implantieren der, für die THS notwendigen, Elektrode in einem früheren
Krankheitsstadium besser als ältere Patienten“, beschreibt der Hirnforscher weitere Ergebnisse der
Parkinson-Studie, welche die Lebensqualität als Hauptparameter für die Beurteilung der Therapie benutzte.
Unter den 27 schweren operativen Nebenwirkungen waren keine bleibenden Schäden außer einer Narbe bei
einem Patienten zu beobachten. Suizide traten bei zwei Patienten der Neurostimulationsgruppe und bei
einem Patienten in der Medikamentengruppe auf.
Originaltitel der Publikation
Neurostimulation for Parkinson’s Disease with Early Motor Complications
N Engl J Med 2013;368:610-22. DOI: 10.1056/NEJMoa1205158
Quelle:
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung