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Fragliche Linksdominanz durch neurologische Unausgeglichheit

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5. September 2017 21:08 # 1
Registriert seit: 26.02.2004
Beiträge: 21

Liebe pädiatrische KollegInen!

Ich brauche mal einen Austausch über folgende Beobachtung:

6.1 Jahre altes Mädchen, korrigiert 5.10 Jahre. Extremes Frühchen mit 850 g, 10 Wochen Klinik.
Fragestellung der Mutter, ob ggfs. Rückstellung vom Schulbesuch zugunsten eines weiteren Jahres Vorschule.

In allen Bereichen erstaunlich gut entwickeltes Kind, Mutter berichtete, dass ihre Tochter manchmal zögerlich ist, Neues zu probieren, vor allem im physischen Bereich wie z. B. Fahrrad fahren etc. Wenn sie sich dann, mit Mut zusprechen, getraut hat, klappts oft. Kein Hinweis auf ein mögliches Verhaltensmuster von Aufmerksamkeitssuche. Keine unausgeglichene sensorische Balance mit Hyper- oder Hyposensibilitäten.

In der klinischen Beobachtung sind mir verschiedene Dinge aufgefallen.
Linksdominate Körperhälfte, die zu einer überwiegenden Nutzung der linken Hand als häufig dynamisch und der rechten als häufig statisch führt, aber nicht ausschließlich. In der Spielsituation mit kleinen Objekten, wurde bilateral gearbeitet.
Hüpfen auf einem Bein links 10, rechts mit viel Mühe 3. Überkreuzung der Mittellinie mit linker Hand nach rechts, aber nicht mit rechter Hand nach links.

Nun zu der Beobachtung, die zu meiner Frage führt:
Das Kind war nicht in der Lage, im Langsitz mit angemessenem Tonusaufbau, auf einer vor sich gehaltenden flachen Murmelbahn die Murmeln so rotieren zu lassen, dass sie eine Acht beschreiben mit Kreuzung der Mittellinie.
Das Kind zeigte große Ausdauer und eine hohe Frustrationstoleranz, die vom Kurs abkommende Murmel wieder auf die Bahn zu setzen und es nochmal zu probieren.

Ich vermutete neben der Problematik der visuellen Perzeption (weitere Diagnostik), ein Problem der Kraftdosierung oder auch eine Schwäche in der Hand-Hand-Koordination.

Nun machte das Kind folgendes: Es rotierte en bloc, sodass die Murmelbahn sich auf der rechten Körperhälfte befand und der ganze Ablauf war kein Problem mehr. Die Murmel lief zügig ihre Achten und blieb in der Spur.

Fraglich in diesem Zusammenhang ist, ob es sei kann, dass die Präferenz der linken Körperhälfte zu einer Handdominanz führt, die bedingt ist durch die oben genannten Schwierigkeiten?

Weiterhin interessiert mich, was ihr für Erfahrungen gemacht habt mit der Sensorischen Integrationstherapie in einem solchen Fall, die ja die Verarbeitung der Reize im Cortex verbessert? Hilft dieser Ansatz, um die Vernetzung anzuregen und das beschriebene Ungleichgewicht zu nevelieren?

Vielen Dank fur eure fachliche Unterstützung!

Ulli
5. September 2017 23:05 # 2
Registriert seit: 29.09.2007
Beiträge: 785

Hallo Ulli,

für mich stellt sich noch die Frage, wie das Kind zur Frage "Schule jetzt oder später" steht. Oft gibt es ja den Punkt, an dem das für das Kind keine Frage mehr ist, sondern sie wild entschlossen sind, dass Schule jetzt "dran" ist. Oder evtl. ist sie selbst noch sehr zögerlich. Das sind ja sehr unterschiedliche Ausgangssituationen...

Und mir wird noch nicht deutlich, ob und wie sich die von Dir vermuteten Probleme im Alltag niederschlagen. Ob sie sich bei Betätigungen, die dem Kind wichtig sind oder von ihm verlangt werden irgendwie auswirken.

Beides wäre für mich wichtig für eine Entscheidung bzgl. Schulbeginn.

Wie weit SI-Therapie da jetzt Wirksamkeit zeigt, hilft ja im Moment, so zeitnah wie eine Entscheidung ansteht, nicht so wirklich weiter (und ich traue mir kein Urteil darüber zu).

Gruß
nimis
6. September 2017 09:38 # 3
Registriert seit: 30.07.2001
Beiträge: 550

Zitat / ulli99 hat geschrieben:
...Fragestellung der Mutter, ob ggfs. Rückstellung vom Schulbesuch zugunsten eines weiteren Jahres Vorschule.
In allen Bereichen erstaunlich gut entwickeltes Kind,...

Es ist jetzt September. In vielen Bundesländern hat das Schuljahr damit angefangen. Besucht das Mädchen jetzt schon in die erste Klasse? Stellt sich aktuell die Frage, ob man es aus dem Unterricht wieder heraus nimmt?

Wenn die Einschulung eh erst in 2018 vorgesehen ist, stellt sich die Frage der Zurückstellung doch erst im nächsten Frühjahr tatsächlich. In 2018 mit dann 7,1 käme eine Zurückstellung aber sicher nicht mehr in frage. das Kind wäre dann ja 8,1 zu Schulbeginn
6. September 2017 18:58 # 4
Registriert seit: 14.01.2011
Beiträge: 976

Liebe Kollegin,
ich denke für einen schnellen Fortschritt ist CO-OP eher Mittel der Wahl, da du selbst angibst, das eine Wahrnehmungsverarbeitungsstörung eher nicht für die Ursache für die Betätigungsproblematik ist. Speziell, da die Studienlage für SI bei einer Diagnose aus dem Kreis der " Nicht- Wahrnehmungsverarbeitungsstörung" sehr schlecht ist.
"Fast alles, was wir gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es". (Spitzer)
7. September 2017 22:59 # 5
Registriert seit: 12.09.2002
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 278

N abend zusammen.

Ich verstehe folgendes nicht:

"Nun machte das Kind folgendes: Es rotierte en bloc, sodass die Murmelbahn sich auf der rechten Körperhälfte befand und der ganze Ablauf war kein Problem mehr. Die Murmel lief zügig ihre Achten und blieb in der Spur."

Wie rotiert man en bloc?
Für mein Verständnis ist das ein Widerspruch.
LG
xxu
8. September 2017 13:30 # 6
Registriert seit: 17.07.2005
Beiträge: 692

Geändert am 08.09.2017 13:31:00
ich versteh das so, dass das Kind den gesamten Oberkörper zur rechten Seite drehte und dann eben die Aufgabe ohne KM-ÜberKreuzung ausführen konnte.
8. September 2017 21:36 # 7
Registriert seit: 03.01.2011
Beiträge: 383

Ich frage mich gerade auch von welchem Jahr der Einschulung wir gerade sprechen. Ist die Schule nicht in bald allen Bundesländern losgegangen und selbst in denen wo es nicht so ist, muss da nicht schon entschieden sein, ob das Kind jetzt zur Schule kommt oder nicht?
Die hauptsächliche Frage ist doch nun: Hat das Kind Schwierigkeiten in den schulisch relevanten Themen? Wie ist der Schuleignungstest ausgefallen? Gab es da Bereiche, die unsicher waren, oder die auf der Kippe waren?
Die Beobachtungen in den klinischen Beobachtungen sind ja "ganz nett", aber die Frage ist, kommen durch diese Auffälligkeiten, die im Test auftreten, auch Probleme im Alltag zu Stande, oder kommt die Kleine gut zurecht?
9. September 2017 16:52 # 8
Registriert seit: 26.02.2004
Beiträge: 21

Herzlichen Dank für eure Antworten,

zu den fachlichen Fragen, wenn ein Kind keine Überkreuzung der Mittellinie ausführen kann, ergeben sich ganz einfache praktische Probleme, da keine ausreichende Vernetzung der beiden Hemisphären stattgefunden hat durch z. B. Überspringen der Krabbelphase. Diese Beobachtung geht häufig einher mit Schwierigkeiten in der Raum-Lage-Wahrnehmung, haüfig sind diese Kinder nicht in der Lage, einfachste Bewegungsparcoure auszuführen, wenn ihnen die Augen verbunden sind. Der Mangel an adequater propriozeptiver und vestibularer Wahrnehmung wird visuell ausgeglichen. Das kann verschiedene Folgen haben, Verdrehen von Buchstaben, Arbeitsaufträge werden nicht ausgeführt, Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite, exessives Suchen nach Stimuli oder sich im Extremfall durch Dylexia oder Dyscalculia äußern. Deshalb bei diesen Diagnosen auch immer diese Aspekte mit einbeziehen in die Therapiegestaltung.

Danke auch für die gutgemeinten Ratschläge bezüglich des Zeitpunktes der Einschulung. Ich habe versucht, mich auf das Wesentliche zu beschränken und habe mich deshalb auf die Kernproblematik konzentriert. Aber ihr habt Recht, das hätte den Fall klarer gemacht.. Ich lebe und arbeite im nicht europäischen Ausland, die Einschulung steht im Januar an in der Deutschen Schule.

Vielen Dank an die Kollegin mit dem Vorschlag, Co op zu verwenden, ich denke, das ist wirklich ein guter Ansatz!

Schönes Wochenende allen!

Gruß Ulli
9. September 2017 21:51 # 9
Registriert seit: 12.09.2002
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 278

Hallo Ulli99

"
Zitat / Ulli99 hat geschrieben:
wenn ein Kind keine Überkreuzung der Mittellinie ausführen kann, ergeben sich ganz einfache praktische Probleme, da keine ausreichende Vernetzung der beiden Hemisphären stattgefunden hat durch z. B. Überspringen der Krabbelphase. Diese Beobachtung geht häufig einher mit Schwierigkeiten in der Raum-Lage-Wahrnehmung, haüfig sind diese Kinder nicht in der Lage, einfachste Bewegungsparcoure auszuführen, wenn ihnen die Augen verbunden sind. Der Mangel an adequater propriozeptiver und vestibularer Wahrnehmung wird visuell ausgeglichen. Das kann verschiedene Folgen haben, Verdrehen von Buchstaben, Arbeitsaufträge werden nicht ausgeführt, Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite, exessives Suchen nach Stimuli oder sich im Extremfall durch Dylexia oder Dyscalculia äußern. Deshalb bei diesen Diagnosen auch immer diese Aspekte mit einbeziehen in die Therapiegestaltung.


Uiuiui, das sind ja ganz schön viele Behauptungen, und nicht eine einzige davon ist in irgendeiner Form bewiesen worden. Beispielsweise könnte dein Kind weder laufen noch sprechen, wenn keine "ausreichende Vernetzung zwischen den Gehirnhälften" stattgefunden hätte. In der Regel benutzen wir nämlich beide Gehirnhälften für fast alles, was wir tun.
Überspringen der Krabbelphase ist eine Normvariante, keine Pathologie. Und es gibt sicherlich eine Menge Menschen, die mit verbundenen Augen auf einem Bewegungsparcours kläglich versagen würden und trotzdem ihr Abitur ohne Nachteilausgleich wegen mangelnder Lese- oder Rechenfähigkeiten in der Tasche haben.

Ich bin immer ein wenig geschockt, wenn solche Behauptungen aufgestellt werden und sogar als Begründung für eine Therapie aufgeführt werden. Denn andererseits schreibst du ja, es handele sich um ein "erstaunlich gut entwickeltes Kind". Da gibt es doch U-Untersuchungen, Schuluntersuchungen, Entwicklungstests und unzählige Assessments, die klare Antworten liefern und gegebenenfalls eine Indikation für eine Therapie. Auch bezüglich Einschulung könntest du dort Antworten finden und KEIN mir bekannter Entwicklungstest testet "Überkreuzen der Körpermittellinie" als schulrelevante Fähigkeit.

Zu deiner Frage: Ich arbeite diagnostisch gerne mit der Zürcher Neuromotorik. Dort kann ich Seitendifferenzen in der Motorik sowohl qualitativ als auch quantitativ befunden. In der Regel fällt dort auf, wenn eine Präferenz der kontralateralen Hand aufgrund z. B. neurologischer Probleme) der eigentlich dominanten Hand entstanden ist. Der Neuropädiater sollte sicher auch weiterhelfen können, falls z. B. eine leichte Hemi vorliegt.

Schönen Abend noch
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