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20h im Vertrag - aber nur Therapieeinheiten vergütet?

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13. September 2016 13:46 # 1
Registriert seit: 13.09.2016
Beiträge: 3

Geändert am 16.09.2016 23:00:00
Hallo ihr Lieben,
Ich habe 10 Jahre lang im Seniorenheim gearbeitet und bin nun zum 15.07. in eine Praxis gewechselt, für mich ist das mit dem Abrechnungssystem also alles Neuland.
Nun habe ich meine ersten beiden Lohnabrechnungen erhalten und bin schwer verwirrt, frustriert, enttäuscht und besorgt.

Zu den Fakten: Angestellt wurde ich mit 20 Wochenstunden mit 11€ Stundenlohn, so steht es auch im Vertrag. Ich bin also davon ausgegangen, dass ich folglich ein Festgehalt für diese 20h erhalte + ggf Überstunden.
Nun stehen in meiner Abrechnung für August 726€ Brutto - Laut meinen Berechnungen müssten es aber etwas um die 1000€ für die fast 5 Augustwochen sein.
Ich habe meine Chefin direkt angesprochen, sie sagte sie kann mir das nicht erklären, ich soll im Steuerbüro anrufen, die machen die Abrechnungen für sie. Am Telefon sagte man mir, meine Chefin hätte für den Monat August 66 Stunden für mich angegeben. Bin aus allen Wolken gefallen.
Natürlich habe ich auch darauf meine Chefin wieder angesprochen, da meinte sie "Ja natürlich, das sind deine Stunden die du als Therapieeinheiten geleistet hast, etwas anderes können wir bei der Krankenkasse nicht abrechnen."

Es war mir nicht bewusst, dass das Abrechnungssystem so funktioniert. Und warum stehe ich dann mit 20h im Vertrag?
Die Situation ist untragbar für mich, ich mache derzeit noch meinen Führerschein und "reise" mit den ÖVs - auch zu den Hausbesuchen, die meine Chefin komplett mir übertragen hat. Die meisten erledige ich zu Fuß, die weiteste Strecke sind 25min Weg... da gehen hin und zurück also 50min drauf. Kurzzeitig hatte ich auch einen Hausbesuch, zu dem ich 45min mit dem Bus fahren musste. Hin und zurück. Für 45 Minuten Therapie. Für 135 Minuten bekomme ich nur 45min bezahtl? Mir ist schon klar, dass ich mit eigenem PKW nicht mal annähernd so viel Zeit bräuchte, aber meine Chefin wusste um diese Situation ja von Anfang an und schickt mich dennoch zu den Hausbesuchen. Als es immer mehr wurden sagte sie "Mach dir keinen Kopp, die Überstunden kriegst du natürlich bezahlt." ....nun komme ich ja scheinbar nicht mal auf meine Mindeststunden.

Ich bin so furchtbar frustriert... ich arbeite momentan länger als ich ursprünglich wollte, nehme immer wieder neue Patienten auf und auch alte Patienten von meiner Chefin.
Ich habe es mal ausgerechnet, z.B. hatte ich in den letzten beiden Augustwochen MIT den Lauf- und Fahrtwegen und Dokumentationszeit eine Arbeitszeit von einmal 23h und einmal 26h.

Ich habe 2 kleine Kinder und habe wegen dem Schichdienst im Seniorenheim in eine Praxis gewechselt. Klang das jetzt alles zu schön um wahr zu sein? Ich kann von diesem Geld nie und nimmer Führerschein und Auto bezahlen.
Die Arbeit macht mir so viel mehr Spaß als vorher, aber unter diesen Bedinungen ist das für mich untragbar.

....Ist diese Art der Berechnung normal? Auch mit festem Stundensatz im Arbeitsvertrag?
...Könnte heulen...
Danke schonmal für eure Antworten.
13. September 2016 14:24 # 2
Registriert seit: 16.10.2007
Beiträge: 318

Hallo Adunaic,

kurz und knapp, nein das ist nicht 'normal' bzw. korrekt.
Dir steht Lohn für die 20 Stunden zu.
Bedeutet für August 23 Arbeitstage x 4Std. x11,- Euro = 1012 Euro.

Wegezeit zu Hausbesuchen und Dokuzeit ist Arbeitszeit und wird vergütet.

LG
Lilly
13. September 2016 16:03 # 3
Registriert seit: 30.07.2001
Beiträge: 550

Wenn deine Chefin nicht mehr zahlen will, wird sie dich schließlich nicht länger behalten wollen und dir, sobald du auf deinen berechtigten Fortderungen bestehst, wohl kündigen. In Kleinbetrieben ist das kein Problem. In der Probezeit schon mal gar nicht.
Sollte in deinem Arbeitsvertrag also klipp und klar eine Minmdeststundenzahl von 20 Stunden mit festem Vergütungssatz stehen solltest du nach Ablauf der Probezeit auf Einhaltung des Arbeitsvertrages und Nachzahlung bestehen. Danach kann sie dir immer noch ordentlich kündigen, muss dann aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und Vertragsende auch voll zahlen. Fordesrt du innerhalb der Probezeit kann sie dir umgehend kündigen...
hast du Kolllegen/innen? Geht es denen genau so?

Obiges ist keine Rechtsberatung! Sichere Auskünfte wird dir nur ein Anwalt nach Vorlage des Arbeitsvertrags geben können!
13. September 2016 17:48 # 4
falladar
falladar
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1376

Geändert am 13.09.2016 18:04:00
Du hast das Recht dein gesamtes Gehalt einzufordern, wenn du auch während der gesamten Arbeitszeit dem Unternehmen zur Verfügung stehst. Solltest du auf Grund von Auftragsmangel vorzeitig nach Hause gegangen sein oder später zur Arbeit gekommen bist, muß dir für diese Zeit kein Gehalt gezahlt werden. Betriebsbedingte Fahrten sind definitiv bezahlte Arbeitszeit.

Das Steuerbüro sollte definitiv nicht dein Ansprechpartner für die Abrechnung sein. Hier ist dein Chef in der Pflicht dir die betrieblichen Abrechnungsmodalitäten zu erklären. Solltest du keine ausreichenden Auskünfte von deinem Arbeitgeber erhalten, kannst du dich, auch ohne Rechtsschutzversicherung, kostenlos beim Arbeitsgericht beraten lassen, ob dein Arbeitsvertrag und die Lohnabrechnung übereinstimmen und rechtlich einwandfrei sind.

11,00 Euro Stundenlohn sind auch in den neuen Bundesländern nicht mehr korrekt. Ich zahle hier für Berufsanfänger schon seit 10 Jahren höhere Stundenlöhne. Bei diesem Stundenlohn sollte es für deine Chefin nicht einmal im Ansatz ein Problem darstellen die Fahr- und Wegekosten korrekt zu bezahlen.

Ich habe in meinem Unternehmen auch ein Abrechnungssysthem auf Grundlage der geleisteten Therapieeinheiten. Fahr-, Büro- und Teamzeiten werden zeitlich eingerechnet und mit vergütet. Minusstunden auf dem Stundenkonto sind nur möglich, wenn die Mitarbeiter auf eigenem Wunsch vorzeitig Freizeit nehmen/nach Hause gehen. Hausbesuche haben einen max. Fahrtweg von 15 min und liegen im Umkreis von max. 5 km, damit alles noch rentabel bleibt.

MfG falladar

PS: Ich habe derzeit, trotz freier Einteilung der Arbeitszeit (Gleitzeit), Bezahlung aller anfallenden Arbeiten und hoher Stundenlöhne, große Mühe zusätzliches Personal zu finden. Meine dienstältesten Mitarbeiter arbeiten bei mir schon seit ca. 10 Jahre im Unternehmen. So schlecht kann es also bei mir nicht sein. Echt frustrierend, wenn Therapeuten lieber für Hungerlöhne arbeiten wollen und andere Praxen kein Personal finden. Aber vielleicht ist das das Erfolgsrezept? Ich denke mal darüber nach. ::confused::

Vielleicht hat jemand ein funktionierendes Backrezept für "Wie backe ich mir einen Ergotherapeuten". So mau sah es schon lange nicht mehr aus.
13. September 2016 18:20 # 5
Registriert seit: 13.09.2016
Beiträge: 3

Erst einmal Danke für eure Antworten!!

Um die Frage nach den Kollleginnen zu beantworten:
Als ich den Arbeitsvertrag unterschrieb ist einer Kollegin gerade gekündigt worden, weil sie wohl von 8 Wochen Anstellung 5 Wochen krank war. Zu diesem Zeitpunkt war noch eine weitere Angstellte für 20h, glaube ich, im Betrieb. Auch diese war zu diesem Zeitpunkt erst seit 2 Monaten da.
2 Wochen vor meinem Arbeitsbeginn kündigte sie wohl völlig überraschend aus privaten Gründen.
So meine Infos.
Meine Chefin stand also von 0 auf 100 mit den ganzen Patienten alleine da.
Ich habe dann alle Patienten meiner Vorgänger/innen übernommen.

Jetzt frage ich mich die ganze Zeit, welche Patienten ich betreut hätte, wenn die andere Kollegin nicht gekündigt hätte.
So viele Neuaufnahmen hatte ich in den anderthalb Monaten nicht. Dann hätte sie mir ja noch weniger Stunden bezahlt?!?
Leider kenne ich nur den Vornamen der letzten Mitarbeiterin und habe somit keine Möglichkeit, Kontakt zu ihr aufzunehmen.

Jetzt hat meine Chefin die letzten Monate verzweifelt nach einer dritten Kraft gesucht, die auch mich mit den vielen Hausbesuchen entlasten sollte - zum 01.10. fängt jetzt jemand für 10 Wochenstunden an.
Welche meiner Patienten ich jetzt abgeben soll ist mir nach der Lohnabrechnung ein Rätsel.


@falladar: Danke auch dir für deine ausführliche Antwort und für den Tipp mit der kostenlosen Rechtsberatung beim Arbeitsgericht! Das werde ich im Zweifelsfalle auf jeden Fall in Anspruch nehmen.
Im Vorstellungsgespräch hieß es, dass der Stundenlohn für Ergotherapeuten allegmein sehr niedrig wäre, und sie schon übertariflich bezahlen würde.
Im ersten Jahr gibt es 11€, ab dem 2. Jahr 12€ Stundenlohn. Da ich vorher im Seniorenheim dasselbe verdient habe, habe ich nicht weiter hinterfragt und so war das okay für mich...

Es nützt leider nichts, die Probezeit abzuwarten, denn so komme ich finanziell auf keinen grünen Zweig.
Ich werde dann morgen das persönliche Gespräch suchen.
13. September 2016 20:17 # 6
Registriert seit: 16.02.2007
Beiträge: 185

In der aktuellen & den letzten Ausgaben der ET & Reha standen zu genau diesem Thema Artikel drin.
13. September 2016 22:24 # 7
Registriert seit: 30.03.2013
Beiträge: 25

Geändert am 14.09.2016 23:12:00
::wink::::wink::::wink::
14. September 2016 07:22 # 8
Registriert seit: 04.08.2002
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 1247

Leider versuchen immer wieder Praxisinhaber ihr unternehmerisches / wirtschaftliches Risiko auf Angestellte zu verlagern. Meist geschieht es wie bei dir, mit dem Versuch nur die tatsächliche Zeit am Patienten zu bezahlen.
Ich wünsche Dir viel Kraft und Erfolg
Signaturen lesen ist Zeitverschwendung!
14. September 2016 09:02 # 9
Registriert seit: 01.04.2014
Beiträge: 599

Viel Erfolg heute beim Gespräch!!!!
14. September 2016 14:18 # 10
Registriert seit: 30.07.2001
Beiträge: 550

Wäre schön, wenn du uns bei Gelegenheit auf den neuesten Stand bringst. Bin gespannt, wie die Geschichte endet.
14. September 2016 16:23 # 11
Registriert seit: 17.11.2015
Beiträge: 152

Ich würde mir schnellst möglich einen neuen Job suchen. Das hört sich ja nach Sklavenarbeit an was du da leistest. Definitiv nicht normal für die Branche.

Das mit den ganzen Kündigungen hört sich so an als ob sie ihr personal verheizt. High-Turnover = immer scheiss Zeichen

14. September 2016 23:00 # 12
Registriert seit: 13.09.2016
Beiträge: 3

Das Gespräch heute verlief recht skurril. Da ich online mit Details vorsichtig sein muss, hier nur das Fazit:
Angeblich hätte das Steuerbüro bei der Abrechnung einen Riesenfehler gemacht und meinen Arbeitsvertrag nicht richtig gelesen und NATÜRLICH bekomme ich ein Festgehalt bei 20h.
Bezahlung nur nach Therapieeinheiten und keine Vergütung von Fahrtwegen wäre nie ein Thema gewesen.

.....................ich sage da jetzt nichts weiter zu, warte auf meinen korrigierten Lohnzettel und sehe dann weiter.
15. September 2016 09:54 # 13
Registriert seit: 16.08.2006
Beiträge: 394

Geändert am 15.09.2016 09:55:00
Hallo,
oh man ich bin echt fassungslos 11€ Stundenlohn und dafür arbeiten immer noch Ergotherapeuten ::confused::::angry::
Meine Putzfrau erhält 14€. Lasst euch bloß nicht auf so einen Hungerlohn ein. Ich suche händeringend Therapeuten und finde niemanden obwohl ich meinen Angestellten ein wirklich angemessenes Gehalt bezahle. Wir haben den Fachkräftmangel in der Ergotherapie. Das solche Ausbeuterpraxen immer noch Angestellte finden bzw. es immer noch Angestellte gibt die für so ein Gehalt arbeiten ist mir echt ein Rätsel.
Grüße
Lusa
29. September 2016 18:47 # 14
Registriert seit: 08.01.2006
Beiträge: 6

Geändert am 30.09.2016 09:07:00
Hallo,

ich bin Selbständig mit mehren Angestellten.
Es ist schon sehr seltsam was es alles gibt.
Das jemand für 11€ als Ergotherapeut arbeitet ist für mich nicht nachvollziehbar.

Viele Grüße

Georg

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si-mensch
3. Oktober 2016 18:55 # 15
Registriert seit: 19.09.2016
Beiträge: 15

Zitat / Adunaic hat geschrieben:
Das Gespräch heute verlief recht skurril. Da ich online mit Details vorsichtig sein muss, hier nur das Fazit:
Angeblich hätte das Steuerbüro bei der Abrechnung einen Riesenfehler gemacht und meinen Arbeitsvertrag nicht richtig gelesen und NATÜRLICH bekomme ich ein Festgehalt bei 20h.
Bezahlung nur nach Therapieeinheiten und keine Vergütung von Fahrtwegen wäre nie ein Thema gewesen.

.....................ich sage da jetzt nichts weiter zu, warte auf meinen korrigierten Lohnzettel und sehe dann weiter.


Ja sicher, dass Steuerbüro hat einen Fehler gemacht... Naja, einen Versuch war es ja Wert, den Arbeitgeber über den Tisch zu ziehen. Das ist leider in vielen Praxen so üblich.Vorher meinte deine Chefin doch noch, dass sie auch nur das vergüten kann, was anTherapieeinheiten abgeleistet wurde, oder?! Da die Krankenkassen ja nicht mehr zahlen. .. Das ist dann immer ein sehr beliebtes Argument.Leider glaube ich inzwischen, dass sich immer mehr inkompetente Menschen selbstständig machen, die keine Ahnung haben, wie ein Betrieb zu führen ist und dementsprechend auch nicht mit Finanzen haushalten können. Ihre Mitarbeiter müssen dann das wirtschaftliche Risiko tragen - und nicht zuletzt sind natürlich auch die Patienten die Leidtragenden. Natürlich trifft das jetzt nicht auf alle Praxen zu - aber leider auf viele.

Es tut mir auf jeden Fall leid für dich und ich hoffe, dass du in Zukunft das Gehalt bekommst,was dir zusteht. Ansonsten würde ich schnellstmöglich kündigen.
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