Das Autofahren ist für viele Menschen mit Morbus Parkinson ein wichtiger Bestandteil ihrer Unabhängigkeit.
Allerdings führt die Erkrankung zu psychischen, körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen, die das Autofahren riskant
machen können – für sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer. Wer darf also noch fahren, wer nicht mehr?
Es sind vor allem Männer, die an ihrem Führerschein hängen.
Erster Ansprechpartner ist immer der behandelnde Arzt. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hin.
„Über die Fahreignung wird immer im Einzelfall entschieden. Es gibt keine allgemein gültigen Richtlinien“, sagt Privatdozent Dr. Carsten Buhmann,
Ärztlicher Leiter des Bereichs Neurologie am Ambulanzzentrum des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).
Bestimmte Symptome können Fahrfähigkeit einschränken
Bei Menschen mit Morbus Parkinson sterben im Gehirn langsam jene Nervenzellen ab, die den Neurotransmitter Dopamin produzieren.
In der Substantia nigra – der schwarzen Substanz im Mittelhirn – kommt es zu einem Mangel des Botenstoffs Dopamin.
Die Folgen sind verschiedenste psychische und körperliche Symptome, z.B.
schwere motorische Beeinträchtigungen wie Zittern (Tremor) oder Bewegungsstarre (Freezing), Demenz, Aufmerksamkeitsstörungen, Halluzinationen
oder Sehstörungen (z. B. Doppelbilder).
„Schon eines dieser Symptome reicht, um seine Fahreignung zu verlieren“, sagt Buhmann.
Auch die Medikamente gegen die Parkinson-Krankheit können die Fahrfähigkeit einschränken.
Sie machen zum Teil müde, führen zu Schlafattacken, zum Verlust der Impulskontrolle oder fördern aggressives Verhalten.
Doch so einfach ist es nicht mit der Feststellung der Fahreignung, denn es gibt keinen standardisierten Test,
der bei Parkinsonpatienten zuverlässige Aussagen darüber treffen kann.
„Wer zum Beispiel morgens seine Medikamente einnimmt und danach kurz müde wird, kann abends durchaus fahrtauglich sein, weil die Nebenwirkungen
nach einigen Stunden abnehmen“, erklärt Buhmann.
Viele Parkinsonpatienten sind aktive Autofahrer
Laut einer Studie aus dem Jahr 2005 haben mehr als 80 Prozent aller Parkinsonpatienten einen Führerschein.
60 Prozent davon sind aktive Autofahrer.
„Nicht alle davon dürften sich ans Steuer setzen“, meint Buhmann. Menschen mit Parkinson fahren generell unsicherer als Gesunde in
ähnlichem Alter. Bei einer Befragung von mehr als 3.000 Parkinsonpatienten gaben 15 Prozent an, in den letzten fünf Jahren einen Unfall
gehabt zu haben – 11 Prozent davon waren selbst der Unfallverursacher.
Die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung der Bundesanstalt für Straßenwesen besagen,
dass Parkinsonpatienten nur bei erfolgreicher Therapie, oder wenn die Krankheit noch leicht verläuft, selbst ein Auto führen dürfen.
Ein Arzt oder Psychologe muss alle ein bis vier Jahre beurteilen, ob die Fahreignung bezogen auf die Krankheit noch besteht.
Angehörige spielen wichtige Rolle bei der Einschätzung der Fahrtauglichkeit
Eine wichtige Rolle bei der Einschätzung der Fahrtauglichkeit spielen auch die Angehörigen.
„Ihnen fällt schnell auf, wenn ihr Partner plötzlich unsicher fährt, zu nah an parkenden Autos entlang steuert,
zu langsam reagiert oder eine rote Ampel erst spät erkennt – das sind Warnsignale“, sagt der Neurologe.
Eigenverantwortung der Parkinsonpatienten gefragt
Personen mit Parkinson sollten unbedingt mit ihrem behandelnden Arzt über die Einschränkungen beim Autofahren sprechen.
Buhmann findet: „Alles andere wäre fahrlässig. Hier ist die Eigenverantwortung des Parkinsonpatienten genauso gefragt wie bei jedem anderen Menschen.“
Die Selbsteinsicht ist bei manchen Patienten allerdings begrenzt. „Bei Männern häufiger als bei Frauen“, weiß der Arzt.
Aus Angst vor dem Verlust ihrer Selbstständigkeit sprächen viele Patienten das Thema „Autofahren“ gar nicht erst bei ihrem Arzt an.
Umgekehrt hat der Arzt eine Aufklärungspflicht des Patienten, die er auch dokumentieren muss.
Kommt er dem nicht nach, macht er sich potenziell haftbar, wenn ein Unfall passiert.
Manchmal schätzen aber auch die Neurologen ihre Patienten aufgrund ihrer Beschreibungen fahrtüchtiger ein, als sie es sind,
denn mögliche Schwierigkeiten beim Steuern eines Autos sind nicht immer offenkundig beim Arztgespräch.
„Das Problem ist, dass der Arzt nicht mitfährt und sich selbst kein Bild von der Fahrfähigkeit des Patienten machen kann.“
Auch Fahrsimulatoren können das reale Autofahren auf der Autobahn oder in der Stadt nicht exakt abbilden.
Prüfung der Fahrtauglichkeit in der Fahrschule oder beim TÜV
Parkinsonpatienten haben die Möglichkeit ihre Fahrtauglichkeit in Fahrschulen prüfen lassen, die speziell auf Menschen mit Handicap ausgerichtet sind.
Auch der TÜV hat solche Fahrstunden mit einem Fahrlehrer im Angebot.
Über das Ergebnis der Fahrstunde herrscht Schweigepflicht. „Die Befürchtung ist, dass das Dokument in der Schublade landet,
wenn das Ergebnis schlecht ist. Hier appelliere ich wiederum an die Eigenverantwortlichkeit“, sagt Buhmann.
Es gibt auch bestimmte technische Hilfsmittel, die Parkinsonpatienten das Autofahren ermöglichen,
zum Beispiel ein Auto mit Automatikgetriebe, breitere Bremspedale oder anders angeordnete Armaturen und Sitze können die
Koordination beim komplexen Vorgang „Autofahren“ verbessern.
Besser Autofahren dank Hirnschrittmacher?
Möglicherweise kann sich auch die Tiefe Hirnstimulation (THS) positiv auf die Fahrsicherheit und die generelle Fahrtauglichkeit von
Parkinsonpatienten auswirken. In einer Studie fanden Buhmann und Mitarbeiter heraus, dass Patienten mit einem Hirnschrittmacher
sicherer Auto fuhren und weniger Fehler machten als Parkinsonpatienten ohne ein Implantat.
Im Vergleich zur Kontrollgruppe mit Gesunden fuhren die Patienten mit dem Hirnschrittmacher zwar langsamer und vorsichtiger,
aber ähnlich sicher. „Die Aussicht auf ein besseres Autofahren ist allerdings keine Indikation für die Implantation
eines Hirnschrittmachers“, betont der Neurologe.
Rund 360 Patienten haben bislang in Hamburg im Universitätsklinikum-Eppendorf einen Hirnschrittmacher erhalten –
weltweit gibt es rund 100.000 Patienten, die sich einer THS unterzogen haben. „Der Anteil der Patienten, die das
Fahren nach der THS-Operation wieder aufnehmen, liegt bei knapp 23 Prozent, der Anteil derer, die das Fahren nach OP aufgeben,
bei knapp 11 Prozent“, sagt Buhmann.
Quellen und weitere Informationen
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Neurologie