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Diffuse Radialisparese - bitte um Hilfe von Handtherapeuten

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22. Juni 2017 22:16 # 1
Kwick_Kiwi
Kwick_Kiwi
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 64

Geändert am 22.06.2017 22:24:00
Hallo!
Ich habe eine neue Praxispatientin bekommen, die mich beim Aufnahmegespräch schon mächtig ins Schwitzen gebracht hat... Ich habe dieses Krankheitsbild noch nie behandelt und bitte um Hilfe! ::sad::

Eine berufstätige Dame Anfang 60 (PC Arbeitsplatz), mit einer Radialisparese rechts (Rezept: mit muskulärer Schwäche und Reduzierung der Greiffunktion). Anamnese und Befund sind mir immer noch sehr diffus. 2014 habe es einen "Ellenbogenbruch" gegeben (keine weiteren Informationen) danach habe sie Ergotherapie mit dem Schwerpunkt Grobmotorik bekommen. 2017 erfolgte dann ein Hundebiss (darüber möchte Pat. nicht weiter reden), seitdem habe sich der Zustand wieder verschlimmert. Der Arzt habe ihr gesagt, dass der Nerv unwiderruflich "kaputt" ist, deswegen lehnte sie meinen Vorschlag und meine Erklärung über den Sinn der Spiegeltherapie ab.

-reduzierte Oberflächensensibilität in allen Fingern - verbrennt sich häufig beim Kochen
-aktiv waren bei der Befundung alle Finger& das HG beweglich - keine Fallhand, lt. Pat. sei das aber zeitweise nicht immer so, dann sind sie wie gelähmt und sie würde die PC-Maus z.B.mit Mittel- und Ringfinger bedienen - (Zeigefinger und kleiner Finger seien besonders betroffen) >als ich mich mit Händedruck verabschiedete war der kleine Finger palmar flektiert und umfasste meine Hand nicht - das habe Pat. z.B. gar nicht bewusst gemerkt
-Pinzettengriff, Dreipunktgriff seien besonders beeinträchtigt, einhergehend mit ADL Schwierigkeiten beim Nähen (Hobby) und Kochen (Schneidetätigkeiten)und Graphomotorik [Grobgreifformen sind kein Problem]
-dadurch Fehlhaltungen als Kompensation, was bei höherer Belastung (8h Arbeit an PC-Maus) zu Schmerzen führt

Ihr wichtigstes Ziel, weshalb die Pat. zur Ergotherapie kommt ist ein diffuser Tremor, der nicht unbedingt bei Überbelastung auftritt und auch sonst keine festlegbaren Gründe habe. Darüber ist die Patientin in Gesellschaft (Restaurantbesuche>Besteck) sehr beschämt, da sie nicht offen/mit Bekannten über ihre Krankheitsgeschichte spricht und möchte, dass ich den Tremor "wegmache".
Der Tremor höre dann auf, wenn sie den Ellenbogen auf dem Tisch ablege.

Der Spiegeltherapie steht sie eher negativ gegenüber. Diese hätte ich gerne ergänzend und in Kombination mit feinmotorischen Übungen/Sensitraing ausprobiert.

Kann die Tremorproblematik hauptsächlich von einer muskulären Schwäche kommen? Bin ich dann in der Richtung Muskelaufbau mit Hanteln, Theraband, Schwingstab, Therapieknete auf der richtigen Fährte?

Sensitraining wollte ich außerdem mit einbauen - außerdem kämpfe ich immer noch für die Anschaffung eines Novafons ::wink::

Ich danke im Vorraus!




23. Juni 2017 00:55 # 2
Registriert seit: 10.09.2002
Beiträge: 406

Das geht so nicht.
Wenn die Anamnese kaum Informationen ergeben hat und die Pat. nicht bereit ist näher auf Einzelheiten einzugehen, keinerlei Berichte vorliegen und du deine Funktionsanalyse entweder noch nicht durchgeführt hast oder hier nicht anführst, kannst du nicht erwarten, dass man auf diesen Grundlagen adäquate Hilfestellung leisten kann.
Wo ist der schriftliche Befund des Neurologen? Der Ellenbogen war gebrochen... welche knöchernen Anteile und in welcher Höhe?
Ein Hund hat sie gebissen, sie will jedoch nicht darüber reden... Entlassungsbericht aus dem KKH?
Reponiert worden oder nicht? Sudeck / CRPS? Begleiterkrankungen?
Da "behandelst" du ins Blaue hinein und ich unterstelle einfach (korrigiere mich, wenn ich falsch liege), dass du in Richtung Handtherapie deine eigene Kompetenz überschätzt.
Das soll kein Vorwurf sein, versteh mich bitte nicht falsch.
Aber wenn du auf Anweisung deines Arbeitgebers handelst und du in deinem Betrieb keinen versierten Ansprechpartner hast, macht mich das echt stinkig. Das schadet u.U. nicht nur der Pat. und der Reputation der Praxis für die du arbeitest sondern auch dem Berufsbild. Und wenn man dort für die Anschaffung eines Novafons (ca.120,- €) kämpfen muss lässt das tief blicken.
Habe wirklich mit mir gerungen, ob ich überhaupt etwas dazu schreibe aber sowas triggert mich leider.
Stets nach bestem Wissen und Gewissen - dann kann dir keiner was vorwerfen.
Aber das hier.... ::thumbdown::
BV
23. Juni 2017 06:58 # 3
Kwick_Kiwi
Kwick_Kiwi
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 64

Geändert am 23.06.2017 07:31:00
Es macht mich ehrlich gesagt sehr traurig, so etwas zu lesen.
Natürlich bin ich überfordert, sonst würde ich nicht fragen! Ich überschätzen meine Kompetenzen nicht, ich habe mir die Pat. doch nicht ausgesucht... Die Pat. werden je nach terminlicher Kapazität aufgeteilt. Es gibt keinen Handtherapeuten in der Praxis und meine Vorgesetzte hat mich in meiner "Versuchsvermutung" bestätigt! Das genügt mir aber nicht als Absicherung. Was soll ich denn tun? Ich kann die Pat. nicht abgeben, meine Kollegen wissen keinen Rat und ich kann ihr wohl schlecht raten, zu einem Fachtherapeuten zu gehen, obwohl ich das gerne würde...

Stets nach bestem Wissen und Gewissen... Was glaubst du, weshalb ich hier Rat suche!? Ich bin noch kein Jahr Ergo und habe eine FoBi in Spiegeltherapie gemacht. Mir diesem Krankheitsbild bin ich weder theoretisch in der Ausbildung, noch praktisch in Berührung gekommen. Wäre mir die Patientin egal, könnte ich doch - wie so manche Ergos das ganze Rezept über Kartenspiele spielen, der Pat. auftragen die Karten mit diesen und jenen Griffen aufzunehmen und es dann als Feinmototiktraining verkaufen... Aber das entspricht nicht meiner Ethik und Arbeitsweise!

Vielleicht habe ich mich oben unklar ausgedrückt, indem ich oft mit "habe" formuliert habe. Bei der Befundung waren die Greifformen durchführbar, alles aktiv beweglich aber die OS reduziert - 2 Punkt Diskrimination negativ. Dann wiederrum - bei der Verabschiedung war der kleine Finger nicht beim greifen beteiligt - hypoton nach palmar flektiert. Das würde immer zeitweise auftreten, Grund nicht festlegt - darum das diffus in meinem Hilferuf! (Die Feinmototik und Greifformen sind für die Pat weniger relevant, sie möchte den Tremor loswerden, das ist ihr einziges Ziel von sich aus.)

Es gibt keine weiteren Informationen außer der Diagnose auf dem Rezept und die Pat. ist offensichtlich sehr beschämt über ihre "Behinderung" - wie sie es nennt und möchte nicht darüber reden.
Ich bitte nochmals um konstruktive Ratschläge. Wie ich bisher entnommen habe, soll ich den KH/Arzt Bericht anfordern. Brauche ich dafür eine Schweigepflichtsentbindung? (Falls ich es nicht nicht erwähnt habe, ich arbeite neu im Arbeitsfeld Praxis)

LG
P.S. Ich werde mir nun privat ein Novafon kaufen, da ich es sinnvoll finde und für meine Patienten gut einsetzbar. Meine Vorgesetzte ist kein Fan von dem Gerät.
23. Juni 2017 08:17 # 4
Registriert seit: 05.02.2007
Bundesland: Bayern
Beiträge: 931

Ein Novafon ist kein Allheilmittel und ansonsten stimme ich BV zu.

Der Patient muß mitarbeiten, d.h., dass er alles deutlich darlegt.

Du brauchst alle Befunde und letztendlich mußt Du mit den behandelnden Ärzten Rücksprache halten.

Wenn wir Ergos Zauberstaub und eine Glaskugel hätten, wäre das Leben einfacher.
Ansonsten brauchen wir natürlich die vollständigen Befunde, Röntgenbilder etc.
23. Juni 2017 10:33 # 5
Registriert seit: 10.09.2002
Beiträge: 406

Da dir wesentliche Informationen fehlen oder nicht zur Verfügung gestellt wurden (ja, du benötigst eine Schweigepflichtentbindung - deine Chefin sollte das wissen und ein entsprechendes Formular haben), rate ich dir dringend diese Informationslücke zu schließen.

Findest du dich nach Auswertung dieser in deinem Behandlungsansatz (Spiegeltherapie + Sensitraining + Muskulaturaufbau)
bestätigt, hast du immer noch eine Pat., die eine mangelnde Compliance zeigt und bereits vor Behandlungsbeginn Teile des Therapiekonzeptes ablehnt.

OffTopic:

Hoffentlich bist du nicht mehr traurig und es gelingt dir diese Erfahrung etwas nüchterner zu bewerten.
Unterm Strich bleibt für mich:
- Merkwürdige Patientin, schlechte Compliance
- unklares Krankheitsbild, mangelde Informationen
- motivierte und ambitionierte Therapeutin
- noch zu unerfahren, nicht deine Schuld
- zu wenig Austausch mit deiner Chefin

- und ein großes Kompliment an dich hierfür:

Zitat / und ich kann ihr wohl schlecht raten, zu einem Fachtherapeuten zu gehen, obwohl ich das gerne würde... hat geschrieben:


Denn genau das solltest du im Zweifelsfall tun.
Nach bestem Wissen und Gewissen.
BV
23. Juni 2017 12:18 # 6
Registriert seit: 05.01.2015
Beiträge: 86

Hallo Kwick-Kiwi,

davon abgesehen, dass es Dir Deine Patientin sehr schwer macht, einen guten Befund zu erstellen, sind mir in dem, was Du schreibst dennoch ein paar Dinge aufgefallen, die Dir vielleicht weiterhelfen können.
Der N. radialis versorgt sensorisch dorsalseitig nur den ersten bis dritten Finger. Und das bei D2 und D3 auch nur bis auf Höhe des PIP. Daher kann das Wahrnehmungsdefizit des kleinen Fingers nicht an der zurückliegenden Schädigung des N. radialis liegen. Da kommt nun aber noch der unklar beschriebene Hundebiss dazu. Wobei sich die Frage stellt, wo das Tier zugebissen hat und welche Strukturen darunter liegen. Also machst Du am Besten eine konkrete Überprüfung der Sensibilität auf die Versorgungsgebiete der Armnerven hin. Die solltest Du eigentlich in Deinen Ausbildungsunterlagen finden können.
Die Kombination aus Tremor, Verdrängung und verschwindend geringer Compliance, die Du bei Deiner Patientin beschreibst, lässt mich eher an eine lokale Neglektisierung denken, die aufgrund mangelnder Krankheitsverarbeitung entstanden ist.
An Deiner Stelle würde ich erst einmal eine Muskelfunktionsprüfung mit Deiner Patientin durchführen. Begründen kannst Du das sogar gut über den Tremor, der ja auch von muskulärer Überforderung herrühren kann. Wenn Du dann weißt, wie die Muskelfunktionen sind, kannst Du schauen, wie Du diese Muskeln dann gezielt trainieren kannst. Dazu musst Du aber jeden einzelnen Muskel aktiv auch gegen Widerstände testen. Wenn Du Dir da nicht sicher bist, schau am besten noch einmal in Deine Anatomieunterlagen rein, welche Funktionen Du entsprechen testen musst.

Wenn Du die Informationen im Einzelnen zusammen hast, dann kann Dir hier auch bei weitem leichter ein Rat erteilt werden, was die Behandlungsmöglichkeiten anbelangt.

Liebe Grüße
R.Groth
www.handakademie.de
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23. Juni 2017 12:19 # 7
Registriert seit: 17.11.2015
Beiträge: 152

Bericht; Berichte, Berichte.

Wie soll den der Nerv unwiderruflich geschädigt sein, wenn Sensi und Mot. teilweise vorhanden sind? Lass dir ALLE Dokumente geben, ruf ihren Hausarzt an und schildere ihm, dass die Patientin nicht nachvollziehbare Aussagen macht und nicht über ihren Hundebiss reden will. Wenn es ein guter Hausarzt ist weis er bescheid und hat sogar die KH-Entlassungsberichte vor Ort. Du musst ihr auch sagen, dass ohne weitere Informationen die Behandlung nicht fortgeführt werden kann.

Wenn du keine weiteren Infos bekommst würde ich die Therapie unterbrechen / abbrechen weil wie die Kollegen schon meinten kann es juristisch für dich und gesundheitlich für den Patienten gefährlich werden. Stell dir vor du machst eine schöne Neuro-Mobi und plötzlich machts PLOPP und die Dame hat nen Nervenwurzel-ausriss. Dann ist die Kacke am dampfen.

23. Juni 2017 12:53 # 8
Kwick_Kiwi
Kwick_Kiwi
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 64

Geändert am 23.06.2017 13:10:00
Danke für die konstruktiven Antworten.

Ich habe mich mit meiner Chefin und fachlichen Vorgesetzen zusammen gesetzt und wir haben beschlossen, dass es das Beste ist, die Behandlung abzubrechen und ihr eine spezialisierte Praxis in der Nähe zu empfehlen. Niemand von uns beherrscht die notwendigen Techniken wie Nervenmobi, da wir einen anderen Schwerpunkt haben.
An sowas hätte ich mich auch nicht rangetraut weil ich davon 0 Ahnung habe. Leider finde ich auch nichts dergleichen in meinen Unterlagen. Ich habe so wieso das Gefühl man habe uns im Grunde nur Handwerk beigebracht. Nerven haben wir in Anatomie z.B. nicht besprochen, weil man uns sagte, dass brauchen nur die Physio... Natürlich habe ich nachgeschlagen und gegooglt, aber es ist mir trotzdem nicht klar. Ich werde meine Energie nicht weiter verschwenden, mich über die Ausbildung bzw. Nichtausbildung aufzuregen.
In diesem Bereich fühle ich mich einfach komplett überfordert und werde es lassen.::unsure:: Mein persönliches Interesse liegt auch ganz woanders.

Danke nochmal.
23. Juni 2017 16:22 # 9
Registriert seit: 30.05.2008
Beiträge: 146

Hallo
noch ein paar ergänzende Gedanken.
als TherapeutIn bringen einen solche Patienten immer wieder an die Grenzen. Wichtig: nicht zweifeln an den eigenen Kompetenzen (was nicht ganz einfach ist, mit wenig Berufserfahrung ;-) ).
Für mich ist die Frage ob man nach so langer Zeit noch funktionell arbeiten soll und der Patientin weiterhin Hoffnung auf Verbesserung der Funktion machen soll oder ob man mit ihr langsam beginnt Strategien im Umgang mit den Einschränkungen zu vermitteln. (Das könnte auch die Krankheitsverarbeitung in Gang bringen, die ja scheinbar stockend ist)
Das ist immer eine Herausforderung, das gut rüber zu bringen vor allem wenn die Patientin so fordernd nach Beseitigung des Tremors ist.
Wenn funktionell, dann warst Du mit der Spiegeltherapie wahrscheinlich nicht schlecht um ihr Problem anzugehen, die Frage ist wie Du ihr verständlich machen kannst, was Du damit bei Ihrem Problem bewirken willst. Oft fühlen sich Patienten mit so einem Problem von der Spiegeltherapie "verarscht" und nicht ernst genommen, wenn sie die Wirkweise nicht für sie plausibel erklärt bekommen, das könnte die "Malcompliance" (die ich in Frage stelle) erklären.
Das Thema Hundebiss möchte ich noch ansprechen, es könnte sein dass da ein Trauma damit verbunden ist und sie darum sich schützen will darüber zu sprechen, ich würde dort nicht weiter grübeln, wenn man nicht geschult ist im Umgang mit Traumatisierungen
Wenn Du beziehungsmässig ein gutes Gefühl hattest, dann sähe ich keinen Grund in eine andere Praxis zu wechseln. Manchmal geht es auch darum gemeinsam auszuhalten, dass sich im Moment nicht so viel verändert.
zusammenfassend:
- Oberflächensensidefizite machen eine schlechte Greiffunktion und müssen visuell kompensiert werden und fliessende Bewegungen brauchen eine gute sensible Rückmeldung darüber braucht es wissen und konkrete reflektierte Erfahrungen
- dauerndes therapieren der Funktion macht den Einsatz im Alltag nicht zwingend besser (Top down versus Bottom up)
und zuletzt: an solchen Patienten wächst man und holt sich Erfahrung für die nächsten
viel Erfolg weiterhin
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