Hallo AnnaLind,
ich finde zunächst viel eher die Dynamik interessant
Darauf würde ich an deiner Stelle mein Augenmerk richten, bevor ich mit irgendwelchen Beschäftigungsideen aufwarte.
Zitat:Ich habe nun die Aufgabe, etwas zu finden, womit der Patient sich ablenken kann.
Wer hat dir denn diese Aufgabe gegeben? Der Patient doch eher nicht, oder? Ich finde die Aufgabe an sich schon verkehrt. Es kann nicht Aufgabe des Ergotherapeuten sein, Ablenkungsideen zu finden, sondern höchstens den Patienten dabei zu unterstützen,
selbst welche zu finden oder sie schließlich trotz Beeinträchtigung umsetzen zu können.
Zitat:Meiner Meinung nach, kann er auch noch mehr, als er zur Zeit angibt, scheint einen gewissen Krankheitsgewinn zu haben, da ihm seinen Mitpat. immer direkt helfen und ihm alle "unangenehmen" Aufgaben annehmen.
Scheint gut zu funktionieren, du machst schließlich nichts anderes als die Mitpatienten
Wenn in der Depressionssymptomatik seine einzige Einschränkung besteht (also nicht noch Beeinträchtigungen durch z.B. Demenz hinzukommen), dann wird er
im Prinzip sein Leben selbst führen und gestalten können (oder wie ist er sonst die letzten 70 Jahre durchs Leben gekommen?), nur sind diese Fähigkeiten u.U. momentan "verschüttet". Hier würde ich viel eher einen Ansatz für die Ergotherapie sehen: "Größtmögliche Selbständigkeit", "Hilfe zur Selbsthilfe" etc. sind doch Begriffe, mit denen die "Ergo-Welt" nur allzu gern um sich wirft. Wieso nicht auch mal diese Ansätze wirklich leben?
Zitat:Bei Nachfrage, was ihn interessiert, oder was er früher gerne gemacht hat, gibt er immer nur an, es gäbe da nichts.
Da gibt es mehrere Möglichkeiten: Entweder war er wirklich auch schon vor seiner Erkrankung ein eher "interessenloser Typ", sowas gibt's. Vielleicht hat er auch "keinen Bock" auf Ergotherapie und immunisiert sich über seine Antworten gegen die Behandlung, auch möglich. Kann auch manipulatives Verhalten sein und funktioniert ja auch wunderbar: Er zeigt sich ablehnend, woraufhin du deine Bemühungen verstärkst (dir Gedanken über Beschäftigungsmöglichkeiten machst, hier anfragst usw.), während er immer noch seelenruhig dasitzt. Es kann sich lohnen, sich ab und an mal die Frage zu stellen,
wessen Anliegen das alles überhaupt ist (das des Patienten oder deines? Ich vermute gerade, eher deines...), bevor man in eine m.E. eher ungünstige "Dienstleistermentalität" verfällt.
Oder - bei Depressionen nicht unüblich - er kann es im Moment wirklich nicht benennen. Wer tief in der Depression steckt, kann i.d.R. keinen Sinn in Beschäftigungen, Hobbys, Freizeit finden. Sie erscheinen banal, sinnlos, uninteressant. Er schafft es ja u.U. kaum, die alltäglichen Notwendigkeiten zu bewältigen. Ein "bodenständiger" Ansatz kann hier hilfreich sein: In AdL wie waschen, anziehen, Speisenzubereitung, aufräumen, putzen, Tagesstrukturierung etc. lässt sich viel leichter ein Sinn finden (sie tragen ihn in sich selbst) als darin, irgendwelche Geschichten auf CD anzuhören. Und selbst, wenn kein Sinn erkannt wird: Es ist eben
notwendig, je nach Lebenskontext des Patienten mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Oder - um mit den Worten eines von mir sehr geschätzten Arztes zu sprechen: "Häää?! Es geht doch gar nicht darum, ob Ihnen das
Spaß macht oder Sie
Bock darauf haben. Es geht darum, dass Sie es
tun."
Manchmal, wenn jemand tief in der Depression steckt, ist das wirklich (zunächst) die beste Vorgehensweise. Von einem schwer Depressiven zu erwarten, dass er "mit Freude und Schwung" an irgendwelche Aufgaben oder gar Freizeitbeschäftigungen geht, ist oft zu viel verlangt. Am Anfang geht es häufig darum, überhaupt in die Aktivität zu kommen.
Eine weitere Frage ist die nach dem Ziel der Behandlung: Wird er nach Hause entlassen oder in ein Heim? Wie sehen die Kontextfaktoren (Teilhabehemmnisse, Ressourcen/Förderfaktoren) dort aus?
Viele Grüße! Kinaa
Nicht alles, was Hand und Fuß hat, hat auch Herz und Hirn.