Anzeigen:
Sie sind hier: Forum >> Ergotherapie-Forum >> Allgemeine Themen >> Seidenmalen - Schizophrenie

Diskussionsforum

Seidenmalen - Schizophrenie

Optionen:
16. September 2009 16:35 # 1
Registriert seit: 03.01.2006
Beiträge: 32

Hallo Zusammen!
Vielleicht könnt ihr mir ja helfen und mir mitteilen ob, warum und inwiefern Seide ein geeignetes Material für das Arbeiten mit schizophrenen Patienten ist?! Welche Seidentechniken würdet ihr mit einem mehr oder weniger akut wahnhaften Pat. (z.B. akustische Halluzination: Stimmen hören) durchführen?
Vielen lieben Dank!
Ich bin schon ganz gespannt auf Eure Beiträge, weil sich mir bisher noch nicht so richtig erschließt, warum Seide bei schizophrenen Patienten also in der Psychiatrie eingesetzt wird....
Liebe Grüße!
16. September 2009 20:50 # 2
Registriert seit: 25.05.2005
Beiträge: 13

ich arbeite mit psychisch kranken und würde wenn ich seide anbieten höchstens mit gutta, also klaren grenzen auf dem werkstück arbeiten.
schizophrene klienten haben eh schon schwierigkeiten realität und wahnvorstellungen von einander zu trennen. wenn dann noch farben ungewollt ineinander laufen halte ich das eher für kontraindiziert.
ich würde auf andere "handfestere" techniken ausweichen wie z.b. holz oder peddigrohr wo der klient das ergebniss besser beeinflussen kann. und das werkstück am ende eher den geplanten werkstück ähnelt.
Bei klienten mit zwängen ist seide meiner meinung nach viel geeigneter.

ich hoffe ich konnte helfen, bin auch gespannt auf folgebeiträge

16. September 2009 23:02 # 3
Registriert seit: 13.05.2008
Beiträge: 382

Hallo Gieselaa,

bei akut halluzinierenden Patienten stellt sich die Frage, ob sie einer ergotherapeutischen Behandlung überhaupt schon zugänglich sind.

Nach einer ersten medikamentösen Einstellung, sehe ich den Schwerpunkt ergotherapeutischer Angebote, genau wie Ergo 77, eher in realitätsbezogenen und handfesten Arbeiten, die ergebnisorientiert und damit abrechenbar sind und zugleich den Drang nach Rückzug unterbinden. Sie sollten also ein Mindestmaß an Kommunikations- und Interaktionsmoglichkeiten enthalten, damit eine unmittelbare Reflektion des Patientenverhaltens durch die Umwelt erfolgen kann und der innere Drang zum Gedankenschweifen und sozialen Rückzug unterbunden wird.

Begleitende neuropsychologische Störungen, wie Probleme in der Konzentrationsfähigkeit oder der Handlungsplanung, lassen sich auch mit strukturierten Techniken der Seidenmalerei (Guttatechnik, Mustervorgaben) angehen. Auch da stimme ich dem Vorredner zu. Ob es das Mittel der Wahl ist, richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen und den Voraussetzungen des Klienten.

Gruß, Ergo 05

17. September 2009 15:31 # 4
Registriert seit: 03.01.2006
Beiträge: 32

Geändert am 17.09.2009 16:52:00
vielen dank für eure beiträge
17. September 2009 19:30 # 5
Registriert seit: 20.04.2006
Beiträge: 223

Hallo,

ich möchte meinen Vorrednern da nicht ganz zustimmen. Ich habe wohl auch vor vielen Jahren in der Ausbildung gelernt, welche Techniken bei welchen Krankheitsbildern indiziert, bzw. kontraindiziert wären. Dem stimme ich heute nicht mehr einfach so zu. das ist in den heutigen Tagen fast eine Grundsatzdiskussion Reduktionistisch vs. Holistisch

Zunächst distanziere ich mich ganz klar von der kategorisierten Auswahl von Medien.
Im Akut-Psychiatrischen Bereich, in dem sich ein schizo-affektiv erkrankter Klient mit derartiger Ausprägung von Wahnvorstellungen wohl aufhält, ist die erste Wahl der Behandlung eine medikamentöse/pharmazeutische. Meist sind dann die Klienten derart sediert, dass man froh sein kann sie überhaupt bei der Stange zu halten.

Sollte ein Klient den Wunsch haben mit Seide zu arbeiten, werde ich persönlich dem entsprechen und eine für den Klienten geeignete Technik auswählen. Den nicht nur das Medium, viel mehr der Therapeut gibt Struktur. Zumal auch der verbalisierte Wunsch eine realitätsbezogene Tätigkeit ist...

Wo ich meinen Vorrednern zustimme, es müssen bei z.B. optischen Halluzinationen nicht unbedingt große Flächen mit ineinander laufenden Farben sein. Aber z.B einen Kugeltechnik geht schnell, zumal die Patienten auch akut nicht so belastbar sind und ich die Settings besser kurz halte. Bei der Guttatechnik würde ich aufgrund von Sedierung eher absehen, weil es oft zu Frust und Wut kommt, wenn man aufgrund von medikamentös bedingten Koordinationsstörungen das Zeugs verschmiert. Zudem ist das doch von einem eher höheren Zeitaufwand...

Habe öfters aber akute Klienten mit akustischen Halluzinationen, die tragen dann meist einen MP3-Player und nehmen den nur zu Erklärungen ab, bzw. wenn sie nachfragen.

Wenn es aber um optische Reizüberflutung geht, muss aus der Erfahrung heraus viele Behandlungsräume mehr anprangern, als den Werstoff Seide

Sollte ein Klient wie gesagt den Wunsch äußern mit Seide zu arbeiten, werde ich ihm entsprechen und dabei unterstützen, diese für ihn "bedeutungsvolle Betätigung" durchzuführen...
Und es ist meine Aufgabe, geeignete Mittel und Wege zu finden.

Grüße
Chris

17. September 2009 21:32 # 6
Registriert seit: 29.09.2007
Beiträge: 785

Geändert am 17.09.2009 22:37:00
Hallo Gieselaa,
die Frage ist für mich viel mehr, was denn die Ziele des Klienten sind. Zur Erreichen welches Zieles willst Du Seidenmalerei denn einsetzen?

„Das einzige was man allgemein äußern kann ist, dass sich jeder Therapeut die Mühe machen sollte, genau hinzuhören, was ein Patient braucht bzw. (wieder) erlernen will.“ ...

Und zu Deiner Frage
Zitat:
weil sich mir bisher noch nicht so richtig erschließt, warum Seide bei schizophrenen Patienten also in der Psychiatrie eingesetzt wird....
- die stellen sich auch Psychiatrie-Erfahrene:

...Ich habe es nie verstanden, warum ich in der Ergotherapie zum Beispiel Seidenmalerei lerne, aber mir keiner zeigt, wie man eine Glühbirne wechselt.

(beide Zitate von Klaus Laupichler, Psychiatrieerfahrener im Interview mit A. Konrad, dve-Zeitschrift 2004)

Das beantwortet sicher nicht direkt Deine Frage, - ich find's trotzdem wichtig: sowas wie "dies Symptom =>diese Therapieform" gibt's einfach nicht...

Gruß
nimis


17. September 2009 23:10 # 7
Registriert seit: 02.06.2005
Beiträge: 3215

Hallo zusammen,
finde, hier handelt es sich mal wieder um eine spannende Diskussion.

Finde alle Antworten sehr interessant, gerade auch die grundlegenden Fragen, die aufgeworfen wurden.

Ich habe mit der Akutpsychiatrie derzeit wenig zu tun - die Patienten, die ich behandle, haben die akute Phase meist hinter sich.

Fühlte mich aber bei der Frage, ob Seide für schizophrene Patienten geeignet ist, in die Zeit meiner Ausbildung zurückversetzt (mein Psychiatriepraktikum habe ich 1987 absolviert).
Auch damals wurde schon so kontrovers diskutiert.
Mein Anleiter, der aus heutiger Sicht betrachtet sehr alltagsnah und klientenzentriert gearbeitet hat, war damals ein absoluter Außenseiter.
Und gerade deshalb außerordentlich erfolgreich - er ist immer noch ein großes therapeutisches Vorbild für mich.

Ehrlich gesagt bin ich ein wenig erschüttert, daß offenbar immer noch maßnahmenorientiert behandelt wird und Patienten mit bestimmten Diagnosen bestimmte Werktechniken zugeordnet werden.

Ich kenne den von nimis zitierten Artikel und sehe es genauso wie boale70, daß es bei dieser Frage darum geht, welche therapeutische Richtung die Ergotherapie in der Psychiatrie einschlagen sollte.

Beim diesjährigen Ergokongreß gab es eine Vorstellung von bachelor-Arbeiten, die sich mit konzeptioneller Arbeit auf klienten- und betätigungsorientierter Basis beschäftigt haben.
Besonders beeindruckt haben mich zwei Vorträge :
der eines jungen Kollegen, der von seinem Versuch berichtet hat, mit Patienten einer Tagesklinik nach dem CMOP zu arbeiten und dabei zwar wenig Unterstützung in seinem Team fand, aber einhellige Begeisterung bei den Patienten. Und von unerwarteten Erfolgen der Patienten berichtete. Gut, daß er sich hat nicht beirren lassen von den "Traditionen" seiner Kollegen.

Und die Arbeit dreier junger Kolleginnen, die innerhalb eines psychiatrischen Akutkrankenhauses das Konzept der Ergotherapie neu ausgerichtet haben.
Statt "Beschäftigungsgruppen" gab es lebenspraktische Angebote, die auf das Leben "draußen" vorbereiten.
Mit Unterstützung vom Chef (der auf einer Tagung von der ICF und von Klientenzentrierung gehört hatte und wahrscheinlich auch von den Kostenträgern Auflagen zur QM bekommen hat), aber gegen Widerstände seitens der Mitarbeiter, haben die drei es mit viel Engagement geschafft, eine Ergotherapie aufzubauen, die der Bezeichnung "Therapie" alle Ehre macht.
Hut ab !

Giselaa hilft wahrscheinlich die Frage, was die Patienten eigentlich innerhalb der Ergotherpie in ihrer Einrichtung lernen wollen/sollen weiter, als die Recherche, welche "Techniken" die "richtigen" sind.

Ich frage mich wirklich, wieso eigentlich ein Bereich, der von Patienten aufgesucht wird, denen es so sehr an Struktur und Halt im Leben fehlt, daß sie psychisch krank werden, selbst so wenig durchdachte Konzepte hat. Sondern wie beim Zusammenbau eines Ikea-Möbels eine verschwiemelte Anleitung nutzt und dann merkt, daß wieder die drei entscheidenden Schrauben fehlen.

Also Leute : Lege euch die Vorträge vom Kongreß ans Herz.
Ihr werdet eure Ideen und Überzeugungen wiederfinden.

In Zeiten von QM wird sich sowieso einiges ändern. Wer da jetzt schon mitdenkt, wird es leicht mit den Veränderungen haben.
Und die Patienten werden sowieso profitieren.

Grüße von

Oetken1
Optionen:

nach oben scrollen