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Was haltet Ihr von der Arbeit in einer forensischen Klinik?

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18. März 2022 09:21 # 1
Registriert seit: 16.08.2006
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Beiträge: 15

Hallo an alle,

mich interessiert die Frage, wie Ihr die Arbeit in einer forensischen Klinik seht.
Als Mitarbeiter in einer solchen Einrichtung als Ergotherapeut erlebe ich immer wieder abwertenden Kommentare, wenn ich erzähle, womit ich mein Geld verdiene. Und das aus allen Berufsrichtungen.
Die allermeisten Menschen können meiner Meinung nach nicht beurteilen, wie es in so einer Klinik aussieht, weil ja kaum einer Berührungspunkte hat. Wie auch? Ist ja meist ein geschlossener Bereich.
Dementsprechend schwer ist es, neue Mitarbeiter zu finden. Selbst Freunde/Bekannte winken ab, wenn ich sie auf eine freie Stelle anspreche.

Die Aufgaben als Ergotherapeut sind schier grenzenlos und man hat das gesamte Spektrum psychiatrischer Krankheitsbilder. Dadurch wird es interessant.
Durch die langen Liegezeiten baut man Beziehungen zu seinen Patienten auf und wird auch wichtige Bezugsperson.
Also insgesamt gesehen, auch finanziell, wird die Forensik meiner Meinung nach, stark unterbewertet.
Für mich gab es bisher keinen erfüllenderen Bereich.

Wie seht Ihr das? Was wisst Ihr über den Maßregelvollzug? Würdet Ihr Euch bewerben, wenn Ihr die Gelegenheit dazu hättet (übrigens ist bei uns gerade eine Stelle frei::biggrin::)?

Ich freue mich auf einen Austausch. Ich würde es gerne besser verstehen, wie das Thema unter Ergos von außen betrachtet wird.

Viele Grüße

Signatur ;)
18. März 2022 11:55 # 2
Registriert seit: 13.03.2011
Beiträge: 201

Leider zu weit weg :)

Nein, jetzt mal ernst.
Ich weiß nicht, ob ich mir diese Arbeit zutrauen würde. Vielleicht jetzt nach der Arbeit in der psychiatrischen Tagesklinik schon eher, aber ... ich weiß nicht.

Ich kann mir vorstellen, dass man sich da als Ergo toll entfalten könnte. Aber ich weiß nicht, ob ich persönlich das nötige Selbstbewusstsein mitbringe....
Ich kann mir vorstellen, dass man da ganz schön krasse Geschichten zu hören bekommt, oder?

Wie bist du denn zu dieser Tätigkeit gekommen? Bewusst ausgesucht oder eher zufällig?

LG Salu
Liebe ist, dem Geliebten zu geben, was er braucht. Der Geliebte wird dir geben, was du brauchst, wenn du die Erwartung aufgibst, etwas zu bekommen. [Anita Balser]
18. März 2022 12:40 # 3
Registriert seit: 30.09.2021
Beiträge: 302

Zwei meiner Mitarbeiter und ich selbst vertreten Personalengpässe im Bereich Arbeitstherapie in zwei JVA von Berlin. Man muss dies schon wollen und sich klar machen, dass hier keine Engel einsitzen. Jeder Häftling dort hat seine ganz eigene Vorgeschichte, die nicht jeder Außenstehende akzeptieren kann. Vom einfachen Kleinkrimminellen, Betrüger, Mörder, Kinderschänder und Vergewaltiger sitzen hier alle ein und könnten dein Klientel darstellen. Je nach der eigenen Sensibilität, Lebensgeschichte und Selbsterfahrung kommt man mitunter schnell an seine Tolleranzgrenze und Akzeptanzschwelle. Wenn dann noch die täglichen Provokationen unter den Häftlingen auf Wärter und Therapeuten übergehen, dann endet oft die Bereitschaft mit diesen Häftlingen zu arbeiten, oder man läßt sich in diesen Strudel mitreißen und behandelt die Häftlinge ebenso aggressiv. Es ist manchmal ein sehr wackliger und emotionaler Kraft-/Balanceakt, wie ein Tanz auf dem Vulkan. Es ist trotzdem ein interessantes und abwechslungsreiches Arbeiten.
"Lebe im Heute als wenn es kein Morgen geben würde. Wenn es doch ein Morgen gibt, um so besser für dich."
18. März 2022 12:54 # 4
Registriert seit: 30.07.2001
Bundesland: Baden-Württemberg
Beiträge: 112

Allen Respekt denen gegenüber, die dort arbeiten!
Ich hatte hatte mich mal vor langer Zeit für eine Tätigkeit auf dem Hohenasperg (Ba-Wü) interessiert.
Die Ergos waren dort (damals zumindest) sogar beamtet.
Jedoch die "angespannte" Atmosphäre, der Umgangston, kurz: das ganze Umfeld waren schon sehr gewöhnungsbedürftig. Jedenfalls: nichts für mich...
3~°
18. März 2022 12:55 # 5
Registriert seit: 04.08.2002
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 1247

Das ist Hardcore, da sollte man schon einiges im leben mitgemacht und bewältigt haben, psychisch und körperlich robust und sehr selbstbewusst sein.
Menschen die Erfahrungen imStrafvollzug haben, könnensehr gewieft und berechnend im Umgang mit "Sozialfuzzies" und Co sein. Ich kannte vor vielen Jahren ein paar einschlägig erfahrene Kriminelle, die recht genau wussten, wie sie sich darzustellen hatten. Sie haben so viel Zeit, sich damit zu beschäftigen etwas zu erreichen oder rauszukommen.
Ich habe es mir nie zugetraut in solchen Einrichtungen zu arbeiten.

Schönes Wochenende
Signaturen lesen ist Zeitverschwendung!
18. März 2022 13:58 # 6
Registriert seit: 16.08.2006
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Beiträge: 15

Hallo und danke für die interessanten Beiträge.

@saliki: Wie ich zu der Arbeit kam? Schon lange her, aber ich habe mich kontinuierlich weiterentwickelt und die Herausforderungen immer weiter angepasst.
Mir wurde es nach 12 Jahren Privatpraxen zu langweilig. Da war irgendwann die Routine da und es kam im Prinzip nichts Neues mehr. Einen Apoplex oder eine Wahrnehmungsstörung behandelte ich wie im Schlaf. Dann Klinik und weiter in die Forensik.

Ich gebe jedem Recht, der sagt, man muss ein gewisses standig haben. Dass man selbst viel durchgemacht haben muss, sehe ich nicht so. Da habe ich andere Erfahrungen gemacht. Selbstbewusstsein braucht man schon. Nicht zu vergessen, dass wir im Team hochprofessionell arbeiten.

Was mir leider immer wieder zu kurz kommt, ist unser ethischer Ansatz. Es handelt sich doch immer noch um Menschen (und wir sind immer noch Ergotherapeuten). Und jeder von ihnen hat seine Geschichte.
(@ onkel tom): Dazu kommt, dass ich vom Maßregelvollzug und nicht vom Strafvollzug rede. Berlin, JVA... das ist ne Hausnummer!
Ich behandle psychisch kranke Menschen, die frei von Schuld (da schuldunfähig) eine gesetzeswiedrige Tat verübten. Also nach §63 oder §64 untergebracht sind.
Ich trage also mit meiner Arbeit dazu bei, dass diese Menschen nicht mehr zum Täter werden. Und das gelingt in vielen Fällen.

@ Micha: Die meisten wären vermutlich überrascht, wie freundlich und ruhig (zumindest bei uns) der Umgangston ist. Es gibt viel zu lachen und wir machen tolle Projekte. Natürlich gibt es angespannte Patienten. Jeder hat mal einen schlechten Tag. Aber wir sind ja auch wichtige Bezugspersonen, mit denen man reden und Lösungen finden kann.
Es gab bisher noch nie einen Übergriff auf einen Ergotherapeuten.
Signatur ;)
22. März 2022 15:10 # 7
Registriert seit: 20.07.2018
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beiträge: 85

Hallo, ich habe insofern mit dem Klientel Erfahrung, als dass diese Patienten oft im Akutzustand, vor der Verurteilung oder während der Bewährung bei uns auf der geschlossenen Station sind. Prinzipiell sehe ich hier, was die Akutbehandlung angeht, keinen Unterschied zu meinen "normalen" Akutpatienten. Ich würde mich trotzdem wahrscheinlich nicht in der Forensik bewerben, da ich gerade die langen Liegezeiten persönlich eher abschreckend finde und ich den Wechsel auf der Akutstation sehr schätze. Wir haben hier in der Klinik aber auch zwei forensische Stationen und meine Kollegen, die dort arbeiten, arbeiten alle sehr gerne dort. Insgesamt scheint es dort auch weniger "anstrengend" zu sein, da die Patienten eben nicht mehr so akut sind, wie auf der geschützten Station, da deutlich besser eingestellt und meist auch therapiemotiviert.
23. März 2022 09:30 # 8
Registriert seit: 16.08.2006
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Beiträge: 15

Hallo Stöffi,

was mir auffällt ist, dass es Unterschiede in der Unterbringung gibt. Bei uns sind natürlich auch die, die frisch nach einer Tat untergebracht werden und noch lange nicht verurteilt sind.
Die Patienten sind also von der Aufnahme bis zur Entlassung bei uns.

Ja, das ist gut und schlecht zugleich. Überwiegend finde ich die langen Liegezeiten gut. Man kann viel bewegen und sehr positiv ist natürlich die Zeit, die man hat. Da macht einem keiner Druck, dass man die Therapieziele schneller erreichen muss wie es z.B. in einer Praxis ist. Da sitzen einem ja irgendwie immer die Kassen und Ärzte im Nacken.
Schwierig kann es werden, die Menschen wieder in die Freiheit zu entlassen. Stichwort Selbständigkeit...

Signatur ;)
23. März 2022 10:10 # 9
Registriert seit: 06.05.2008
Beiträge: 1191

Ich kenne mehrere Kollegen die in der Forensik arbeiten . die sind allesamt happy damit. Und ich hatte auch schon Ergoschüler deren Ziel es war in die Forensik zu gehen. Persönlich habe ich noch nie mitbekommen das es da Personalprobleme gibt. Ganz im Gegenteil. Eher wird immer gesagt das man in der Forensik immer alles bekommt an Material und die Ausstattung vom Feinsten ist bei den Untergebrachten.
Kenne auch niemanden der von dort weg ist weil er /sie die Arbeit nicht gut fand.
eher wegen Bedingungen wie befristete Verträge usw.
23. März 2022 11:16 # 10
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Bundesland: Rheinland-Pfalz
Beiträge: 15

Das sind ja durchweg positive Erfahrungen. Wie schön.
Was das Budget betrifft, kann ich nur bestätigen, dass wir sehr gut dastehen. Ist ja auch nicht über die Kassen finanziert, sondern über das Land.
Und wenn ich mir dazu noch die Bezahlung anschaue... TVÖD, alles geregelt, Regelmäßig Lohnsteigerungen, maximaler Urlaub.
In meinen Praxiszeiten hatte ich über 1200,- Euro weniger - im Monat. Netto. Neun Tage im Jahr weniger Urlaub. Keine Unterstützung bei FOBIs. Also das ist schon eine andere Welt.
Personalprobleme haben wir dahingehend, als dass sich kaum jemand bewirbt. Liest man die vorherigen Posts, ist das nachvollziehbar. Die Vorurteile sind einfach zu groß. Leider.
Signatur ;)
23. März 2022 13:27 # 11
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Beiträge: 936

Stimmt, roo, leider generell in den Kliniken nur noch befristete Verträge.
23. März 2022 14:06 # 12
Registriert seit: 16.08.2006
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Beiträge: 15

Zitat / freckle hat geschrieben:
Stimmt, roo, leider generell in den Kliniken nur noch befristete Verträge.


Das ist im öffentlichen Dienst Pflicht (gesetzlich vorgegeben). Nach der Entfristung ist man ja nur noch schwer kündbar. Also ein sicherer Arbeitsplatz. Aber, immer öfter werden unbefristete Stellen angeboten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Zumindest bei uns habe ich noch keinen gesehen, der nicht entfristet wurde. Die meisten wurden sogar vorzeitig entfristet, als Geste, dass man sie in der Klinik halten wollte.

Etwas anderes sind die ganzen privaten Kliniken wie AHG. Da hat man keine tarifliche Bindung usw.
Signatur ;)
23. März 2022 15:19 # 13
Registriert seit: 06.05.2008
Beiträge: 1191

Aber nicht jeder mag darauf warten was vielleicht einmal sein wird.Deshalb wechselt dann schon mal ein Befristeter in ein unbefristetes sicheres Nest. Und das zu Recht.
Und generell stimmt nicht. Haben gerade erst einen Kollegen unberistet eingestellt bekommen.
23. März 2022 15:29 # 14
Registriert seit: 16.08.2006
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Beiträge: 15

Zitat / roo22 hat geschrieben:

Und generell stimmt nicht. Haben gerade erst einen Kollegen unbefristet eingestellt bekommen.

Hab ich gerade geschrieben.

Im Übrigen ist das off topic. Meine Frage ist, was Ihr von der Arbeit in einem forensischen Krankenhaus/Maßregelvollzug haltet. Da würde ich die Diskussion gerne wieder hinführen. Das Gehalt ist nur ein Faktor.
Ich gehe ja der Frage nach, warum der Bereich so ein schlechtes Ansehen hat.
Signatur ;)
25. März 2022 12:14 # 15
Registriert seit: 05.02.2007
Bundesland: Bayern
Beiträge: 936

Zitat / ergoergo hat geschrieben:
Zitat / roo22 hat geschrieben:

Und generell stimmt nicht. Haben gerade erst einen Kollegen unbefristet eingestellt bekommen.

Hab ich gerade geschrieben.

Im Übrigen ist das off topic. Meine Frage ist, was Ihr von der Arbeit in einem forensischen Krankenhaus/Maßregelvollzug haltet. Da würde ich die Diskussion gerne wieder hinführen. Das Gehalt ist nur ein Faktor.
Ich gehe ja der Frage nach, warum der Bereich so ein schlechtes Ansehen hat.



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