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Diskussionsforum

Erschöpfungszustand

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17. Juni 2013 21:37 # 1
Registriert seit: 29.05.2013
Beiträge: 56

einen wunderschönen guten abend,

ich bräuchte heute mal wieder eure hilfe oder ein paar gedankenanstöße ;) also meine patientin kam mit der diagnose erschöpfungszustand mit depressiver verstimmung zu mir (ihr psychiater schrieb ihr ergo auf, um seinen urlaub zu überbrücken... naja gut)! ich hatte sie erst eine einheit, da erzählte sie mir von ihrer völligen antriebslosigkeit, sie hat sonst 12 stunden am tag gearbeitet, ist jetzt krank zu hause und kann nichts mit dieser freien zeit anstellen. ihren stress "bewältigt" sie durch fressattacken, die sie meist nachts überkommen und die dann den ganzen kühlschrank leer futtert. sie war sonst immer sehr aktiv und auch in der ehe der aktive part, der unternehmungen plante und vorschlug, dies wünscht sie sich nun von ihrem ehemann, aber es kommt nichts von ihm (vielleicht auch, weil er denkt, sie benötigt derzeit ihre ruhe). ich habe mit ihr eine interessencheckliste gemacht, wo sehr vieles raus kam, was sie zur zeit nicht tut, aber gerne wieder aufnehmen würde, vorallem sportliche aktivitäten.

nun meine frage an euch, wie würdet ihr jetzt weiter verfahren? wir bieten in unserer praxis auch verschiedene kurse an, allerdings führen die unsere physios... ich habe mir überlegt, dass ihr solch ein kurs (aquafitness, rückenschule, nordic walking etc.) sicher gut tun würde, aber ich könnte ja erstmal mit ihr allein quasi beginnen in unserer einzeltherapie? vielleicht ihr einen einblick ins nordic walking geben, einfach mit ihr raus gehen, was "unternehmen"? ich fühle mich ein wenig unbeholfen, habe sonst kaum solche patienten in der praxis.

vielleicht könnt ihr mir ein wenig weiterhelfen, ich würde mich sehr freuen!

vielen dank schon mal
dani
17. Juni 2013 22:48 # 2
Registriert seit: 02.06.2005
Beiträge: 3215

Zitat:
ich habe mir überlegt, dass ihr solch ein kurs (aquafitness, rückenschule, nordic walking etc.) sicher gut tun würde, aber ich könnte ja erstmal mit ihr allein quasi beginnen in unserer einzeltherapie?


Hallo dani 1606,

wenn die Behandlung bei dir zeitlich sowieso begrenzt ist, dann halte ich das für eine gute Lösung.

Wie wäre es, wenn ihr alle drei Maßnahmen einmal gemeinsam ausprobiert und du deine Patientin bittest, sie nach festen Kriterien zu bewerten. Im Anschluss bewertest auch du das Ganze für dich. So wird das reale, konstruktive Bewerten "normaler". Und das grundsätzliche "Negativempfinden" vermieden.
Mögliche Kriterien: z.B. Überwindung damit anzufangen, wie leicht es fiel durchzuhalten, nach welcher ihr euch am wohlsten fühltet.
Bestenfalls kann sie sich dann mit deiner Vermittlung an eine Gruppe fest anschließen, was auf jeden Fall hilft so etwas wie eine angemessene Wochenstruktur zu behalten und die nötige Dosis körpereigene Glückshormone zu produzieren. Besser als Schokolade jedenfalls.

Je nachdem was der Hintergrund der Erkrankung deiner Patientin ist, kann sie eventuell auch Hilfe bei der Wahl der angemesssenen Intervention/Therapie gebrauchen. Insofern schadet es nicht, wenn sie sich ein bisschen vertraut mit dir macht, so dass sie im Notfall wieder bei dir aufschlagen kann.

Alles Gute wünscht

Oetken1
18. Juni 2013 00:58 # 3
Registriert seit: 17.06.2013
Bundesland: Baden-Württemberg
Beiträge: 1

Geändert am 20.06.2013 22:44:00
Hallo Dani,
ich bin zwar kein Ergotherapeut, habe aber persönliche Erfahrungen mit einem "depressivem Erschöpfungssyndrom" bzw. "Burnout", was ja keine anerkannte Krankheit (gem. ICD) ist.
Der Psychiater sollte eventuell medikamentös unterstützen, z. B. mit selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI).
Wichtig ist das Umfeld der Patientin, also die Erhebung eines psychopathologischen Befundes (berufliche Situation, Familie etc.). Menschen mit gravierenden derartigen Problemen haben meistens keine Lust sich regelmäßig aktiv zu betätigen. Aus meiner Sicht gibt es da keine schnelle Lösung. Bewegung, Coaching etc. ist ok, aber wenn sich z. B. die Arbeitsbedingungen nicht ändern, wird man die Situation kaum in Griff bekommen.
Viele Grüße

Eckhard
18. Juni 2013 08:58 # 4
saloia
saloia
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 3624

Geändert am 18.06.2013 09:07:00
hallo..

zuerst einmal finde ich es nicht "naja-gut", sondern sogar sehr gut, wenn der psychiater die klientin die klientin bei dir "versorgt", während er in urlaub ist..
dann machen mich folgende dinge hellhörig: 12 stunden gearbeitet/ immer sehr aktiv/ immer der aktive part/ fressattacken..
es gibt einen zusammenhang zwischen dauer-machern, erschöpfungsdepression/burnout, binge eating und -----> ADHS
aber das nur am rande, und evtl mal (im hintergrund) genauer nachspüren?

für derart strukturierte menschen ist es tatsächlich enormer stress, dann plötzlich nichts tun zu dürfen/sollen.
es geht ja darum, plötzlich "auf sich selbst zurückgeworfen" zu sein, nicht mehr mit action/arbeit kompensieren zu können....und plötzlich tut sich ein riesenloch auf (das u.a. evtl mit essen gestopft wird)
das die klientin interessen hat und angeben kann, ist gut. das ist schon viel für jemanden in einer depression.
oft aber spüren solche klienten gar nicht mehr, was ihnen(außer daueraction) tatsächlich gut tut, spüren die "leisen töne" gar nicht mehr, und sind, was sie selbst angeht, ausgesprochen "unaufmerksam"...
die antriebslosigkeit ist bei depression ja typisch, m.e. sollte die auch ruhig mal (im begrenzten zeitraum!!!!) "ausgehalten" werden--- die klientin IST erschöpft, ist lange über ihre grenzen gegangen- der körper und die seele holen sich, was sie brauchen und das ist RUHE... nur in der ruhe kann die klientin lernen, sich wieder zu spüren und "zuzuhören"...
diese antriebslosigkeit ist oft das, was "daueraktive" menschen am allerschwersten akzeptieren können- weil sie überhaupt nicht mehr wissen, das es ok ist, mal nichts zu tun und nichts zu "schaffen"...--->leistungsgedanke

ich weiß nicht, ob ich versuchen würde, da sofort mit neuen "aktivitäten" einzugreifen.
sondern mit der klientin eruieren, was es an "kleinen" dingen gibt, die ihr spaß, ruhe und entspannung bringen.... ein bad, endlich mal wieder lesen, marmelade kochen, blumen pflanzen, spazierengehen (=raus und bewegung, aber bewusst kein "sport") uswusf...
aushalten von nichtstun, akzeptieren, einfach mal wieder "löcher in die luft zu gucken", entspannungstechniken ..

ich würde wohl mit ihr sachen machen, bei denen sie sich nicht "nach außen verlagern" (i.S.v. "action") kann, sondern ganz bewusst bei sich bleiben muss: handwerkliches zb, was geduld, ruhe erfordert und evtl auch laaaaaaaaaaaangwierig ist..
ganz bewusst etwas, was nicht "schnell geht"...(seidentuch mit klitzekleinen mustern zb-- eine echte herausforderung für "schnelle action-menschen")

weiterhin klären: wo genau sind die haken, was muss sich ändern, damit es ihr besser geht, wo sind handlungsmöglichkeiten für sie selbst, um "gesündere" voraussetzungen im (arbeits-)alltag zu schaffen, wie kann sie pausen einplanen und durchziehen, wo kann und darf sie auch mal "nein" sagen (sagt sie auch mal "nein"?), wo sich entlasten und abgeben? ("abgeben" scheint mir auch ein wichtiges stichwort, wenn ich ihre rolle in der partnerschaft lese- und btw: das der mann seine gewohnte rolle von "passiv zu aktiv" nicht von jetzt auf gleich ändern kann, scheint mir logisch und weniger mit rücksichtnahme zu tun zu haben. der denkt wahrscheinlich eher "huch, plötzlich "darf/soll" ich?)

das sport ein gutes mittel ist, ist unbenommen. aber alles zu seiner zeit....



19. Juni 2013 08:28 # 5
Registriert seit: 29.05.2013
Beiträge: 56

ich danke euch vielmals für die vielen hilfreichen beiträge!!! also ich hab sie heute wieder in der therapie und werde erst einmal langsam beginnen, vielleicht raus gehen, eine runde spazieren und mit ihr gemeinsam versuchen raus zu finden, was ihr gut tut, wie sie erst einmal kleine zeiten überbrücken kann... was du schreibst saloia klingt alles sehr sehr gut durchdacht und interessant, auch dass es da vielleicht einen zusammenhang mit adhs geben könnte.

Zitat / saloia hat geschrieben:
zuerst einmal finde ich es nicht "naja-gut", sondern sogar sehr gut, wenn der psychiater die klientin die klientin bei dir "versorgt", während er in urlaub ist..


ich finde es auch gut, dass sie in der zwischenzeit ein ergo- rezept bekommen hat, ich meinte das eher so, dass ich es schade finde, dass die ärzte nur in ihrem urlaub ein rezept ausschreiben und dann ist höchstwahrscheinlich wieder gut!

an handwerkliche, geduldsfordernde dinge hatte ich auch schon gedacht, aber sie mag leider keinerlei handwerkliche/ kreative dinge tun... fällt euch da evtl. noch eine andere möglichkeit ein, die ihre geduld und ausdauer fördert außer handwerkliches?

die vorgeschlagenen entspannungstechniken finde ich auch sehr gut, ich hatte mir ihr bereits darüber gesprochen, da meinte sie leider, sie habe im moment zuhause genug entspannung, das wolle sie hier nicht auch noch machen.

ich wünsche euch einen schönen sonnigen tag und freue mich schon auf eventuelle antworten! vielen dank für eure hilfe!

dani
19. Juni 2013 11:43 # 6
Registriert seit: 06.05.2008
Beiträge: 1188

Wenn jemand total antriebslos ist denke ich nicht das es schon etwas bringt ihm neue Hobbys anzubieten.
Eher wäre es wichtig eine Tagesstruktur zu erarbeiten. Dann Alltagstätigkeiten erarbeiten und evtl. einen Wochenplan machen. Oft ist das erlernen einer Entspannungstechnik sehr gut .
Evtl als Ziel eine Aussenaktivität am Tag machen. ( Spazieren gehen, zum Briefkasten, Einkaufen usw)
Viele dieser Pat. schlafen sehr schlecht. Da kannst auch mal ansetzen.
19. Juni 2013 21:30 # 7
Registriert seit: 29.05.2013
Beiträge: 56

Also gerade solche dinge wie haushaltsarbeiten macht meine patientin problemlos, sie sagt, das macht sie gern und dazu kann sie sich ohne probleme aufraffen. sie war heute sehr gut drauf, wir waren gemeinsam spazieren und sie hat einfach sehr viel geredet und meinte auch, unser letztes gespräch hat ihr sehr gut getan, sie ist nach hause gegangen und hatte die gedanken, dass es so nicht weiter gehen kann! sie ist auch schon fahrrad gefahren an 2 tagen, aber eider dabei gestürzt und hat nun eine wunde am knie.

zu allem übel noch hinzu kam die kündigung von ihrem arbeitgeber ins haus geflattert, wo sie seit 32 jahren arbeitet und wie gesagt sich quasi aufgeopfert hat für ihre arbeit, natürlich hat sie sofort den anwalt eingeschaltet, weil die kündigung aufgrund des krankenscheines kam und das ja nicht rechtens ist. aber sie sagte auch, dass sie bereits für sich entschieden hat, dass sie nicht mehr dort arbeiten will/ kann, auch wenn es ihr weh tut, das vertrauen ist einfach weg...

vielen dank für eure hilfen und einen schönen abend ;)
dani
19. Juni 2013 21:54 # 8
Registriert seit: 06.05.2008
Beiträge: 1188

Naja das würde ich dann nicht völlige Antrieblosigkeit, Erschöpfung usw. nennen. Aber schön wenn es ihr besser geht.
19. Juni 2013 22:35 # 9
Registriert seit: 29.05.2013
Beiträge: 56

sie kam eben mit der diagnose antriebslosigkeit und depressiver verstimmung zu mir, aber völlig antriebslos ist sie nicht und ich denke, sie kann sich aufraffen, wenn sie dran bleibt, ich hoffe es und ich hoffe auch, dass ich ihr dabei ein wenig helfen kann.

vielen dank ;)
2. Juli 2013 21:19 # 10
Registriert seit: 29.05.2013
Beiträge: 56

ihr lieben, ich wollte euch nur über meine patientin auf dem laufenden halten und hoffe auf ein paar antworten, vielleicht ratschläge ;)

also mittlerweile nimmt meine patientin gemeinsam mit ihrer tochter an der rückenschule und dem aquarider- kurs, die wir beide in der praxis anbieten teil... ich freue mich sehr, dass sie anscheinend ihren antrieb zurück gefunden hat, ihr körper hat wahrscheinlich einfach nur eine kurze "ruhephase" gebraucht und auch eingelegt, denn mittlerweile verbringt sie ihren tagesablauf wieder sinnvoll. leider bekam sie den nächsten schlag wie ich bereits geschrieben hatte, indem ihr arbeitgeber sie kündigte... naja sie berichtet mir, dass ihre "fressattacken", die anfangs nur nachts waren nun auch ihren tag bestimmen, sie wartet bis ihr mann auf arbeit ist und dann futtert sie sich durch den kühlschrank, sie weiß dabei, dass das verhalten falsch ist, kann aber nichts dagegen tun und fühlt sich erst nach dem futtern psychisch besser, physisch natürlich nicht.

ehrlich gesagt weiß ich gerade nicht so richtig, damit umzugehen bzw. ihr bei diesem problem helfen zu können? ich denke, sie benötigt psychiatrische hilfe, aber ihre vertrauensperson befindet sie leider noch im urlaub! habt ihr ideen, wie ich in der therapie vorgehen könnte? die letzten paar mal hat ihr es einfach gut getan, wenn einfach nur jemand da war, der ihr zuhörte...

ich danke euch schon jetzt und wünsche einen schönen abend!
3. Juli 2013 09:32 # 11
chipchap
chipchap
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1334

Mhm.. die Aussicht bald noch mehr Zeit zu haben, ist jetzt eher kontraproduktiv für die Patientin.
Ihr Anwalt wird bestimmt eine Kündigungsschutzklage erheben, die i.d.R. mit einer Abfindung endet.
Das bedeutet aber, daß die Patientin dann keinen Job mehr hat..
Ich denke, ich würde den Schwerpunkt darauf legen:
1. die begonnenen sportlichen Aktivitäten fortzuführen
2. evtl. sportliche Aktivitäten in einem Sportverein fortzuführen, allein schon um evtl. eine Teamsportart zu machen, neue Menschen kennezulernen, Zeit in der Vereinsarbeit zu verbringen
3. ihr weiter Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, damit die Pat. alles "loswerden" kann
4. die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe für psychisch Kranke anzuregen
5. bereits jetzt mit der Planung zu beginnen, wo sie sich bewerben möchte, bzw. welche Arbeitsstelle sie sich in Zukunft vorstellen kann, bzw. ob sie sich beruflich verändern will / sich weiterbilden will..
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