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Lehrer mit psychiatrischen Diagnosen

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11. Dezember 2013 21:20 # 1
Registriert seit: 24.07.2010
Bundesland: Baden-Württemberg
Beiträge: 4

Hallo liebe Ergos,

ich habe mal eine Frage in persönlicher Sache, vielleicht kennt sich ja jemand damit aus oder hatte schonmal Patienten, denen es ähnlich ging? Eine gute Freundin von mir hat massive psychische Probleme, möchte sich aber nicht in psychiatrische Behandlung begeben, weil sie angehende Lehrerin ist und Angst hat, mit einer psychiatrischen Diagnose schlechtere Jobchancen zu haben. Sie hat gehört, dass man, wenn man verbeamtet werden möchte, solche Erkrankungen angeben muss und meint dass sie dann dadurch benachteiligt wird. Weiß jemand was dazu?

Vielen Dank schonmal und einen schönen Abend noch!
11. Dezember 2013 21:43 # 2
Registriert seit: 05.10.2011
Bundesland: Hamburg
Beiträge: 706

Ja, leider ist mir so ein Verfahren auch bekannt.

Ggf. vorher anwaltliche Beratung aufsuchen, um nicht dauerhaft
Nachteile zu haben.
ergoSystemisch - Systemisches Arbeiten in der Ergotherapie

Informationen gibt es hier: https://www.ergoSystemisch.de
12. Dezember 2013 00:16 # 3
Registriert seit: 03.07.2007
Beiträge: 490

Hallo,

Ist es schon diagnostiziert, dass sie "massive psychische Probleme" hat?
- Fast alle die Ref machen drehen psychisch durch. Kenne jedenfalls wenige angehende Lehrer die das Ref "easy" fanden und ein normales Leben führen konnten während der Zeit.
- Hilfe haben sich viele geholt: Unterstützung von älteren Lehrern, Supervision (privat bezahlt), Psychologen (privat bezahlt)
- In der Psychiatrie hab ich mal gezählt und es waren enorm viele Lehrer... doch ich bezweifel, dass das derzeitige Gesundheitssystem und wir Therapeuten die Kapazitäten oder Möglichkeiten haben diesem Berufsstand wirklich zu helfen.

lg Ceilidh
12. Dezember 2013 00:20 # 4
Registriert seit: 20.05.2007
Bundesland: Schleswig-Holstein
Beiträge: 722

Hallo Andi87,

bei der amtsärztlichen Untersuchung geht es ja um eine Prognose. Eine psychische Erkrankung, die erfolgreich behandelt wurde und deren Behandlung abgeschlossen ist, ist daher nicht zwangsläufig ein Ausschlusskriterium. Schwierig wird es bei zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht abgeschlossener Behandlung sowie bei Krankheitsbildern, die häufig chronisch bzw. rezidivierend verlaufen.

Im Hinblick auf die Selbstfürsorge ist es natürlich wichtig, dass sich deine Freundin in Behandlung begibt. Ihre Gesundheit ist nunmal wichtiger als die Verbeamtung. Einige Tipps hierzu:

Sollte sie sich dazu entscheiden, sich vor der anstehenden Verbeamtung in Behandlung zu begeben, sollte sie bei der späteren amtsärztlichen Untersuchung/Befragung dahingehend nicht lügen. Der Amtsarzt kann eine Schweigepflichtsentbindung erbitten. Wenn dann (oder später durch andere Umstände) herauskommt, dass sie gelogen hat, kann ihr die Verbeamtung abgesprochen werden. Selbstverständlich kann die Schweigepflichtsentbindung auch verweigert werden, dann ist allerdings auch keine Verbeamtung möglich.

Sollte die Verbeamtung in absehbarer Zukunft erfolgen und ist die Erkrankung nicht akut behandlungsbedürftig kann die Behandlung bis zu einem Zeitpunkt nach der Verbeamtung aufgeschoben werden. Ich persönlich finde das allerdings nur dann moralisch vertretbar, wenn eine realistische "Heilungs"chance besteht (geht finanziell sonst schließlich zu unserer aller Lasten) und die Krankheit natürlich auch keinen (negativen) Einfluss auf die Arbeit als Lehrkraft bzw. auf die Schüler hat.

Kurzfristig und/oder zur Überbrückung bis zur Verbeamtung können auch andere Hilfen in Anspruch genommen werden, zum Beispiel Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Coachings usw. Diese tauchen nicht in den Unterlagen der Krankenversicherung auf.

Eine weitere Möglichkeit ist es, privat Geld zu investieren und psychotherapeutische Sitzungen und/oder Coachings aus eigener Tasche zu bezahlen.

Viele Grüße! Kinaa
Nicht alles, was Hand und Fuß hat, hat auch Herz und Hirn.
12. Dezember 2013 09:35 # 5
saloia
saloia
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 3624

meines wissens wird doch sowieso nur noch ein bruchteil der lehrer verbeamtet..
da gibt es dann tatsächlich probleme mit einer psych. diagnose.

ist es diese (eventuelle!) "chance, zu diesem bruchteil zu gehören" dann wert, seine gesundheit so hintenan zu stellen??
die privatzahlermöglichkeiten bestehen natürlich, zu den genannten evtl auch eine heilpraktische behandlung.

noch ein ganz pragmatischer hinweis: wenn deine bekannte/freundin noch keine BU versicherung hat, würde ich die unbedingt abschließen, bevor erste Schritte in Richtung "psych.Behandlung" unternommen werden.
12. Dezember 2013 21:00 # 6
Registriert seit: 24.07.2010
Bundesland: Baden-Württemberg
Beiträge: 4

Vielen Dank erstmal für eure Antworten und eure hilfreichen Tipps! Das werde ich auf jeden Fall schonmal so weiter geben.

Zitat / Ceilidh hat geschrieben:
Ist es schon diagnostiziert, dass sie "massive psychische Probleme" hat?

Es ist noch nichts diagnostiziert, weil sie ja aus den beschriebenen Gründen nicht zum Arzt geht.

Zitat / Ceilidh hat geschrieben:
- Fast alle die Ref machen drehen psychisch durch. Kenne jedenfalls wenige angehende Lehrer die das Ref "easy" fanden und ein normales Leben führen konnten während der Zeit.

Die Probleme bestehen schon viel länger als das Studium. Klar sind das Studium und die Prüfungen nicht easy und das kommt wahrscheinlich auch noch dazu, aber die auslösenden Faktoren liegen auf jeden Fall nicht da.

Zitat / Kinaa hat geschrieben:
Eine weitere Möglichkeit ist es, privat Geld zu investieren und psychotherapeutische Sitzungen und/oder Coachings aus eigener Tasche zu bezahlen.

Ja, an Coaching oder etwas in dieser Richtung habe ich auch schon gedacht, aber für einen Studenten ist es leider ziemlich schwierig so etwas zu finanzieren.
16. Januar 2014 11:43 # 7
Registriert seit: 27.09.2005
Bundesland: Brandenburg
Beiträge: 65

Wenn jetzt schon psychiatrische Probleme in welcher Form auch immer vorliegen dann stellt sich für mich die Frage ob der Beruf des Lehrers dann der richtige ist. Ich weiß, dass klingt böse und ketzerisch aber wo bleibt die Selbstfürsorge in diesem Fall? Wie sieht es dann am Ende aus wenn nach dem ersten Schuljahr ein unterrichten aus gesundheitlicher Sicht nicht mehr möglich ist?
Alle haben gesagt, dass geht nicht. Dann kam einer der wusste das nicht und hat es gemacht.
16. Januar 2014 17:10 # 8
Registriert seit: 12.11.2009
Beiträge: 94

Geändert am 16.01.2014 17:11:00
Zitat / sming hat geschrieben:
Wenn jetzt schon psychiatrische Probleme in welcher Form auch immer vorliegen dann stellt sich für mich die Frage ob der Beruf des Lehrers dann der richtige ist. Ich weiß, dass klingt böse und ketzerisch aber wo bleibt die Selbstfürsorge in diesem Fall? Wie sieht es dann am Ende aus wenn nach dem ersten Schuljahr ein unterrichten aus gesundheitlicher Sicht nicht mehr möglich ist?


Mhm, sollten gerade WIR nicht davon ausgehen, dass eine "psychiatrische Diagnose" an sich noch lange kein Hinderungsgrund sein muss, um aktiv und selbstbestimmt am Leben teilzuhaben? Dazu gehört eben auch die freie Berufswahl...
Übrigens: Auch psychiatrische Diagnosen können vorübergehen... ::tongue::

Vielleicht hast Du Recht und der Beruf wäre in diesem Fall wirklich zuviel, aber das müsste man individuell mit der Dame besprechen und sollte dazu keine Aussagen aus der Ferne wagen - so gehen wir bei unseren Klienten doch auch nicht vor, gelle? ::wink::
„Handeln, das ist, wozu wir da sind.“
Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), dt. Philosoph d. Idealismus
16. Januar 2014 20:57 # 9
Registriert seit: 05.10.2011
Bundesland: Hamburg
Beiträge: 706

Zitat / lenina hat geschrieben:
„Handeln, das ist, wozu wir da sind.“
Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), dt. Philosoph d. Idealismus


1/2 offtopic:
Das ist mal eine richtige schöne Signatur - spricht mir aus der Seele!
ergoSystemisch - Systemisches Arbeiten in der Ergotherapie

Informationen gibt es hier: https://www.ergoSystemisch.de
17. Januar 2014 11:53 # 10
Registriert seit: 22.06.2009
Beiträge: 130

Hallo,
tatsächlich ist ein Verschweigen mancher Erkrankungen kurzfristig eindeutig besser für die Betroffenen. Ein Spielsüchtiger, der eine Banklehre machen möchte, wird seine Sucht nicht gern zugeben. Ein Drogenabhängiger wird seine Sucht nicht freimütig zugeben, wenn er Ergotherapeut werden möchte. Ein Pädophiler wird sich sicher nicht outen, wenn er Pfarrer werden möchte. Usw. usw. Die freie Berufswahl wird in solchen Fällen zu Recht eingeschränkt, wenn diese Sachverhalte bekannt werden. Die Risiken für die Allgemeinheit sind einfach zu groß. Ein Mensch mit Depressionen wird dies verschweigen wollen, wenn er verbeamtet werden will. Auch für den Status als Beamter gibt es erheblich umfangreiche Vorschriften. Diejenigen, die Jedem um jeden Preis eine Chance geben wollen, selbst wenn erhebliche Zweifel an der persönlichen Eignung bestehen, jammern dann später, wenn die eigenen Kinder (im Falle von kranken Lehrern) unter den krankheitsbedingten Einschränkungen leiden müssen. Der Beruf des Lehrers ist etwas anderes als z.B. der eines Maschinenbedieners. Waghalsige Experimente betreffen dann schließlich heranwachsende menschliche Wesen. Therapeut sein heißt nicht, mit allen Individuen Mitgefühl oder gar Mitleid derart zu entwickeln, dass die Vernunft auf der Strecke bleibt.
17. Januar 2014 12:16 # 11
Registriert seit: 11.07.2003
Beiträge: 326

Hallo Andi87,

viele Hochschulen bieten für ihre Studierenden kostenlose und vertrauliche Hilfe, in Form von Beratung und Coaching an, z.B. Psycho-Soziale Beratung, psychologische Beratung. Hat deine Freundin sich schon bei ihrer Hochschule diesbezüglich informiert? Gespräche mit Sozialarbeitern oder Psychologen sind sicherlich in vielen Situationen hilfreich. Da es sich so anhört, als sei deine Freundin trotz der psychischen Probleme fähig ihr Studium mit Erfolg abzuschließen, denke ich, dass die in Anspruchnahme einer solchen Beratung ein sinnvoller erster Schritt wäre. Ähnliche Angebote gibt es auch von anderen Trägern, z.B. AWO.

Viele Grüße!
17. Januar 2014 21:57 # 12
Registriert seit: 24.07.2010
Bundesland: Baden-Württemberg
Beiträge: 4

Vielen Dank für eure Antworten.
Zitat / *Erna* hat geschrieben:
viele Hochschulen bieten für ihre Studierenden kostenlose und vertrauliche Hilfe, in Form von Beratung und Coaching an, z.B. Psycho-Soziale Beratung, psychologische Beratung. Hat deine Freundin sich schon bei ihrer Hochschule diesbezüglich informiert? Gespräche mit Sozialarbeitern oder Psychologen sind sicherlich in vielen Situationen hilfreich.

Das mit der Beratung und Coaching direkt an der Hochschule ist ein guter Tipp. Werde ich auf jeden Fall mal weiter geben. Bei einer Beratungsstelle (ich glaube es war von der Caritas) war sie schonmal, aber so wie sich das für mich anhörte, waren die da etwas "überfordert".

Zitat / *Erna* hat geschrieben:
Da es sich so anhört, als sei deine Freundin trotz der psychischen Probleme fähig ihr Studium mit Erfolg abzuschließen, denke ich, dass die in Anspruchnahme einer solchen Beratung ein sinnvoller erster Schritt wäre.

Ja, sie hat ihr Examen super abgeschlossen und hat jetzt mit der Promotion begonnen. Die nächsten Jahre wird sie also erstmal nicht in der Schule unterrichten und dann mal sehen...
18. Januar 2014 07:54 # 13
Registriert seit: 20.05.2007
Bundesland: Schleswig-Holstein
Beiträge: 722

@30827: Es geht dabei eigentlich nicht um ein "waghalsige Experimente", die "heranwachsende menschliche Wesen" betreffen. Die meisten psychisch erkrankten Personen sind ja eher nicht gemeingefährlich ;) Ein Lehrer kann auch ohne Beamtenstatus als solcher arbeiten, er wird deshalb noch lange nicht von der Ausübung des Lehrberufs ausgeschlossen, daher ist das Argument im Grunde hinfällig.

Bei der Frage nach der Verbeamtung geht es um Geld. Ein Beamter, der wegen Dienstunfähigkeit verfrüht ausscheidet, kann teuer werden. Richtig absehbar ist das natürlich nie, wer weiß schon, was noch kommen wird? Aber es soll zum Zeitpunkt der Verbeamtung eben eine gute Prognose bestehen, dass der Anwärter den Belastungen seines Berufes noch bis zum vorgesehenen Zeitpunkt des Renteneintritts gewachsen ist. Bei psychischen Erkrankungen gehen einige Amtsärzte von verminderter Belastbarkeit aus und/oder (wenn die Behandlung erfolgreich abgeschlossen wurde) von der Gefahr eines erneuten Ausbruches der Erkrankung. Leider liegt die Entscheidung in erheblichem Maße im Ermessen der Untersuchenden - und die haben recht unterschiedliche Sichtweisen auf psychische Erkrankungen/Behandlungen.

Viele Grüße! Kinaa
Nicht alles, was Hand und Fuß hat, hat auch Herz und Hirn.
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