Hallo silky82,
wie lang ist die Verweildauer? In der Entgiftung wird sie ja vergleichsweise eher kurz sein, was deine Handlungsmöglichkeiten von vornherein einschränkt.
Wie ist das Konzept in der anschließenden Entwöhnungsbehandlung? Deines wäre, wenn ich das richtig verstanden habe, darauf abzustimmen, damit sinnvoll angeknüpft werden kann. Gibt es eine Übergabemöglichkeit, wenn ein Patient in die Entwöhnung wechselt oder wird dein Angebot isoliert für sich stehen?
Welches sind die Rahmenbedingungen? Welche Räumlichkeiten, Materialien und Ausstattung stehen dir zur Verfügung, welcher zeitliche Rahmen? Welche Sozialform ist vorgesehen? Hat dein Arbeitgeber bestimmte Ansprüche/Vorstellungen von deiner Arbeit in der Entgiftung?
Wie sieht das Angebot für diese Klientel bisher aus? Was wird bereits durch andere Berufsgruppen abgedeckt?
Wenn möglich, würde ich zunächst bei den Kollegen in der Entwöhnung hospitieren und den Austausch mit ihnen suchen, um mir ein Bild zu machen.
Ich würde mein Konzept auf zwei Schwerpunkten aufbauen, die sich auch ganz gut miteinander verbinden lassen:
Ablenkung/BeschäftigungEine Entgiftung ist mit Leid und Schmerzen verbunden, außerdem sind viele Patienten aufgrund der Ereignisse, die letztendlich zur Entgiftung geführt haben (meist persönliche "Dramen" wie körperlicher und/oder psychischer Zusammenbruch, belastende Szenerien in der Familie oder bei der Arbeit etc.) noch aufgewühlt und instabil. Zunächst geht es darum, die Entgiftung zu überstehen, durchzuhalten. Dabei kann Beschäftigung und Ablenkung helfen. Therapie im Sinne der Bearbeitung tiefgründiger Themen ist zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Verfassung der Patienten oft noch nicht umsetzbar und wird auch durch die kurze Verweildauer erschwert.
Bei der Wahl der Maßnahmen ist die Gesamtkonstitution der Patienten zu berücksichtigen. Viele leiden unter Schmerzen, Schlafstörungen sowie eingeschränkter kognitiver und körperlicher Leistungsfähigkeit, das Durchhaltevermögen kann dementsprechend gemindert sein. Hinzu kommt oft Gereiztheit und Ungeduld, ich würde daher auf Angebote mit geringem Frustrationspotential zurückgreifen.
JA sagenIn der Suchttherapie wird sich viel mit dem Thema "Nein sagen" befasst. Meiner Erfahrung nach ist das häufig nicht die "Baustelle", um die es eigentlich geht. Viel mehr als um das Nein-Sagen zur Droge geht es um das JA-Sagen zu etwas anderem, das dem Patienten wichtig ist und das er nicht haben kann, solange er weiterhin konsumiert. Anders ausgedrückt: Es geht darum, positive Motivatoren zu finden, sich nicht nur damit zu beschäftigen, was der Patient
nichtwill, sondern auch damit, was er denn statt dessen möchte.
Ausdruckszentrierung bietet sich an, um den Blick auf Positives zu lenken, z.B. Bilder, Collagen oder Texte unter der Fragestellung "Was bereitet mir Freude?" oder "Wenn das Leben ein Wunschkonzert wäre,..." zu gestalten. Dabei ist allerdings Fingerspitzengefühl gefragt. Es gibt manchmal Patienten, denen in ihrer momentanen Lebenssituation nichts einfällt, was ihnen Freude bereitet oder die unter Depressionen leiden und denen es schwer fällt, einen positiven Blickwinkel einzunehmen. Bei diesen Patienten kann die Stimmung dann schnell umschlagen, es können Gefühle wie Trauer, Reue, Aggression entstehen, sodass der Schuss nach hinten losgeht.
Für diese Patienten kann all das sinnvoll sein, was "bodenständig" ist, was sie ein Stück weit im "echten Leben" verankert, also diverse AdL wie gemeinsame kleine (Verweildauer!) Projekte, gemeinsame Gestaltung von Räumlichkeiten der Station, Übernahme von "Diensten" (Tische ein- und abdecken, Verwaltung der stationseigenen Bibliothek, falls es so etwas bei euch gibt, Reinigungstätigkeiten, Übername sonstiger Verantwortungsbereiche) oder auch so etwas wie Kräuterzucht o.ä., kurz: Sinnstiftende Aufgaben/Tätigkeiten. Allen voran gemeinsames Kochen und Backen inklusive des anschließenden Genusses (essen und trinken ist wie atmen unmittelbar mit dem Leben an sich verknüpft). Auch Spaziergänge, Aufenthalte in der Natur - wenn möglich - können förderlich sein ("back to the roots" ;) ).
Dazu kommen alle leichten, unbeschwerten und zwanglosen Aktivitäten infrage, die versprechen, Freude zu bereiten, Spaß zu machen. Erlaubt ist, was gut tut z.B. lebhafte Spiele und Gruppenaktivitäten, wenn dir so etwas liegt, auch mit erlebnispädagogischen Elementen zur Erzeugung positiver Emotionen und die Wiederentdeckung von Lebensfreude/-bejahung. Die Gemeinschaft, das Erlebnis, Teil einer Gruppe zu sein, ist dabei ein bedeutsamer Faktor.
Wichtig ist m.E. auch, wie der Therapeut dies alles vermittelt. In einer so schwierigen Lebenssituation erscheint den Patienten ein "gnadenlos optimistisches Gegenüber" leicht reichlich naiv, sodass man mit so einer solchen Haltung eher Abwehr hervorruft. Also bei aller Fokussierung auf das Positive: Lieber eine empathische Haltung, die auch negative Emotionen, Stimmungen und Gedanken zulassen und anerkennen kann in Kombination mit authentischem Auftreten statt krampfhaft fröhlichem und demonstrativ optimistischem Verhalten. "Echtheit" ist hier - wie so oft - das Stichwort.
Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Anregungen geben. Viel Spaß, viel Erfolg und viele Grüße! Kinaa
Nicht alles, was Hand und Fuß hat, hat auch Herz und Hirn.