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Software soll Menschen mit Behinderung dabei unterstützen, Arbeitsabläufe zu lernen

Berufstätige Menschen mit geistigem Handicap werfen hin und wieder Arbeitsabläufe durcheinander: Dann spannen sie zum Beispiel ein Werkstück nicht ein, bevor sie es schleifen, oder sie vergessen, für eine Ware zu kassieren. Ein neues Projekt der Universität Bielefeld und den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel soll Menschen mit Behinderung helfen, Arbeitsabläufe reibungslos zu meistern. Im Januar startet die Kooperation. In dem Projekt arbeiten Ludwig Vogel und Heiko Lex vom Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Schack vom Arbeitsbereich „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“. Die Sportwissenschaftler haben ein Computerprogramm entwickelt, das individuelle Probleme und Fortschritte in Arbeitsabläufen anzeigt, um dann Tipps zur Verbesserung vorzuschlagen.

Berufstätige mit Handicap schieben und sortieren auf dem Bildschirm ihre Arbeitsabläufe und lernen damit für den Alltag im Kiosk.
Foto: Universität Bielefeld
In dem Projekt mit dem Titel „ACT“ (Adaptive Cognitive Training) arbeitet CITEC mit dem proWerk zusammen, dem Bereich Arbeit und Berufliche Rehabilitation der v. Bodelschwinghschen Stiftungen. In den Werkstätten von proWerk können Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen ihre berufliche Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben realisieren. In zweijährigen Berufsbildungsmaßnahmen werden sie auf ihre Teilhabe am Arbeitsleben vorbereitet, nach Möglichkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach erfolgreichem Abschluss der Maßnahme assistieren Menschen mit Behinderung beispielsweise einem professionellen Koch, helfen in der Küche, in der Logistik oder bei der Bedienung von Gästen. Berufsbildungsmaßnahmen können Menschen mit Handicap befähigen, bestenfalls eine reguläre Ausbildung zu beginnen.

Das Forschungsvorhaben ist im Kiosk in der Cafeteria im Bildungszentrum Schopf an der Brokstraße in Bielefeld angesiedelt. Hier werden junge Menschen mit Behinderung so gefördert und ausgebildet, dass sie trotz ihrer Beeinträchtigungen eine Arbeit ausüben können und, wenn möglich, eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt finden. Deshalb lernen sie im Bildungszentrum Schopf beispielsweise, Essen zuzubereiten, Gäste zu bedienen oder beim Catering zu helfen. Eine angemessene Ansprache der Kunden sowie das Wissen, woher die Produkte kommen, gehört ebenfalls dazu.

„Es kommt vor, dass ein Mitarbeiter mit Handicap gleichzeitig tausend Dinge im Kopf hat. Da kann es passieren, dass er zu den Gästen geht, um sie zu begrüßen. Wenn ihm dann aber einfällt, dass er noch das Besteck sortieren muss, geht er einfach weg, ohne die Bestellung aufgenommen zu haben, weil er erst die Gabeln und Messer in der Küche sortieren möchte“, sagt CITEC-Forscher Ludwig Vogel. Wichtig in der Lernphase sei, dass die Auszubildenden verstehen, dass in den unterschiedlichen zeitlichen Phasen ihrer Arbeit, beispielsweise im Vorbereiten des Kiosks, bestimmte Tätigkeiten anstehen. Diese Tätigkeiten sind im Gedächtnis gespeichert und die Kategorisierung der einzelnen Aktionen kann dabei helfen, sie im Arbeitsalltag sinnvoll auszuführen. Hier setzt das von Lex und Vogel entwickelte Computerprogramm an.

Die Menschen mit Handicap, die im Bildungszentrum Schopf in der Cafeteria qualifiziert werden, sollen künftig am Bildschirm entscheiden, welche Arbeitsschritte für ihre Tätigkeit wichtig sind. Die Software stellt verbal und grafisch verschiedene Tätigkeitsfelder dar, die die Helfer zuordnen sollen. Sie sollen entscheiden, was zusammen gehört und was nicht. Was passiert in dem jeweiligen Arbeitsablauf gleichzeitig und was ist getrennt? Gehört zum Beispiel das Auffüllen eines Obstkorbs mit dem Vorbereiten der Kaffeemaschine zusammen? Um diese Fragen zu beantworten schieben die Auszubildenden dann mit der Hand die Bilder entweder auf die rechte oder auf die linke Seite des Bildschirms. Die Übung wird regelmäßig wiederholt, in manchen Fällen einmal in der Woche, in anderen einmal im Monat.

In einem Pilotprojekt mit zwölf Personen haben Lex und Vogel schon Erfahrungen mit der Software gesammelt. „Es ist sehr interessant zu beobachten, nach welchen Prinzipien die Personen die Tätigkeitsfelder zuordnen“, sagt Vogel. „Manche machen es nach dem Zufallsprinzip, andere achten auf Farben und sortieren zum Beispiel alle Bilder mit viel blauer Farbe zusammen. Bei anderen klappt es schon sehr gut.“ Das Programm wertet die Antworten aus. „Die Analysen des Programms spiegeln ziemlich exakt das wider, was wir auch im Arbeitsalltag der Auszubildenden beobachten können“, so Vogel. Da das Pilotprojekt erfolgreich war, startet nun im Januar die große Kooperation, die über drei Jahre laufen soll. Für die Zukunft ist außerdem ein Avatar geplant. Auf dem Computerbildschirm soll dann ein Gesicht eines virtuellen Menschen erscheinen. Dieser Mensch redet mit den Auszubildenden, gibt ihnen Ratschläge, zeigt ihnen, wie sie sich verbessern können oder motiviert („Toll, mach weiter so“).

„Bevor es unser Programm gab, haben die Ausbilder die Auszubildenden natürlich auch schon beobachtet, um ihnen Verbesserungsvorschläge zu geben“, sagt Vogel. Diese Methode wollen seine Kollegen und er mit ihrem Programm verfeinern. Durch die Software wird die Diagnostik systematisiert und individualisiert. Die Ausbilder können die Auszubildenden gezielter ansprechen und frühzeitig eingreifen. „Uns ist aber wichtig, dass wir den Ausbildern nicht in ihre Arbeit reinreden. Wir wollen sie ausschließlich unterstützen“, sagt Heiko Lex. Die Diagnostik wird regelmäßig wiederholt. Dadurch werden Veränderungen und Fortschritte sichtbarer. Unterstützt wird die Diagnostik durch Methoden der Psychologie. „Wir wollen den Ausbildern und den Auszubildenden Hilfsmittel an die Hand geben“, sagt Lex. „Im Sport führen wir die Diagnostik schon seit längerem durch. Dort zeigt sich der Erfolg. Wenn dieses Projekt auch so gut läuft, dann können wir die Diagnostik auch auf andere Bereiche der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel und auf andere soziale Einrichtungen übertragen.“


Quelle: Universität Bielefeld


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