Hallo Kollegen!
Zu mir kam heute eine Patientin mit folgendem Auftrag des Arztes: Ich soll vor der Therapie Schmerzmittel einnehmen, und dann soll die Ergotherapeutin den Finger unter Schmerzen wieder in Beugung und Streckung bringen.

Die Frau hatte im November einen Unfall mit der Hundeleine. DV, DVI, und DIII sind betroffen. Kleinfinger und MIttelfinger kann sie sehr gut strecken, Der RIngfinger ist im DIP weder aktiv noch passiv ganz in Streckung zu bringen. MCPs sind frei beweglich. Kleine und große Faust sind nicht möglich. Kleiner, Ring und Mittelfinger kommen nicht ganz in Beugung.

Sie ging seit Oktober von Arzt zu Arzt. In einer Praxisgemeinschaft sagte ein Arzt: "Wir operieren und spalten die Sehne, damit wieder volle Streckung möglich ist. Aber wir lassen den Kollegen noch draufschauen". Der Kollege sagte dann: Ergotherapie unter Schmerzen.

Auffällig ist ein Sehnenknötchen auf höhe des Ringfingers in der Handinnenfläche. Es ist kaum fühlbar, aber rötet sich bei Bewegung. Was könnte das für einen Zusammenhang haben?

Der Ringfinger färbt sich bei Kälte rot, blau und lila.

So jetzt meine Frage an euch: Nur passiv durchbewgen und dehnen? Dehnen bis zu welchen Schmerzen von 1-10?
Handkraft werde ich auch trainieren.

Der Arzt sagte zu ihr, das es ein Kapselriss sei, auf dem Rezept steht Beugesehnenverletzung D IV.

Danke für euer Mitdenken und Antworten :)

Ärko

Hallo Ärko,

na, das ist mal eine uneinheitliche Diagnostik von Seiten der Ärzte.

An Deiner Stelle würde ich ersteinmal mit einem gründlichen Befund anfangen:
1. Wie fühlt sich die Verdickung in der Hohlhand genau an? Gibt es Krepitationen beim Bewegen des Fingers?
2. Wie ist das Endgefühl der betroffenen Gelenke?
3. Wie fühlt sich die Kapsel bei Traktion an? Gibt sie homogen nach oder hängt sie in Anteilen?
4. Sind alle Sehnen funktionsfähig? Reagiert das Endglied mit leichter Bewegung beim Beugeversuch bei fixiertem PIP? Kann sie das PIP flektieren, wenn der Profundus über die Nachbarfinger gehemmt wurde?
5. Wie ist die Durchblutung der Finger im Seitenvergleich? Gibt es einen Temperaturunterschied? Wie schnell erholt sich die Durchblutung nach Abdrücken der Gefäße am Finger?
6. Was ist mit dem PIP?
7. Wie war der Unfallhergang genau?

Das waren jetzt eine Menge Fragen, aber die wirst Du erst klären müssen, wenn Du entsprechend der Struktur korrekt behandeln willst. Einfach nur durchzubewegen und das auch noch in die Schmerzen hinein, wäre zum einen ein Blindflug und zum anderen sicherlich auch nicht zielführend.
Sollte die Kapsel das Problem sein, kannst Du mit Traktion behandeln. Dabei darf es leicht ziehen, aber Du solltest nicht in den Schmerz hineinarbeiten.
Ist die Durchblutung ein Hauptproblem muss da noch einmal ein Arzt drauf schauen. Ebenso wenn die Sehnen keine Funktion beim Versuch der Beugung zeigen.
Was mit dem Spalten gemeint ist, könnte das A1 Ringband gewesen sein, damit die verdickte Stelle der Sehne nicht mehr vor der Engstelle hängen bleibt.

Aber das sind alles erst einmal nur Mutmaßungen. Du wirst Dir Deine Patientin noch einmal genauer ansehen müssen.
Ich hoffe dennoch, Dir schon ein paar Anregungen gegeben zu haben.
Liebe Grüße
R.Groth

Ich selber würde auch mal die Sehnenfächer mit testen. Weil so eine Verdickung der Sehne auch auf einer Sehnenscheidenentzündung hin deuten kann. Sonnst würde ich auch mal schauen wie sich die Sehne verhält wenn die Patientin den Finger Beugt oder Streckt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Patientin einen Schnapfinger hat.
Ich würde so etwas nicht sofort operieren sondern immer erst mal probieren ob das konservativ weg geht. Bei einer meiner Patienten die hatte eben diese Verdickung auch an einer Beugesehene und da konnte dann von Einheit zu Einheit auch die Sehne immer besser durch das Ringband durchgleiten und die Patientin hatte auch immer weniger Schmerzen gehabt. Sollte es nicht nach par Behandlungen besser werden, dann würde ich das Ringband auch spalten lassen.
Sonst musst du einfach mal das Gelenk testen, wie es auf Traktion reagiert wie ist das Bewegungsausmaß passiv wie aktiv wann und wo treten die Schmerzen auf und in welcher Intensität. Ja und ich würde ebenfalls die Durchblutung überprüfen.

Wenn du die genaue Ursache heraus gefunden hast, dann kannst du da auch dem entsprechend behandeln.

Danke ihr zwei für die ausführlichen Antworten! Toll das ihr euch Zeit nehmt dazu!

1. Die Verdickung ist sehr klein (nicht sofort fühlbar) Krepitationen gibt es nicht.
2. Endgefühl der betroffenen Gelenke ist weich. Es gibt dann ein spannungsgefühl/Schmerz auf der dorsalen Seite der Finger.
3. Die Kapsel gibt homogen nach.
4. Das Endglied reagiert beim Beugeversuch.
5. Temperaturunterschied gibt es sogar zum Zeigefinger der gleichen Hand. Der Ringfinger war leicht wärmer als die anderen Finger.
6. Ich habe mich beim Ursprungsbeitrag vertippt!!! Das PIP des Ringfingers kann sie nicht komplett strecken! DIPs sind gut!!
7. Unfallhergang: 40 kg Hund zieht an Leine. Leine wickelt sich um Finger DIII-DV. Der Ringfinger war im PIP komplett luxiert, die Patientin beschreibt, der halbe Finger hing in der Handinnenfläche. Sie hat ihn gesucht. und dann reflexartig wieder "richtig hin geklappt."

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!

Hallo Ärko,

das muss ich nun erst einmal sortieren. Der Finger wurde stark flektiert und stand in die Hohlhand. Das bedeutet, dass die dorsalen Kapselanteile und die Dorsalaponeurose des Finger betroffen sein müssten. Sie hat ein weiches Endgefühl? Also eine muskuläre Abwehrspannung? Wie ist das denn im Vergleich zur Gegenseite? Aber am Ende einen Spannungsschmerz auf der dorsalen Seite, der ja immerhin zum Unfallhergang passen würde. Die Kapsel gibt homogen nach... hmm... was ist denn in den Monaten seit der Verletzung bislang gemacht worden? War sie bei einem Physiotherapeuten, der sie manualtherapeutisch behandelt hat? Gut die Profundussehne arbeitet, den Superficialis schaffst Du vermutlich nicht zu testen. Dürfte aber bei dem Hergang auch nicht verletzt worden sein.
Dass sie das PIP nicht voll strecken kann, passt zu einer Verletzung der Extensorensehnen.

Alles in allem schicke die Patientin bitte bei einem guten Handchirurgen vorbei. Wenn in der Zeit seit dem Unfall nichts an Behandlung gelaufen ist und sich die Sehnen seitdem nicht bewegt haben, wirst Du sie nicht wieder mobilisiert bekommen.
Es ist natürlich nur eine bloße Vermutung und auf die Entfernung auch wirklich sehr schwer einzuschätzen.

Was die Kapseln der Nachbarfinger anbelangt: Ebenfalls über Traktion testen, ob sie homogen nachgeben. Wenn nicht manualtherapeutisch behandeln.

Zum Temperaturunterschied: Wenn da jetzt noch eine Entzündung im Finger ist, ist das mehr als ungewöhnlich. Somit würde ich das Vegetativum über die BWS mitbehandeln, aber auch hier wieder einen Handchirurgen zu Rate ziehen.

Dir auch ein schönes Wochenende
Liebe Grüße
R.Groth