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Sozialpsychiatrie-Vereinbarung hat sich bewährt - Erste umfassende Evaluation liegt vor

Wenn Kinder oder Jugendliche psychisch erkranken, ist in der Regel vielfältige Unterstützung notwendig – von der Suche nach Ursachen bis zum Begleiten der Eltern. Um Therapien so effizient und erfolgversprechend wie möglich zu gestalten, gibt es die Sozialpsychiatrie-Vereinbarung (SPV), die es Fachleuten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ermöglicht, interdisziplinär in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zu arbeiten. Sechs Jahre, nachdem die Vereinbarung für alle gesetzlich Krankenversicherten beschlossen wurde, hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) nun die erste umfassende Evaluation hierzu vorgelegt.

„Das interdisziplinäre Vorgehen ist ein voller Erfolg“, bilanziert Dr. Bernd Hagen, Leiter der Evaluation. Sowohl beteiligte Ärzte und Mitarbeiter als auch Patienten, beziehungsweise Eltern, beurteilen die Vorgehensweise als gut. Diese Angaben werden zusätzlich belegt durch die hohe Zahl an Kontakten zwischen Patient und Praxis. „Das Klischee, dass Eltern ihre Kinder ein Mal im Quartal an der Praxistür abgeben, stimmt keineswegs“, sagt Dr. Hagen. „Die Kontakte sind weitaus häufiger und vielfältiger.“

Auch der Austausch der Experten untereinander ist rege. In der Praxis arbeiten Ärzte hauptsächlich mit Sozialarbeitern, Sozialpädagogen, Heilpädagogen, Psychologen sowie Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten zusammen. Von außerhalb schalten sich zumeist Ergotherapeuten, Psychotherapeuten, Logopäden und Kinder- und Jugendmediziner ein. „Auch Schulen, Jugendämter und Beratungsstellen sind gesuchte Dialogpartner. Das soziale Umfeld der jungen Menschen wird einbezogen“, sagt Hagen.

Unterschiede bei Diagnosen zwischen Mädchen und Jungen

Am häufigsten diagnostizierten Ärzte bei ihren jungen Patienten hyperkinetische Störungen (34 Prozent), emotionale Störungen im Kindesalter (17 Prozent) sowie Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (14 Prozent). Bei fast der Hälfte aller Patienten wurde mindestens eine Nebendiagnose gestellt. Auffällig ist dabei, wie sich die Krankheitsbilder von Mädchen und Jungen unterscheiden. So leiden Mädchen deutlich häufiger unter emotionalen Störungen oder Belastungsreaktionen, während Jungen, im Vergleich zu Mädchen, mehr als doppelt so häufig an ADHS erkranken. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern fallen bei einzelnen Krankheitsbildern noch deutlicher aus: Ärzte stellten bei Mädchen fast 13-mal häufiger eine Essstörung fest als bei Jungen.

85 Prozent der Patienten wurden psychiatrisch-psychotherapeutisch behandelt, die Eltern waren in der Regel einbezogen. Weniger als ein Drittel der Kinder und Jugendlichen erhielt Medikamente – auch das ist laut Dr. Hagen ein Bruch mit Vorurteilen: „Von einem massiven Verschreiben von Psychopharmaka kann keine Rede sein.“ Zudem seien die Raten im Untersuchungszeitraum weitgehend konstant geblieben.

Erfreuliche Behandlungserfolge

Bei fast der Hälfte der Patienten (46 Prozent) sahen die Ärzte einen vollständigen oder weitgehenden Behandlungserfolg. Lediglich zu sieben Prozent äußerten sie sich zurückhaltend („geringer oder noch kein Behandlungserfolg“). Knapp ein Fünftel der Behandlungen wurde im Evaluationszeitraum abgeschlossen. „Der tatsächliche Behandlungserfolg ist vermutlich sogar höher, da viele Therapien über die von uns betrachteten 18 Monate hinausgehen“, sagt Dr. Hagen. „Das ist mehr als erfreulich.“

Insgesamt unterstreicht die Evaluation das Potenzial ambulanter Versorgungsformen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Für viele klinische Störungsbilder und wesentliche Zeiträume der Behandlung funktioniert dieses interdisziplinäre ambulante Vorgehen sehr gut“, bilanziert Dr. Hagen. Weitere Evaluationen sind geplant. Dabei sollen auch Daten abgebrochener Behandlungen ausgewertet werden, um so Rückschlüsse auf Erfolgsfaktoren der Sozialpsychiatrie-Vereinbarung zu erhalten.

Zum Hintergrund

Die Sozialpsychiatrie-Vereinbarung (SPV) wurde 2009 von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband beschlossen. Bestandteil der Vereinbarung war eine wissenschaftliche Evaluation, mit der das Zi beauftragt wurde. Das Institut wertete unter Leitung des Diplom-Psychologen Dr. Bernd Hagen 2013 und 2014 die Daten von Ärzten und schriftlich anonym befragten Patienten aus. Im ersten Jahr reichten 605 Ärzte Angaben zu 16.344 Patienten ein, das waren 85 Prozent aller an der SPV teilnehmenden Ärzte, ein Jahr später ergänzten 505 Ärzte ihre Angaben. Die Zahl der eingegangenen Patientenfragebögen lag 2013 bei 10.107, ein Jahr später bei 5.886.

Weitere Informationen



Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland

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