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Ratlos: Patientin mit Hemiparese

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19. Januar 2018 12:27 # 1
Registriert seit: 29.12.2015
Beiträge: 19

Hallo! Ich bin momentan einfach nur noch ratlos und hoffe dass ihr mir mal ein paar Denkanstöße geben könnt, wo ich überhaupt anfangen soll: ich habe seit einem halben Jahr eine schlaganfallpatientin mit Hemiparese (rechts). Dazu hat sie im linken Schultergelenk aufgrund degenerativen Verschleiß' Schmerzen bei Belastung. Im rechten Schultergelenk hatte sie eine Rotatorenmanchettenruptur. Außerdem wurde ihr von ihrem Oberschenkel Haut auf den rechten Unterarm transplantiert, meines Erachtens leider viel zu straff, so dass die Beweglichkeit der Hand inklusive Finger zuzüglich nochmal beeinträchtigt ist. Sie sitzt im Rollstuhl, kann aber sehen und am Unterarmrollator mit Hilfe ein paar Schritte gehen.
So, nun zu meinem Problem. Fast alles was sie so hat, wird beeinflusst von einem anderen leiden. Sie nutzt den rechten Arm überwiegend (was ja schon mal gut ist), weil ihr die linke Schulter bei Bewegung so schmerzt, dadurch vernachlässigt sie den linken aber sehr. Durch die Transplantation ist die Beweglichkeit im Handgelenk und die Feinmotorik wie gesagt eingeschränkt (zwar schon verbessert, aber meiner Meinung nach wird es da auch nur begrenzt möglich sein die Handfunktion weitestgehend wieder herzustellen/ noch mehr zu verbessern, da die Haut auf dem Handrücken und Unterarm zu straff ist) . Die Feinmotorik der linken Hand nutzt sie aber nicht aufgrund der Schulterschmerzen, somit kann sie nicht von dem nicht-betroffenen Arm profitieren...
Hinzu kommt ihre Haltung. Sie sitzt wirklich total zusammengesackt im Rollstuhl, den ganzen Tag. Ich habe schon vieles mit ihr gemacht, lass mir vieles für sie einfallen, erkläre auch immer alles ganz genau und zeige ihr Übungen, die sie auch alleine ausführen kann/ könnte wenn ich nicht da bin. Nur (das Hauptproblem) ist sie wirklich inaktiv und faul. Anziehtraining hat sie keine Lust zu. "Ich kann das nicht. Was soll der Scheiß? Lassen sie mich damit in Ruhe!" Wenn ich versuche mit ihr zu erörtern woran es scheitert und sie davon überzeugen will, es dich zumindest mal mit mir zu versuchen damit wir zusammen nach Lösungen suchen können, wird sie pampig. Steh- und Gleichgewichtstraining macht sie zwar manchmal mit, aber sobald es anstrengend wird, macht sie nicht mehr mit. Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit in den oberen Extremitäten macht sie auch nur mit so lange sie lust hat, meistens bricht sie aber dann ab, weil ihr das zu blöd ist und sie keine Lust mehr hat, zb bei Wischübungen mit dem Handtuch, Therapieknete etc., wenn ich sie auf einen anderen Stuhl setze, damit sie frei sitzt oder mit ihr Übungen zur Stabilisierung des Rumpfes machen möchte, das gleiche Spiel mit dem Verweis dass das alles doch eh nix bringt. Wenn ich soe frage, was ihr denn gut tut, will sie massiert werden, beschwert sich aber hinterher, dass ich sie ja nur massieren würde (was definitiv nicht stimmt). Thermische Anwendungen und passive Mobilisation lässt sie sich meistens gefallen, aber wahrscheinlich auch nur weil sie da selbst nichts machen muss. Letztendlich weiß ich einfach nicht mehr was ich machen soll. Sie ist sonst wirklich nett und man kann gut mit ihr quatschen, aber außer permanent an allen Therapeuten und Pflegern zu meckern, macht sie selbst aktiv nicht viel. So kann man natürlich auch nur schlecht sehen ob irgendwas von dem was ich alles so mache langfristig einen Behandlungserfolg bringt, da ich ja nichts dauerhaft mit ihr machen kann, ohne dass sie es spätestens beim nächsten mal ablehnt oder frühzeitig abbricht.
Bin gerade sehr frustriert und auch ratlos wo ich überhaupt noch ansetzten soll. Kann mir mal jemand den Kopf waschen oder mal ein paar Tipps geben wo ich überhaupt ansetzen soll und worauf konzentrieren und am besten so, dass sie auch zumindest etwas mitmachen kann/ muss.
Ach ja, CMOP habe ich auch schon probiert:"ach, das ist doch quatsch!" Ihr Ziel: hier raus kommen! Ich will wieder alles können... ::confused::
19. Januar 2018 17:26 # 2
Registriert seit: 01.10.2011
Beiträge: 64

Da währe dann die Frage, was ist alles?
Was muss sie können, damit sie nach Hause kann, wie kann man evtl. die Dinge, die sie nicht schafft anders organisieren z.B. Pflegedienst für.... Essen auf Rädern, Helferin für ... oder sogar 24 Std. Pflege. Es gibt inzwischen viele Möglichkeiten wenn Patienten gerne in ihren eigenen vier Wänden leben möchten. Gute Ansprechpartner für Angebote in der Umgebung sind z.b. DRK, Sozialverband oder Selbshilfegruppen.
19. Januar 2018 17:39 # 3
Registriert seit: 03.01.2011
Beiträge: 387

Ich warne dich vor, das ist ein Tipp der schwierig umzusetzen ist als Angestellter (und ich glaube richtig zu erinnern auch noch nicht so lange im Beruf bist)
Du müsstest eigentlich mit ihr noch mal explizit sprechen und ihr sagen, dass es so auch alles nichts bringt, wenn sie zu vielen keine Lust hat oder es als quatsch bezeichnet. Ihr fehlt die Motivation und dann bringt das ganze auch nciht wirklich etwas. 1-2x die Woche so ein paar wenige Übungen machen und die Hälfte davon ablehnen, funktioniert eben nicht. Frag sie, ob sie wirklich die Kraft hat, an sich zu arbeiten und für sich zu kämpfen, sonst kann man das ganze knicken und du kannst deine Zeit auch besser verwenden. Du kommst für sie und nicht für dich.
Sollte diese "Ansage" helfen, solltest du nochmal das COPM versuchen. Sie soll dir ihre konkreten Betätigungsprobleme nennen und vorallem, was IHR wichtig ist und sie soll unbedingt konkrete BETÄTIGUNGSPROBLEME nennen. Du solltest ihr klar machen, dass wenn ihr diese herausfiltert, es nicht heißt, dass ihr an die Bewältigung dieser Probleme, nicht unbedingt so herangeht, wie es "früher" mal war. Sondern das ihr Lösunwege sucht, wie sie die Ziele zeitnah bewältigen kann. Das heißt, sie lernt bei dir nicht, wie sie den Pullover anzieht wiefrüher, sondern sielernt einen neuen Weg. Wenn sie sich auf das alles nicht einlassen will. Wird das ganze eh nichts bringen. Dann kannst du lustig so weiter machen und bist mega frustriert oder beendest die Therapie.
Das ganze ist natürlich echt schwer umzusetzen. Es ist ein Tipp, den ich selbst oft nicht umgesetzt bekomme.
Sprech vorher mit deinem Chef drüber. (die sind natürlich nie glücklich drüber, wenn man Patienten "verliert", vorallem wenns langzeit Patienten sind bzw werden) Wenn ihr eh ne lange Warteliste habt, dann sollte die eine Person nichts ausmachen. Alternativ wäre auch ein Therapeutenwechsel möglich (wobei, wenn sie über alle meckert, bringt das vermutlich eh nichts). Das ganze kannst du natürlich nur machen, wenn du selbst selbstbewusst genug dazu bist und das ist oft eben das Problem (zumindest bei mir).
Vielleicht hat noch jemand einen anderen Tipp für dich. Ich wünsche dir einen guten Weg zu finden, bei dem du nicht zu frustriert am Ende bist.
19. Januar 2018 17:43 # 4
Skrölli
Skrölli
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 27

Hallo

ich denke wenn es meine Patientin wäre würde ich noch mal mit ihr reden .....

Entweder sie formuliert mit dir zusammen konkrete Alltagsziele und macht dann auch dementsprechend bei der Therapie mit oder ich würde ihr klar machen das Ergotherapie von der Krankenkasse bezahlt wird und auch Geld kostet ( leider zahlen sie zu wenig , wissen wir alle ..) und das ohne ihre aktive Mitarbeit auch keine Erfolge erzielt werden können.
Desweiteren sollte bei dieser Patientin mal geklärt werden inwiefern sie Schmerzen hemmen und ob man die Situation noch optimieren könnte (Medikamente etc.)

ich breche mit solchen Patienten das Rezept nach mehreren erfolglosen Gesprächen ab oder reduziere auf 1 x in der Woche , zwecks Kontrakturprophylaxe etc.....
In solchen Fällen kommuniziere ich das auch klar mit dem verordnenden Arzt
Wir haben eine lange Warteliste in der Praxis und ich finde jahrelange Therapie weil man sich mit dem Patienten nett unterhalten kann nicht zielführend

Ich bin nicht mehr bereit das "Pferd zur Arbeit zu tragen "::unsure::
Ich hoffe das klingt jetzt nicht zu hart , aber ohne aktive Mitarbeit ist einfach nichts zu machen und das macht auf lange Zeit mürbe....

lg
Skrölli ::smile::



19. Januar 2018 21:47 # 5
Registriert seit: 19.01.2018
Beiträge: 3

Hallo lilakatze,

Ich muss es gleich sagen, ich bin weder Physio noch Ergo, ich bin lediglich ein zugegebenermaßen erfolgreicher User. 2007 Apoplex rechts, links gelähmt, nach der Akutphase sagte man mir, ich werde mein restliches Leben im Bett bzw. Rollstuhl verbringen müssen, aber das war mir echt zu "stressig"! Ich bin heute Fitnesstrainer, Reha Trainer und Aquatrainer. Gut, es haut noch nicht alles wieder so hin wie früher, aber es funktioniert! 2 Grundregeln habe ich in den letzten Jahren gelernt, 1. Nicht jeder Therapeut ist dein Therapeut und 2. Nur der Betroffene entscheidet ob er genesen wird! Ich war mir mit meiner Physio einig, dass es mindestens 85% Patienten Sache ist und 15 % Thetapeutenarbeit. Viele Betroffene glauben, der Therapeut sei der Verantwortliche, nur der Betroffene entscheidet. Ich habe den einzigen Weg gewählt, der für mich einen logischen Sinn ergab, denn des Kraft/Ausdauersport und den ohne wenn und aber! Meine Physio sagte es so, "... für dich gab es keine Option Lähmung!" Bei mir lief das meiste über PNF aber auch Bobath war dabei. Wir stellten dann zusammen fest, ich bin ein visueller Typ, alles eas man mir zeigte, wusste ich umzusetzen und ich war mir zu nichts zu schade. Beim ersten Kontakt zu meiner Physio sagte ich ihr klipp und klar, "... sie könne mich anschreien, schlagen und treten, ich würde alles tun denn ich muss in 5 Jahren mit meiner Tochter zum Abiball tanzen und zwar ohne Krückstock!". Was ich damit sagen will, sie soll sich einen Grund suchen weshalb sie alles tun will!
Ich wünsche dir viel Erfolg und hoffe du kannst etwas vom dem Geschwafel gebrauchen! 🤣
7. August 2018 11:38 # 6
Registriert seit: 07.08.2018
Beiträge: 3

Hallo,

sorry, dass ich auf so einen alten Faden noch mal antworte, aber ich bin neu im Forum. Vllt. besteht das Problem ja noch, oder vllt liest das mal jemand mit einer ähnlichen Problematik. Ist ja durchaus ein Problem, dass im Berufsalltag nicht allzu selten vorkommt, leider.

Die Patientin hat ganz offenbar den positiven Bezug zu ihrem eigenen Körper verloren. Das ist häufig, wenn multiple Probleme bestehen, die sich gegenseitig verschlimmern und in einer Abwärtsspirale enden.
Das Resultat ist, dass der eigene Körper in seiner GANZHEIT nicht mehr positiv wahrgenommen werden kann. Nicht nur die betroffenen Strukturen werden negativ besetzt, sondern der gesamte Körper und der vollständige Umgang damit. Das führt dann sehr oft zu einem Verhalten wie Du es beschreibst: ablehnend, passiv, weigernd, unzufrieden. Der Prozess ist natürlich unbewusst, so dass die Patienten die Schuld auf "das Schicksal", die Ärzte, die Therapeuten oder wen auch immer schieben.

Ich hatte sowas schon öfter. Manchmal habe ich nichts dagegen tun können. Aber manchmal schon. Du wirst in so einem Fall solange mit dem Patienten nicht weiterkommen, bis dieser wieder beginnt, irgendwelche positiven Aspekte seines Körpers wahrzunehmen und damit wieder lernt, seinem eigenen Körper "kooperativ gegenüber zu stehen". Für mich war hier das Zauberwort Basale Stimulation.
Als ich das letzte Mal so eine Patientin hatte, habe ich nach einer Weile kurzerhand alle funktionellen Übungen und die eigentlichen Therapieziele erstmal rigoros beiseite gelegt, und ausschließlich Basale Stimulation gemacht. Über mehrere Wochen. Egal was in der VO steht, egal was beim Assessment rauskam. Habe auch PMR und Snoezelen mit eingebaut. Manchmal einfach auch nur was mit ihr gespielt, oder mit ihr (im Rollstuhl) rausgegangen und dabei vor allem olfaktorische, gustatorische und auditive Reize angeboten. Facio-Orale Stimulation würde eventuell auch gehen, hab ich nicht versucht.
Resultat: es hat was gebracht. Sie fing nach einer Weile wieder an, zu spüren, dass ihr Körper auch positive Empfindungen aufnehmen kann.
Ich habe dann Schritt für Schritt wieder funktionelle Therapie-Inhalte eingebaut. Diese wurden dann besser angenommen. Nicht gut genug, aber deutlich besser.

Mit diesem Ansatz fahre ich öfter ganz gut. Auch bei anderen Krankheitsbildern. Klar, es gibt auch Fälle wo das alles nix nützt. Wenn ich alles versucht habe (deutliches Gespräch, Motivationsübungen, o.g. Ansatz), dann lege ich den Fall für mich ad acta und fühle micht nicht mehr verantwortlich für die Genesung. Ich mache dann einfach was der Patient will, und schreibe in den Bericht, dass ich eine Fortsetzung der Therapie für sinnlos halte. Soll dann der Arzt entscheiden, ob die Kasse weiter zahlen soll. Als Therapeut kann ich nur Angebote machen. Wenn Patienten diese nicht annehmen, kann ich meine Angebote ändern. Wenn das nichts hilft, grenze ich mich ab.

Hoffe, das hilft ein wenig?
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