Hallo,
ich finde es gut, dass du dir deiner "Lücken" bewusst bist und dazu lernen willst. Das müssen wir alle zu Beginn und es steht keinem hier zu aus der Ferne über dich zu urteilen.
Aus eigener Erfahrung möchte ich dir unbedingt raten, dass du das Angebot der
Hospitation bei deinen Kolleg*innen animmst. Nutze es, gucke zu, stelle Fragen und lerne dazu! Du hast ja selbst gesagt, dass der Unterricht in deiner Schule sehr theoretisch war und es dir vor allem an
Praxiserfahrung fehlt. Das ist deine Chance!
Desweiteren möchte ich dir
Fachliteratur ans Herz legen. Das Buch "Pädiatrie in der Ergotherapie" ist wirklich sehr gut, vielleicht habt ihr es in der Praxis oder eine deiner Kolleginnen hat es oder deine Chefin schafft es an:
LinkAuch in ergotherapeutischen Fachzeitschriften findest du gute Informationen. Vielleicht bist du Mitglied im DVE und bekommst die ET & Reha oder ihr habt diese Zeitschrift oder eine andere in der Praxis. Die ergopraxis des Thiemeverlags hat auch immer einige Artikel, die frei zugänglich sind. Hier lohnt es sich also auch zu suchen. Hier zwei Beispiel für Artikel zu Assessments:
COSA:
LinkMC Master Handwriting Protocol:
LinkUnd zum
klientenzentrierten Vorgehen in der Pädiatrie:
LinkUnd dann würde ich gerne noch etwas zum allgemeinen Vorgehen in der ergotherapeutischen Befundung sagen. Wichtig ist, dass du den Fokus auf die
Betätigungsprobleme des Kindes setzt. Um herauszufinden, welche das sind, ist ein Elterngespräch und bei größeren Kindern auch Gespräche mit den Kindern sinnvoll. Überlege dir auch gut, welche Informationen du benötigst, um herauszufinden, wo das Kind genau Probleme hat und wie du an diese Informationen kommst (Gespräch, Assessment, Test, Beobachtung). Hier gibt es Hilfen, auch in Form von strukturierten Bögen und Assessments, die dir einige Kolleg*innen schon genannt haben. Vielleicht habt ihr einen Bogen in der Praxis, vielleicht sogar das COSA o.ä. Auch ein COPM a kids (mit Grundschulkindern und Eltern) kann ich für einige Kinder empfehlen.
Das bloße Durchführen von standardisierten Tests und Assessments ist
nicht sinnvoll, du solltest als Therapeutin immer wissen, wann du welches Befundinstrument durchführst und wie du die Ergebnisse bewertest und interpretierst.
Es ist also wenig hilfreich, bei jedem Kind (egal mit welchen Betätigungsbedürfnissen und -problemen) einen FEW-2 durchzuführen - nur weil das Kind im Grundschulalter ist und "die da ja eh alle schreiben müssen". Die Auswahl der Befundinstrumente sollte sich an den Informationen, die du Schritt für Schritt sammelst (z.B. aus der Verordnung und im Elterngespräch), orientieren. Hieraus ergeben sich erste Vermutungen (sogen. Hypothesen), die sich dann in der weiteren Diagnostik mit dem entsprechenden (und hoffentlich geeignetem) Befundinstrument bestätigen oder verworfen werden.
Zu guter Letzt möchte ich auf das Kernstück der ergotherapeutischen Befundung zu sprechen kommen:
die Betätigungsanalyse. Wir sollten uns immer die Betätigung, die der/die Klient*in durchführen will oder muss aber nicht zufriedenstellend durchführen kann, angucken und sie (ggf. gemeinsam mit dem/der Klient*in und dem Umfeld) analysieren, um dann auch Lösungen erarbeiten zu können. Dies gilt uneingeschränkt und unabhängig vom Alter und der Diagnose. Wenn also ein 6jähriges Kind nicht Fahrrad fahren kann, dies aber gerne lernen möchte, dann schaue ich mir an, wie es aktuell Fahrrad fährt und woran es "scheitert". Was ist das Problem, wie "weit" kommt es? usw.
Wenn ein 5jähriges Kind nicht auf der Linie schneiden kann, dann gucke ich mir an, wie es schneidet.
Wenn ein 7jähriger nicht auf einer umgedrehten Bank im Schulunterricht balancieren kann, dann gucke ich mir an, wie er balanciert. Wenn ein 4jähriger seine Schuhe nicht anziehen kann..... usw .....
Auch hierzu gibt es Literatur. Eine erste "Einführung" von Ellen Romein findest du hier:
LinkIch hoffe, dir damit ein wenig geholfen zu haben - bin aber weiterhin davon überzeugt, dass du vor allem durch die Hospitation viel lernen kannst.
Auf gehts!