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Rheuma bei Kindern und Jugendlichen: Eine häufig übersehene Erkrankung

Viele Menschen glauben, dass Rheuma vor allem eine Erkrankung im Alter ist. Doch auch Kinder und Jugendliche sind betroffen: In Deutschland leiden neben den rund zwei Millionen erwachsenen Rheumatikern etwa 40.000 Kinder und Jugendliche an rheumatischen Erkrankungen, die Entzündungen von Gelenken und Organen auslösen. Rheuma tritt bei Kindern ebenso oft auf wie Diabetes oder Krebs und zählt damit zu den häufigsten chronischen Leiden im Kindesalter, wie die Stiftung Kindergesundheit berichtet.

Rheuma bei Kindern und Jugendlichen

„Es ist zu wenig bekannt, dass Rheuma-Erkrankungen in allen Altersgruppen auftreten können.“ sagt Kinder- und Jugendärztin Priv.-Doz. Dr. Annette Jansson, Leiterin der Rheumatologie des Dr. von Haunerschen Kinderspitals und des Fachbereiches Rheumatologie im integrierten Sozialpädiatrischen Zentrum der Universität München. Besonders Kleinkinder, Schulkinder und Jugendliche sind von ganz verschiedenen Erkrankungen betroffen, die nicht gleich als entzündlich-rheumatisch erkannt werden. Vor allem in Fällen ohne Gelenkentzündungen wird oft nicht an Rheuma gedacht. Viele betroffene Kinder und Jugendliche durchlaufen daher einen langen Leidensweg, ehe die richtige Diagnose gestellt und eine geeignete Therapie begonnen wird.

Dabei besteht nicht jede rheumatische Erkrankung bei Kindern lebenslänglich, in manchen Fällen heilt sie spontan aus, ohne bleibenden Schäden zu hinterlassen. Dennoch stellen sie eine erhebliche Belastung für die betroffenen Kinder und ihre Familien dar. „Durch gezielte Therapien lassen sich jedoch die Symptome oft gut behandeln“, betont die Spezialistin der Münchner Universitätskinderklinik.

Kinderrheuma hat viele Gesichter

Der Begriff „Rheuma“ umfasst über 400 bekannte unterschiedliche entzündliche Erkrankungen, die nicht auf Infektionen zurückzuführen sind. Neben dem bekannten Gelenkrheuma zählen auch entzündliche Erkrankungen anderer Organe oder Systeme zu den rheumatischen Erkrankungen. Sie können in jedem Lebensalter auftreten.

Beim Gelenkrheuma handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die eigenen Gelenke angreift und Entzündungen verursacht. Allerdings kann es auch im Rahmen von Infekten oder aufgrund anderer Ursachen zu Gelenkentzündungen kommen. Diese heilen meist von selbst oder mit medikamentöser Unterstützung und machen 80 bis 90 Prozent der Fälle aus, oft mit mildem Verlauf. Bei den übrigen 10 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen entwickeln sich jedoch chronische Gelenkentzündungen. Bei ihnen verläuft die Erkrankung oft schubweise. Es können auch Knochen, Muskeln und sogar die Augen betroffen sein. Diese Kinder benötigen eine spezielle Rheuma-Therapie.

Mädchen häufiger betroffen als Jungen

„Die bei Weitem häufigste Form der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen im Kindesalter ist die ‚juvenile idiopathische Arthritis‘ (JIA), also die chronische Gelenkentzündung“, erläutert Kinderrheumatologin PD Dr. Annette Jansson. Arthritis beschreibt entzündliche Erkrankungen der Gelenke, während „idiopathisch“ in der Medizin für Krankheiten steht, deren genaue Ursachen unbekannt sind.

Die Erkrankung beginnt häufig im Vorschulalter, wobei Mädchen häufiger als Jungen erkranken. In der Regel treten zunächst Entzündungen in den Knie- oder Sprunggelenken auf, doch auch einzelne Finger- oder Zehengelenke können betroffen sein.

Eine weniger häufige, aber durch wiederkehrende Fieberschübe ebenfalls stark belastende rheumatische Erkrankung ist das sogenannte „Still-Syndrom“. Diese Krankheit kann den gesamten Körper betreffen, auch ganz ohne Gelenkentzündung. Die Symptome ähneln denen ansteckender Kinderkrankheiten: Das Kind fiebert oft über zwei Wochen und auf seiner Haut zeigt sich ein Ausschlag mit lachsfarbigen Flecken. Weitere mögliche Symptome sind geschwollene Lymphknoten, eine Entzündung des Herzbeutels, sowie eine vergrößerte Leber und Milz und Störung der Blutbildung im Knochenmark.

Keine Lust auf Laufen und Bewegung

Anders als bei Erwachsenen zeigt sich Gelenkrheuma bei Kindern oft nicht sofort durch Schmerzen, sondern vielmehr durch eingeschränkte Bewegungsfähigkeit und Schonhaltungen. Der chronische Entzündungsprozess im Bindegewebe führt dann aber auch bei Kindern und Jugendlichen zu Gelenkbeschwerden, die mit Schmerzen und Schwellungen einhergehen. Diese Probleme können das Kind sowie die gesamte Familie über Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte belasten. Heute weiß man, dass Bewegung und Sport auch für Kinder mit Gelenkrheuma gut und wichtig sind. Aus diesem Grund zielt die Behandlung darauf ab, dies möglichst uneingeschränkt zu ermöglichen.

Die ganze Familie leidet mit

Die Diagnose „rheumatische Erkrankung“ verändert abrupt das Leben der Betroffenen und ihrer Familien. Laut Priv.-Doz. Dr. Annette Jansson sei es für die Familie und das soziale Umfeld oft schwer nachvollziehbar, dass viele Kinder mit Gelenkrheuma aufgrund typischer Morgensteifigkeit Schwierigkeiten haben, an einem früh beginnenden Schulunterricht teilzunehmen. Oft sind sie auf Hilfsmittel angewiesen, um den langen Schulweg zu bewältigen, können keine Treppen mehr steigen und sind nicht in der Lage, gelenkbelastenden Sportunterricht zu absolvieren, selbst wenn ihre Gelenkfunktionen auf den ersten Blick intakt erscheinen.

Als besonders gravierend erweisen sich die Behinderungen der Bewegungsfähigkeiten. Die davon betroffenen Kinder sind auf die Hilfe ihrer Familie angewiesen, die häufig viele Fahrten zu Arztbesuchen, physiotherapeutischen Behandlungen, Ergotherapien, Heilschwimmen und zur täglichen Kita oder Schule organisieren muss. Sind beide Eltern berufstätig, dann lassen sich diese Aufgaben kaum bewältigen. In der Regel ist es die Mutter, die diese Pflichten erfüllen muss, zu Lasten der übrigen Familienmitglieder und damit auch der Geschwister.

Behandlung in spezialisierten Zentren

Wegen anhaltender oder erneut auftretender Beschwerden benötigen rheumakranke Kinder mitunter auch stationäre Therapien in spezialisierten Zentren. Dort muss eine komplexe Behandlung durchgeführt werden. Dabei wird unter anderem mit einer intensiven Krankengymnastik versucht, die bereits entstandenen Fehlhaltungen und Fehlstellungen zu lösen und die Beweglichkeit des erkrankten Kindes zu verbessern. Immer häufiger wird beobachtet, dass Kinder und insbesondere Jugendliche an Schmerzsyndromen leiden, die erhebliche Auswirkungen auf ihre soziale Teilhabe und Entwicklung haben, auch wenn keine organischen Ursachen gefunden werden können. Inzwischen gibt es Zentren, die multimodale Therapie-Konzepte anbieten.

Im Vergleich zu älteren Rheumatikern haben Kinder mit Rheuma heute deutlich bessere Heilungschancen, betont die Stiftung Kindergesundheit. Dabei ist es entscheidend, dass Kinderrheuma frühzeitig erkannt und angemessen behandelt wird. Bei fast der Hälfte der Patienten heilt Kinderrheuma bis zum Erwachsenenalter aus.

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