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kind mit wenig selbstvertrauen

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16. Oktober 2016 17:31 # 1
Registriert seit: 16.10.2016
Beiträge: 1

Hallo liebe KollegInnen! Im Laufe der nächsten Woche kommt ein 8 jähriges Mädchen zu mir in die Behandlung. Im Vordergrund steht ihr mangelndes selbstbewusstsein. Die Mutter berichtete im Erstgespräch das das Kind erhebliche Probleme in der Schule hat, vor allem beim Vorlesen und bei der Bearbeitung von Aufgaben. Sie sei nach Angaben der Lehrerin zu unsicher und weiß nicht wie sie gestellte Aufgaben angehen soll. Ein ähnliches Verhalten zeigt sie bei den Hausaufgaben. Sie fängt oft an zu weinen und meine sie könnte das nicht. Im allgemeinen dauern diese sehr lange und die Mama muss stets dabei sein. Auch im weiteren Alltag hat sie Schwierigkeiten. Vor allem gegenüber Fremden traut sie sich wenig zu z.b. ein Eis selber zu bezahlen.
Sie ist in einer tanzgruppe seit 2 Jahren, an der sie gerne und konstant teilnimmt. In der Schule hat sie auch Kontakt zu anderen Kindern und hat eine enge Freundschaft zu einer Klassenkameradin.

Da ich in meiner Ausbildung nur wenig bis gar keine Erfahrung mit ähnlichen Kindern hatte, hätte ich gerne ein paar Tipps und Tricks zur Gestaltung der ersten Einheiten. Gerne auch per pm.

Schönes Restwochenende🤗
17. Oktober 2016 12:28 # 2
Registriert seit: 17.11.2015
Beiträge: 152

Wie bei jedem Patienten steht der Befund als erstes an, er bildet das Fundament unserer Therapie. Es ist schön und gut sich mit den Eltern und Bezugspersonen auseinander zu setzten und dadurch Zusatzinformationen zu finden, jedoch ersetzten diese nicht den Befund.

Ich würde den FEW-2, Mann-Zeichen-Test, DL:KG etc dir empfehlen um dir einen objektiven von deiner Patietin zu machen.

Beispiel : Die Mutter meint alles ist wegen dem "schlechten" Selbstwergefühl. Tatsächlich behindert jedoch die visuelle Warhnehmung die Klientin daran erfolgreich im Leben zu sein. Wenn kein Befund gemacht wird und sich 100% auf die Menschen im Umfeld verlasst therapiert man schnell am Ziel vorbei.

17. Oktober 2016 15:36 # 3
Registriert seit: 18.10.2012
Beiträge: 1476

Wie schon mein Vorredner schrieb, zu erst muss mal der Befund gemacht werden. Wenn der steht, sind auch deine Ziele und wie du diese erreichen willst klarer.
Im Anamnesgespräch berichtet mir schon mal so manche Mutter, das Kind hat wenig Selbstbewusstsein und traut sich so manche Sachen nicht.
Du musst einfach schauen warum liest das Kind nicht gerne vor. Da gibt es meistens eine Ursache z.B im Visuellen Bereich. Warum hat es Probleme bestimmte Aufgabenstellungen zu lösen.
Wer kämpft kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren.
17. Oktober 2016 17:54 # 4
Registriert seit: 31.08.2007
Beiträge: 518

...und nicht zu vernachlässigen sind meines Erachtens auch die klienten- und betätigungsorientierten Befundinstrumente, wie z. B. das COPMaKids oder PEAP. In diesem Thread kommt mir bisher die Frage zu kurz, was das Mädchen eigentlich möchte und auch die Anliegen der Bezugspersonen sollten noch mehr auf Betätigung und Kontext konkretisiert werden.

Denn folgende Aussagen sollten langsam mal der Vergangenheit angehören:
Zitat / Kukdiehe hat geschrieben:
...muss mal der Befund gemacht werden. Wenn der steht, sind auch deine Ziele und wie du diese erreichen willst klarer.


Gruß, ergotron

17. Oktober 2016 18:42 # 5
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Geändert am 17.10.2016 19:15:00
Hallo otto,
und schon garnicht überfalle ich ein selbstunsicheres Kind mit irgendwelchen Testverfahren in der ersten Einheit!::scared:: Auch würde ich das Eltern und Kindgespräch trennen. Negative Äußerungen oder Haltungen der Eltern sollte das Kind möglichst nicht erfahren. Mach das COPMakids mit dem Kind zeig ihr die Praxis, frage es selbst nach seinen Vorlieben, Wünschen, lass sie erzählen was ihr in der Schule gefällt und was "doof" ist, frag nach der nettesten Lehrerin usw. erzähle auch etwas persönliches von dir und baue erst mal eine vertrauensvolle Basis auf. Beim nächsten Termin überlege mit dem Kind genauer was es mit dir erreichen möchte, frag sie ob sie eine Ahnung hat woran sie ggf. scheitert usw. Toll sind für diese Kinder auch Gruppen, falls ihr so was anbietet wie das EST,o.ä. Hier profiteren die Kinder enorm. Geh in die Schule und schau dir deine Patientin im Unterricht an, besprich unterstützende Strategie mit der Lehrerin, oder geh zu ihr nach Hause und beobachte die Hausaufgabensituation (ggf. kann die Mutter die Situation auch filmen - ist oft weniger verfälscht). Überlegt gemeinsam wie Druck abgebaut werden kann, kritische Situationen entschärft.
Das "weinen" könnte eine erlernte Strategie sein um schwierige Situationen zu meiden, oft wird die unliebsame Handlung dann verschoben o. gar ganz abgesetzt, es könnte aber auch eine tiefe Hilflosigkeit sein und das weinen wird genutzt um Druck abzubauen, schau genau hin was passiert und wie reagiert das Umfeld in solch einer Situation. Das Kind macht das nicht absichtlch wohlgemerkt, so manipulativ sind 8 Jährige in der Regel noch nicht!::rolleyes::
Viel Erfolg
"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
17. Oktober 2016 21:39 # 6
Registriert seit: 12.09.2002
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 279

Hallo otto11,

ich habe häufig ähnliche Kinder in der Therapie, und die Ursache für ein "mangelndes Selbstwertgefühl" kann meiner Erfahrung nach sehr unterschiedlich sein. Manchmal ist es Überforderung (Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Umfeldes und den eigenen Fähigkeiten, hoher Leistungsdruck - in der heutigen Zeit nicht allzu selten bei Schulanfängern), manchmal mangelnde Sozialkompetenz (erlernte Schüchternheit durch fehlende Modelle oder auch als Charaktereigenschaft).

Ich finde die Idee von Fine43 gut, dir erst einmal selbst ein Bild zu machen: Wie geht sie mit dir um? Wie verhält sie sich, wenn sie sich sicher und angenommen fühlt und nicht leisten muss? In zwei Punkten möchte ich Fine 43 widersprechen: meiner Meinung nach sind Tests für eben jene Einschätzung der Fähigkeiten wichtig und können durchaus so eingesetzt werden, dass dein Kind sich damit überfallen und überfordert fühlt, sondern wertgeschätzt und gesehen. Und der zweite Punkt: ich arbeite IMMER mit den Eltern. Besonders bei selbstunsicheren Kindern. Meist haben die Eltern da irgendetwas mit zu tun ;-).

Ich starte – je nach Vorlieben und Stärken der Kinder, die ich ja beim Erstgespräch mit den Eltern OHNE Kind schon grob einschätzen kann – mit dem CPM oder dem MOT 4-6, manchmal auch Teilen der BUEGA bei Schulkindern. Wenn du testest (und das würde ich unbedingt tun): fang da an, wo du Stärken vermutest und taste dich zu den Schwächen vor. Ein COPM a Kids mit Eltern(teil) und Kind kann auch recht aufschlussreich sein und zeigt schon viel über die Mutter-Vater-Eltern-Kind Beziehung.

Ich lese außer „mangelndes Selbstwertgefühl“ folgende Stichworte bei dir:
Vorlesen
Bearbeiten von Aufgaben
unsicher
fängt oft an zu weinen
weiß nicht wie sie gestellte Aufgaben angehen soll
Hausaufgaben dauern lange
traut sich wenig zu

Ich würde folgendermaßen sortieren:

Lesen: LRS abgeklärt? Oder kann sie gut lesen und traut sich nur nicht? Wie schreibt sie? Wenn sie gut lesen kann, aber sich nicht traut, fallen mir 1001 Möglichkeit ein, das zu verändern. Wenn sie allerdings nicht gut lesen kann, solltest du dort ansetzen.

Unsicher, fängt an zu weinen, traut sich wenig zu: Sozialkompetenz? Emotional? Familiäre Situation (Rückhalt, Sicherheit?) Evtl. Fragebögen, ich mache gern den SDQ zur Einschätzung

Bearbeiten von Aufgaben, weiß nicht, wie gestellte Aufgaben angehen: Handlungsplanung, Handlungsstrategien, Struktur, Problemlösestrategien? Aufgabenverständnis, Merkfähigkeit, auditive Wahrnehmung, Konzentration?

Hausaufgaben dauern lange: motorisches Tempo, Fein- Grob- und / oder Grafomotorik? Ablenkbarkeit? Motivation?

Usw. usf.

Ich telefoniere in solchen Fällen wenn möglich mit der Lehrerin und besuche ggfs. das Kind im Unterricht. Meist sind die Lehrer froh, wenn jemand sich kümmert und sind kooperativ. Gemeinsam findet man häufig auch leichter heraus, wie man Kind und Familie helfen kann.

Manchmal ist es Detektivarbeit, aber ich finde, es lohnt sich, genau hinzusehen und eine saubere Diagnostik und Umfeldanalyse zu machen. Die Therapie ist doch danach viel einfacher und effektiver, wenn man weiß, was man tut und wo man hin will (und das gilt für alle Beteiligten).

Viel Spaß!
18. Oktober 2016 16:31 # 7
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Geändert am 18.10.2016 16:32:00
@xxu
Ich sprach von Testverfahren in der ersten Einheit. Diese solte meiner Meinung nach bei einem Kind mit dieser Ankündigung nicht auf dem Plan stehen. Wenn sich im weiteren Verlauf wichtige Fragen ergeben, die Testverfahren nötig machen sehe ich durchaus auch deren Nutzen. Aber schon mal so auf Verdacht alle Testverfahren auszupacken die die Praxis bietet find ich völlig überzogen, egal bei welchem Pat.

Elternarbeit ist ebenso bei allen Kindern wichtig. Kinder ändern ihr Verhalten meist nur, wenn sie kontinuierlich veränderte Reaktionen auf ihr eigenes Verhalten erleben und zwar möglich positiv.
"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
19. Oktober 2016 09:27 # 8
Registriert seit: 04.08.2002
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 1247

Geändert am 19.10.2016 09:30:00
Es ist ja wohl selbstverständlich, dass man ein Kind nicht mit Testverfahren überfällt, sondern ersteinmal ein Vertrauensverhältnis schafft. Dem Kind ermöglichen, aus sich herauszukommen und Freude zu haben, dabei bekomme ich schon viel von ihm mit, befunde also. Sei es frei oder anhand eines Beobachtungsrasters.
Die Kinder, müssen heiss darauf sein zur Therapie zu kommen. Bei mir kommen sie zum Spielen in die Praxis, dass es dabei auch Herausforderungen gibt, wie Schreib- und Guckspiele oder Aufpasspiele, gehört dazu.
Meist lasse ich ihnen die Wahl zwischen 2 Aktionen oder sie dürfen die Abfolge mitbestimmen, um Unterrichtscharakter zu vermeiden.

Gutgehn
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