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Ergotherapie quo vadis?

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19. April 2018 22:15 # 1
lynx
lynx
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 4

Hallo ihr Ergos!

Dies ist mein erster Beitrag. Ich selbst bin noch kein Ergotherapeut, werde aber durch eine anstehende Umschulung in naher Zukunft einer werden.
Ich habe mich nicht für diese Art von Arbeit entschieden, weil es hier soviel Geld zu verdienen gibt!
Auch die teilweise speziellen Arbeitsbedingungen sind nicht der Grund!
Der Grund ist, dass ich einen Beruf machen möchte, der mir einen Sinn gibt. Der mich menschlich erfüllt und der vielleicht einem einem höheren Zweck dient, als mich lediglich zu ernähren und am Leben zu erhalten.
Aber das natürlich nicht zu jedem Preis und jeder Bedingung!

Ich habe mich in letzter Zeit ein wenig eingelesen und auch mit diversen Leuten unterhalten.
Die Löhne sind im Keller, die Bedingungen sind schlecht. Selbst Praxisinhaber kommen grad über die Runden, nur wenn sie sehr gut planen und organisieren können.
Keine rosigen Aussichten!

Trotzdem will ich in diesen Beruf wechseln.
Warum könnte man sich fragen. 'Bleib in der Industrie' hat man mir geraten. 'Mach ne Umschulung in einen Bereich wo Du mehr verdienen kannst!' Gute gemeinte Ratschläge. Aber mein Gefühl sagt mir, ich bin in der Ergotherapie genau richtig! Weil es mir nicht nur ums Geld geht!

Aber versteht mich nicht falsch, ich verdiene gerne Geld!! (Wer nicht hebt die Hand!) Will micht nicht abhängig von einem gut verdienenden Partner machen müssen. Ich lese hier immer wieder was von Frauenberuf. Ich bin gar keine Frau. Werde daher auch sehr wahrscheinlich keinen Partner haben, der ein Mann ist und mich dann finanziell absichert.
Zudem muss ich auf eigenen Beinen stehen. Unabhängig sein und bleiben.
Wie ist das bei euch? Seid ihr auch gern unabhängig? Verdient euer ehrliches Geld für ehrliche Arbeit?
Ich schon. Bisher habe ich das auch getan. Aber mit Blick auf die Ergo, mach ich mir doch ein bißchen Sorgen.
Nachher muss ich mir womöglich noch ne Frau suchen, die in nem Männerbaruf arbeitet!? ::scared::

Worauf ich hinaus will:
Woher kommt diese Schieflage? Sind die Krankenkassen Schuld? Hat der VDE nicht aufgepasst? Was ist mit der Verantwortung, die ihr für euch selbst habt/ hattet?
Was ich im Leben gelernt habe ist, dass es (fast) immer zwei Seiten gibt. Eine Seite die macht und eine die mit sich machen lässt. Keiner ist einfach Opfer. Ich habe die Vermutung, dass hier einiges zusammenspielt. Und es hat bestimmt auch damit zu tun, dass dieser Beruf ein typischer 'Frauenberuf' ist. Kein Frauenberuf per se. Vielleicht einer der es geworden ist, weil es hier nicht soviel zu verdienen gibt.
Der Mann muss halt Geld verdienen und ernähren. Die Frau kann das Taschengeld reinholen.
So war das Denken früher. Und auch heute ist das noch in vielen Köpfen. Selbst jetzt, wo längst überall diskutiert wird, wie man Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern schafft. Gender Pay Gap. Equal Pay. Das sind keine Mythen!
Und es liegt nicht nur daran, dass das Geld nur in der Industrie zu holen ist. In sogenannten Männerberufen. Denn die Gesundheitsbranche ist auch Teil einer gut funktionierenden Industrie.

Aber ich schweife ab...

Es scheint für mich jedenfalls so, dass Frauen weniger für ihr Gehalt kämpfen. Hat vielleicht mit der Erziehung zu tun und mit dem gesellschaftlichen Denken, dass Frauen eben brav sein sollten/ müssen? Alles reine Spekulation meinerseits.
Da lasse ich mir gern wiedersprechen!
Dennoch glaube ich, wenn man dafür kämpft, dass man die Möglichkeit hat, aus dem Beruf das zu machen, was er sein sollte. Mit vernünftiger Bezahlung und guten Bedingungen. Das Geld ist da! Nur noch nicht fair verteilt!

So, das war´s auch schon von mir. Das ist mir in den letzten Tagen so durch den Kopf gegangen und ich dachte ich hau's mal raus und eröffne eine vielleicht anregende und weiterbringende Diskussion.

Auf ein Wort
lynx
20. April 2018 10:09 # 2
falladar
falladar
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1376

@lynx
Sag, bzw. schreib doch einfach mal was du finanziell benötigst/haben willst um nicht von deiner Frau "abhängig zu sein" und welche Arbeits- und Rahmenbedingungen du von deinem zukünftigen Arbeitgeber erwartest. Vielleicht finden sich doch mehr zukünftige Arbeitgeber, die deine normalen Wünsche erfüllen können, als du denkst. Die von dir beschriebenen "Schieflagen" sind vielleicht doch nicht der Standart in unserem Beruf.

Das der DVE bzw. BED geschlafen haben, würde ich, mit über 20 Jahren Berufserfahrung, nicht sagen. Es war nicht einfach unter den früheren Rahmenbedingungen (z.B. Grundlohnsummenbindung) große Vergütungssprünge zu machen. Der DVE muss für einzelne Bundesländer separate Abschlüsse aushandeln. Bundeseinheitliche Honorare gibt es nur bei den Berufsgenossenschaften und der LKK. Die Hauptarbeit in den Verbänden wird immer noch von ehrenamtlichen Mitgliedern geleistet, die das neben ihrer Arbeit in ihrem eigentlichen Job oder Firma machen. Profitieren tut davon auch die Masse an Nichtverbandsmitgliedern - Geiz ist und war ja bekanntlich geil -. Mit mehr Geld könnten auch bessere Fachleute für die einzelnen Bereiche fest angestellt werden. Die gesetzlichen KK arbeiten hier ja auch nicht mit Eherenamtlichen, sondern mit spezialisierten Fachkräften. Ich bin daher für eine Therapeutenkammer mit festen Pflichtbeiträgen für alle Therapeuten. Von mir aus können dann, ähnlich wie bei der BG, die Beiträge für alle MA auch nur von den AG zu bezahlen sein. Es sind dann halt fest kalkulierbare Betriebsausgaben. Eine gute Berufspolitik läßt sich nun einmal nicht so nebenbei machen. Das Ergebniss sehen wir aktuell bei allen 3 Heilmittelerbringern.

Vielleicht wäre das auch mal ein sinnvolles Thema in der Ergotherapieausbildung.

MfG falladar
21. April 2018 18:23 # 3
lynx
lynx
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 4

Hi Falladar,

zu meinen persönlichen konkreten Vorstellungen schick ich dir gleich mal ne PN.
Zu meinen generellen Vorstellungen, wie die Arbeitsbedingungen als Ergo aussehen sollten, beziehe ich hier Stellung.

Ich fang mal mit dem Gehalt an.
Alles unter 2000 € brutto geht gar nicht! Damit meine ich natürlich auch Berufsanfänger!!
Der Bedarf an Ergos ist derzeit (und scheinbar ja auch schon etwas länger) sehr hoch. Die Anzahl an Fachkräften scheint rar.
Einfaches Prinzip der Marktwirtschaft von Angebot und Nachfrage. Das verschafft Verhandlungsspielraum.
Zudem muss sich ja in der Regel auch die selbst finanzierte Ausbildung (ca.15,000€) erstmal amortisieren.
Klar gibt’s mittlerweile auch schulgeldfreie Ausbildungen aber die sind meines Wissens derzeit noch in der Minderzahl.

Das sind definitiv Argumente auf eurer Seite, was den Lohn angeht. Da ist auch noch Luft nach oben ;-)
Ok, die Krankenkassen deckeln das Ganze etwas. Das ist aber erstmal nicht das Problem des Angestellten, sondern des PI, der Klinik, etc. Die müssten dann theoretisch über ihren Berufsverband Druck bei den KK machen lassen bzw. diesen dazu anhalten ihre politischen Kontakte zu nutzen, damit Gesetze auf den Weg gebracht werden können, die Veränderungen ermöglichen.
Lobbyarbeit nennt man das glaub ich ;-)

Jetzt musste ich erstmal 'Grundlohnsummenbindung' recherchieren. Denke, hab´s kapiert. Ist aber ja nur eine Regelung zur Gesamtverteilung der Gelder aus dem Gesundheitsfonds. Das Problem liegt ja eher bei den niedrigen Sätzen pro Behandlungseinheit oder?

Wieso muss der DVE/BDE eigentlich für jedes Land einzelne Abschlüsse erwirken? Hat das mit den KK zu tun oder schreibt der Gesetzgeber das vor?
Bundeseinheitliche Regelungen wären definitiv einfacher und würden nicht so viele Kapazitäten bei Verhandlungen binden.
Orientieren sich die Krankenkassen wenigstens an Tarifabschlüssen aus anderen Bundesländern? Oder wie läuft das ab?
Ziemlich aktuell ist die Erhöhung in Niedersachsen:
dve.info/service/aktuelles/1372-langfristiger-abschluss-in-niedersachen
Hat das Einfluss auf andere Bundesländer?

Den Vorschlag einer Kammer unterstütze ich direkt!!! Da sollten alle mal drüber nachdenken finde ich.
Ein Zusammenschluß von allen Heilmittelerbringern könnte das Ganze immens stärken und nach vorn bringen.
Der Einfluss der einzelnen Verbände ist vielleicht zu gering um größere Sprünge zu machen? Zudem kocht dann jeder sein eigenes Süppchen..

Sitzen die Verbände in regelmäßigen Abständen zusammen und beraten sich oder werden eher Mauern und Gräben gezogen?
Könnten die Verbände mit/zu einer Kammer 'fusionieren'?
Kann da jemand internes vielleicht was zu sagen?

Andere Wünsche sind:
  • finanzielle Unterstützung oder komplette Übernahme von Weiterbildungen so wie es in der Industrie üblich ist
  • bezahlte Freistellung während der Weiterbildung (so wie es oftmals auch in der Industrie üblich ist)
  • genügend Zeit für Berichte (evtl. direkt nach Behandlung); damit wäre gewährleistet, dass keine Informationen abhanden kommen, zudem hätte man etwas Zeit in Ruhe von einem Klienten auf den nächsten 'umzuschalten'
  • Fahrtkostenübernahme bei Hausbesuchen (Kilometerpauschale?)
  • 37,5 – 40 h Stunden pro Woche (mal ne Überstunde geht immer, muss aber auch zeitnah wieder abgebaut werden können

Ich glaub das war´s für´s erste. Wenn mir noch was einfällt, schreib ich´s im nächsten Post.

Auf ein Wort
lynx
23. April 2018 13:38 # 4
falladar
falladar
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1376

@lynx

Gehalt:
2000,00 € Brutto/Monat => 40Std/W = Stundenlohn von 11,45 € => ist auch mit den Vergütungen in den "neuen Bundesländern" ohne Probleme möglich. Mit Berufserfahrung sollten hier auch Gehälter von 12,50 aufwärts möglich sein. Für die "Alten Bundesländer" liegen mögliche Gehälter bei 14,00 Euro aufwärts. Die Angaben gelten nur für Ergotherapiepraxen. Kliniken/Heime/Behinderteneinrichtungen und sonstige Arbeitgeber hab ich hier nicht mit eingeschlossen.
Das Prinzip "Angebot und Nachfrage" funktioniert hier nicht, da die benötigten Honorare für unsere Tätigkeit nicht frei verhandelbar sind. Somit kann sich eine Praxis leider nicht jeden Mitarbeiter leisten. Ist er zu teuer, muss ich ihn ziehen lassen, egal wie gut er als Therapeut und Mitarbeiter ist, oder wir gehen auf Dauer pleite und er muß sich dann sowieso einen neuen Job suchen.

Ok, die Krankenkassen deckeln das Ganze etwas. Das ist aber erstmal nicht das Problem des Angestellten, sondern des PI, der Klinik, etc
Wenn du Druck auf die GKV und den Staat ausüben willst um bessere Honorare und eine Ausbildungsvergütung auszuhandeln, benötigst du nicht nur die paar PI in Deutschland, sondern auch alle Ergoschüler und alle angestellten Therapeuten und deren Patienten. Da sich der Großteil der PI und Therapeuten jedoch vor einer Verbandsmitgliedschaft drückt und auch auf keiner Demo, ect. erscheint, ist der Druck den unsere Verbände ausüben können sehr gering. Daher meine Zustimmung zur Gründung einer allgemeinen Therapeutenkammer bzw. nur einer Ergotherapeutenkammer.

Grundlohnsummenbindung bedeute, dass in der Vergangenheit die max. auzuhandelnde Vergütungshöhe den Prozentsatz diser nicht übersteigen durfte. Gab es mal ein Jahr mit keinem oder nur einem deutlich geringeren Abschluß, war es nicht möglich diese Differenz bei der nächsten Verhandlung darufzuschlagen. Da galt dann wieder der Grundsatz "X% Grundlohnsummenentwicklung = max % Vergütungserhöhung" und keinen Cent mehr.

für jedes Land einzelne Abschlüsse
Auch die AOK besteht aus einzelnen "Tochterfirmen". Jede schließt für ihr Bundesland, für das sie zuständig ist, einzelne Vergütungsvereinbarungen ab. Selbst die AOK Nordost, zuständig für BRB, Berlin und MV, unterscheidet immer noch bei den Vertragsabschlüssen und bei der Abrechnung zwischen den drei einzelnen Bundesländern. Berlin bekommt durch die alte OST-WEST-Teilung im gesamten Bundesland den "Westtarif", BRB und MV als "nur Ostbundesländer" einen deutlich geringeren Osttarif. Diese Ost-West-Teilung gibt es aber auch immer noch beim Arbeitslosengeld, Harz4, der Rente, u.s.w.!!!

Der DVE als "dienstältester" und "größter" Verband der Ergotherapeuten ist für die Vergütungs- und Vertragsverhandlungen zuständig. Der BED hat es auch einmal versucht, die Ergebnisse waren jedoch noch deutlich schlechter ausgefallen.
Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Selbstverwaltung gemeinsamer Angelegenheiten von Angehörigen bestimmter Berufszweige. Sie nehmen im Auftrag der jeweiligen Landesregierung und des zuständigen Ministeriums Verpflichtungen wie z. B. die Rechtssetzungs- und Aufsichtsfunktion über ihre Mitglieder wahr. Der BED und der DVE sind Verbände und können sich nicht zu einer Kammer zusammenschließen.
https://www.berlin.de/sen/gesundheit/themen/institutionen/kammern/
Verbände sind Gruppen von Einzelpersonen (natürliche Personen) oder Körperschaften (juristische Personen) aller Art, die sich freiwillig zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke zusammengeschlossen haben und meist über eine feste interne Organisationsstruktur auf Basis einer Satzung verfügen. Verbände bündeln die Interessen der einzelnen Mitglieder zum Erreichen gemeinsamer Ziel- oder Wertvorstellungen, sie stellen eine soziale Interessengruppe dar (Interessenverband). Sie existieren und agieren in allen Gesellschaftsbereichen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Verband_(Recht)

Jeder Verband der beiden Ergotherapieverbände agiert weitestgehend allein. Eine wirkliche Zusammenarbeit ist mir nicht bekannt.

LG falladar

PS: Ich hoffe, es ist auf die Schnelle nicht zu wirr geworden und die Rechtschreib- und Grammatikfehler halten sich in Grenzen. Sollte etwas nicht so eindeutig sein oder jemand einen Fehler in meiner Ausführung finden, dann korrigiert mich ruhig. Ich lerne gern dazu.
26. April 2018 19:08 # 5
falladar
falladar
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 1376

.... das war`s schon? Ich dachte und hoffte, es gibt einen regeren Austausch.

LG falladar
28. April 2018 22:40 # 6
lynx
lynx
Ehemaliges Mitglied
Beiträge: 4

Hi falladar, hallo an alle Mitleser!

Ich hoffe ja, dass der ein oder andere noch der Diskussion beitritt und vielleicht sogar auch was kontroverses zu dem vorher geschriebenen in den Raum wirft!

Bis dahin bleibt´s wohl bei uns beiden!?
Vielen Dank übrigens für die Mühe und Zeit, die Du zum beantworten meiner Fragen aufgewendet hast.

Back to topic:
Angebot und Nachfrage funktioniert hier nur eingeschränkt würde ich behaupten. Man muss ja nicht überm Limit verhandeln. Aber es muss definitiv verhandelt werden. Wenn ich lese, dass ausgebildete Therapeuten, (Fachkräfte!) mit 1700€ brutto nach Hause gehen, frag ich mich, was da los ist. Davon kann eigentlich niemand anständig leben. Und das erklärt natürlich auch, warum viele Therapeuten aus ihrem eigentlich gern ausgeübten Beruf flüchten.

Oder ist dem nicht so?

Wie vorher schon erwähnt, kann ich der Gründung einer Kammer nur zustimmen! Schwierig ist an der Stelle nur, genug Leute dafür zu gewinnen. Wenn jetzt schon ein Großteil nichtmal einem Verband beitritt, müsste man da schon sehr hart die Werbetrommel rühren, um dafür Zustimmung zu ernten.

Ich würde jetzt gern mal von Therapeuten lesen, die generell gegen eine Kammer sind. Gibt's da welche? Wenn ja, gern mal die Kontras aufzählen bitte.


Dass DVE und BED sich nicht zu einer Kammer zusammenschließen können, war mir schon bewusst. Ich dachte eher an sowas, wie Auflösung der Verbände und die dann ehemaligen Mitglieder bilden den neuen Stamm einer Kammer. Zumindest wäre ja hier schonmal Wissen und Erfahrung in wichtigen Themengebieten vorhanden.
Ich weiß natürlich nicht, wie das rechtlich aussieht und ob das überhaupt machbar wäre.
Kennt sich da jemand aus?


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