Hallo Lisa,
solche Schwierigkeiten können entstehen, wenn man mit theoretischen Konstrukten hantiert. Wenn darüber gesprochen wird, dann wird i.d.R. so getan, als wüsste jeder, worum es sich bei dem Begriff "Konzentration" handelt (oder man ist sogar ernsthaft davon überzeugt, wir würden tatsächlich alle dasselbe mit diesem Begriff meinen). Letztendlich gibt es "die Konzentration" aber überhaupt nicht, es ist eine Frage der Definition, und die muss erst mal klar sein. Nicht allgemein gültig, sondern zwischen dir und dem Patienten.
Deshalb reichen mir Aussagen wie "Ich kann mich nicht so gut konzentrieren" nicht. Da werde ich hellhörig, will wissen, worin denn dieser (subjektive) Mangel an Konzentration besteht. Wie äußert er sich? Wie sieht es aus, wenn der Patient sich "nicht konzentrieren" kann? Was hält ihn davon ab, seine Aufmerksamkeit zu fokussieren (Gedanken? Lautstärke am Arbeitsplatz? Kollegen? Unterbrechungen durch z.B. Telefonanrufe? Visuelle Reize? Schwierigkeiten, Prioritäten sinnvoll zu setzen? Unklare Arbeitsorganisation/Strukturen? Motorische Unruhe? Ängste oder Sorgen? Schmerzen? Müdigkeit? Suchtdruck? Oder...oder...oder...)?
Bevor ich das nicht weiß, ist völlig unklar, wo ich ansetzen soll. Erst, wenn alle offenen Fragen geklärt sind und der Patient und ich uns einig sind, worüber wir überhaupt reden, können wir einen "Schlachtplan" entwickeln und der sieht je nach Ursache der Konzentrationsstörungen ganz unterschiedlich aus.
Manchmal kann so die Lösung ganz einfach sein. Ich hatte mal einen Patienten, dem immer Gedanken kamen, Dinge, die er auf keinen Fall vergessen wollte, irgendetwas, was noch zu erledigen war o.ä. Gemeinsam entwickelten wir den Plan, dass er sich ein Notizbüchlein anschaffte, das er am Arbeitsplatz deponierte. Immer, wenn ihm etwas (vermeintlich) wichtiges einfiel, schrieb er es sich kurz stichpunktartig auf. So musste er sich gedanklich erst mal nicht mehr damit befassen, konnte sich seiner Arbeit zuwenden in dem Wissen, dass der Gedanke nicht verloren gehen würde und er später darauf zurück kommen konnte, ohne permanent daran denken zu müssen.
Manchmal ist es auch komplizierter, weil die Kontextfaktoren tatsächlich ungünstig sind und die Arbeitsumgebung angepasst werden muss, damit dem Patienten konzentriertes Arbeiten möglich ist (z.B. bei hoher Lautstärke, viel Trubel o.ä. am Arbeitsplatz). Dann kann ein Arbeitgebergespräch mit gemeinsamem "Aushandeln" der zukünftigen Arbeitsbedingungen angezeigt sein. Einer meiner depressiven Patienten arbeitete im Schichtdienst. In depressiven Phasen litt er unter Einschlafstörungen und bekam deshalb zu wenig Schlaf, um im Frühdienst fit genug für seine Arbeit zu sein, während Spätschichten problemlos verliefen, weil er ausschlafen konnte. Ein Arbeitgebergespräch führte dazu, dass er aus dem Schichtwechsel genommen und dauerhaft in der Spätschicht eingesetzt wurde. Ein guter Ausgang für den Patienten - es hätte ihm hingegen wohl kaum etwas gebracht, hätte ich in irgendeiner Arbeitstherapie "die Konzentration mit ihm beübt".
Bei Schmerzen gibt es z.B. mehrere Möglichkeiten: Entweder ist eine ärztliche/medikamentöse Behandlung angezeigt. Vielleicht muss auch der Arbeitsplatz angepasst werden (rückengerecht o.ä., je nach Sachlage) und der Patient eine Ergonomieschulung erhalten.
Dies nur als Beispiele. Du siehst also: Die Ursachen sind ebenso vielfältig wie die möglichen Herangehensweisen und Lösungen. Also: Erhebe eine detaillierte Berufsanamnese und Arbeitsplatzbeschreibung, lasse dir die Situationen schildern, in denen der "Konzentrationsmangel" auftritt und gehe mit dem Patienten gemeinsam den Ursachen auf den Grund. Dann könnt ihr kreative, sinnvolle Lösungsansätze entwickeln und probieren.
Viel Erfolg und viel Spaß! Kinaa
Nicht alles, was Hand und Fuß hat, hat auch Herz und Hirn.