Registriert seit: 10.02.2005
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin gerade etwas ratlos und könnte einige Ideen zur Behandlung eines Patienten brauchen. Der Herr ist Mitte 60, die Diagnose lautet "F25.9G, schizoaffektive Störung, nicht näher bezeichnet". Laut Ehefrau und Betreuerin zeigte der Patient quasi über Nacht spontan deutliche Demenzanzeichen, die sich im Lauf der Zeit drastisch verschlimmert haben. Therapieziele laut Verordnung sind "Verbesserung des situatiuonsgerechten Verhaltens, der sozioemotionalen Kompetenz und Interaktionsfähigkeit". Der Patient kann nicht sprechen, nur lautieren. Er ist oft sehr aufgeregt, atmet schwer, schaut dauernd auf die Uhr, wirkt orientierungslos und verwirrt, ist aber immer sehr freundlich. Auch einfachste Aufgaben kann er nicht bewältigen. Z.B. der Aufforderung, eine Reihe von Gegenständen von links nach rechts zu legen, kann er nicht nachkommen. Einfachste Anwesiungen (gehen Sie bitte einen Schritt zur Seite) versteht er nicht. Er mag es, bunte Gegenstände nach Farben zu sortieren, auch dies gelingt ihm nur sehr langsam und äußerst fehlerhaft. Hier findet er aber etwas Ruhe und Freude, es ist etwas, was er wiederholt einfordert. Wirklich weiter bringt ihn das aber nicht. Ich bin ratlos. Ziele können weder Patient noch Angehörige formulieren. Ein Gespräch mit dem Patienten ist nicht möglich. Neue Aufgaben scheinen ihn stets zu überfordern. Die Diagnose scheint mir eher eine Verlegenheitsdiagnose zu sein, denn der dramatische Verlust seiner kognitiven Fähigkeiten scheint niemandem so recht eklärbar. Ich bin weit davon entfernt zu glauben, seine Situation und seine Symptome entscheidend beeinflussen zu können. Jedoch würde ich gern einen neuen Ansatz finden, ihn zumindest etwas zu fordern und ihm das Gefühl zu geben, kognitiv etwas leisten und eine Aufgabe bewältigen zu können. Habt Ihr vielleicht eine Idee? Gruß, Karsten
R46.2 – und Spaß dabei!
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Was hat er gerne gemacht. Hobby? Beruf? Wie verhält er sich draußen? Geht er gerne raus?
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Geändert am 28.06.2019 07:56:00
doppelt - keine Ahnung warum :-D
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Er hatte einen Job in einer Spielhalle. Ist gelernter Schlosser. Geht gern spazieren, sonst keine Hobbies.
R46.2 – und Spaß dabei!
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Kannst Du Dir vorstellen, dass es draußen mit ihm leichter wäre? Streßabbau? Oder regt es ihn erst recht auf?
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Ich glaube, draußen wäre es zu aufregend für ihn. Er geht nur seine genau festgelegten Runden zu Hause, alles andere bringt ihn durcheinander.
R46.2 – und Spaß dabei!
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Ist es denn sicher, dass die Ursache im psychiatrischen Bereich zu suchen ist? Wurde eine CT oder MRT gemacht um neurologische Erkrankungen auszuschließen?
Ich würde versuchen dem Patienten alltagspraktische Tätigkeiten anzubieten. Butter auf eine Scheibe Brot schmieren, Wurst aus der Packung auf das Brot legen, etc. Je nachdem was halt zu Hause von ihm vorher selbst gemacht worden ist. Wenn seine Frau ihm seit Jahrzehnten die Schnittchen macht...
Ansonsten viel mit der Ehefrau besprechen wie es zu Hause läuft: -wer zieht ihn an, wäscht ihn, macht ihm das Essen, reicht es ihm an, bringt ihn auf die Toilette, etc und dann darüber schauen ob noch Fertigkeiten aktivierbar sind die evtl. nicht komplett verschütt gegangen sind. Wenn er immer aufgeregt aber freundlich ist kann ich mir vorstellen die Behandlungseinheiten in Richtung ADL-Training zu verändern und als Ausgangsposition: Pat. kommt rein, wird wenn er es selbst nicht kann bis auf die Unterhose ausgezogen (im Beisein der Frau falls nötig) und wird dann in der Therapieieinheit beim Anziehen begleitet.
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T. Hanke: ja, vielen Dank. Insgesamt klingt das gut. Beim Ausziehen des Patienten tu ich mich etwas schwer – ich finde es evtl. ein bisschen entwürdigend. Aber die Ansätze finde ich gut, danke! Karsten
R46.2 – und Spaß dabei!
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Hallo Karsten, ich habe oft mit Patienten mit ähnlichen Symptomen zu tun, egal ob nach CVA oder durch dementielle Prozesse. Ich habe gute Erfahrungen damit wenn ich führen nach Affolter anwende. Wenn Dein Patient Schlosser war und gerne Sachen einsortiert könntest du mit ihm unter Berücksichtigung des Affolter Prinzips (viel tiefensensible Input) zB einen Werkzeugkasten einsortieren, Schrauben eindrehen in einer Holzplatte die Du vorher mit ihm gebohrt hast. Das eher mit dem Ziel seine Körperwahrnehmung zu verbessern bzw einen Zugang zu ihm zu bekommen über den taktilen und propriozeptiven Kanal. Wirkliche Betätigungsziele würde ich Erfahrungsgemäß erst formulieren wenn einen Zugang gefunden wurde und Du auch eine therapeutische Beziehung zu ihn aufbauen konntest. Viel Erfolg, Anne
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Hallo Anne, vielen Dank, das sind wertvole Hinweise! Karsten
R46.2 – und Spaß dabei!
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