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Warum sollte ich als Ergotherapeut*in evidenzbasiert arbeiten?

Die evidenzbasierte Praxis (EBP) stellt eine tragende Säule der Ergotherapie von heute dar und bildet das Fundament für wirksame und nachhaltige therapeutische Entscheidungen. Dabei fließen wissenschaftliche Erkenntnisse, die klinische Expertise der Therapeut*innen sowie die individuellen Bedürfnisse und Werte der Klient*innen gleichermaßen ein. Doch was macht diesen Ansatz so wichtig und welche Herausforderungen zeigen sich in der Praxis?

Evidenzbasiertes Arbeiten in der Ergotherapie

Einleitung: Die drei Grundpfeiler der evidenzbasierten Praxis

Die evidenzbasierte Praxis (EBP) ist ein zentraler Bestandteil der modernen Ergotherapie und bildet die Grundlage für fundierte, wirksame und nachhaltige therapeutische Entscheidungen. Sie basiert auf drei gleichwertigen Säulen:

  1. Die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz: Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Studien liefern objektive Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Sicherheit therapeutischer Maßnahmen.
  2. Die klinische Expertise der Therapeut*innen: Die praktische Erfahrung und das Fachwissen von Ergotherapeut*innen sind essenziell, um Forschungsergebnisse sinnvoll in den Therapiealltag zu integrieren.
  3. Die individuellen Bedürfnisse und Werte der Klient*innen: Die bestmögliche Therapie berücksichtigt immer auch die persönlichen Wünsche, Erwartungen und Lebensumstände der Klient*innen.

Das Zusammenspiel dieser drei Faktoren ermöglicht eine gezielte und klient*innenzentrierte Ergotherapie, die sich an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert, aber gleichzeitig die Erfahrung des/der Therapeut*in sowie die Präferenzen der Klient*innen respektiert.

Warum ist evidenzbasiertes Arbeiten so wichtig?

1. Qualität und Wirksamkeit der Therapie erhöhen

Evidenzbasiertes Arbeiten stellt sicher, dass therapeutische Maßnahmen tatsächlich wirksam sind. In der Vergangenheit wurden viele Interventionen intuitiv angewandt, ohne dass ihre Effektivität systematisch überprüft wurde. Moderne Forschung hilft dabei, Therapiekonzepte kontinuierlich zu verbessern, ineffektive oder sogar schädliche Methoden zu vermeiden und auf bewährte, wissenschaftlich fundierte Ansätze zurückzugreifen.

Beispiel: Eine randomisierte kontrollierte Studie aus dem Jahr 2022 zeigte, dass sensorische Integrationsansätze bei Kindern mit Autismus und sensorischen Verarbeitungsproblemen zwar eingesetzt werden, ihre Wirksamkeit jedoch nicht eindeutig belegt ist (Randell et al., 2022). Eine evidenzbasierte Ergotherapie würde daher alternative, besser untersuchte Methoden in Betracht ziehen.

2. Berufliche Kompetenz und Glaubwürdigkeit stärken

Ergotherapeut*innen, die evidenzbasiert arbeiten, steigern ihre fachliche Kompetenz und gewinnen an Glaubwürdigkeit gegenüber Klient*innen, Angehörigen und anderen Gesundheitsberufen. Dies trägt zur Professionalisierung der Ergotherapie bei und erhöht die Anerkennung der Disziplin im Gesundheitswesen.

Beispiel: Ärzt*innen und andere Fachkräfte bevorzugen interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Therapeut*innen, die ihre Behandlungsempfehlungen auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen. Eine evidenzbasierte Argumentation kann dazu beitragen, bessere Zusammenarbeit und interdisziplinäre Anerkennung zu fördern.

3. Effiziente Nutzung von Ressourcen

Durch evidenzbasiertes Arbeiten kann sichergestellt werden, dass nur solche Interventionen angewandt werden, die tatsächlich einen positiven Effekt auf die Klient*innen haben. Dies spart nicht nur Zeit, sondern auch finanzielle und personelle Ressourcen.

Beispiel: Eine Untersuchung von Graff et al. (2006) zur Wirksamkeit von Ergotherapie bei Demenz zeigte, dass individuell auf den Alltag abgestimmte ergotherapeutische Interventionen, die auch die Angehörigen miteinbezieht, die Selbstständigkeit der Betroffenen verbessern und die Belastung der Angehörigen verringern können. Die Studie macht deutlich, dass der gezielte Einsatz alltagsrelevanter Methoden einen entscheidenden Beitrag zum Therapieerfolg leisten kann.

4. Gesetzliche und ethische Verpflichtungen erfüllen

Die evidenzbasierte Praxis entspricht auch den gesetzlichen und ethischen Anforderungen an die Ergotherapie. Laut dem Heilmittelwerbegesetz und den internationalen Standards der Ergotherapie (WFOT, 2021) sollen therapeutische Maßnahmen wissenschaftlich fundiert sein, um Klient*innen bestmöglich zu schützen und eine hohe Behandlungsqualität sicherzustellen.

5. Lebenslanges Lernen und berufliche Weiterentwicklung fördern

Evidenzbasierte Praxis erfordert eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit neuen Forschungsergebnissen und therapeutischen Entwicklungen. Dies fördert die persönliche Weiterentwicklung, verbessert die beruflichen Perspektiven und ermöglicht es Ergotherapeut*innen, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Beispiel: Regelmäßige Fortbildungen, wissenschaftliche Fachzeitschriften und der Austausch mit Kolleg*innen helfen dabei, aktuelle Forschungsergebnisse in die Praxis zu integrieren. Dies trägt zur Weiterentwicklung des Berufsfeldes bei und macht Ergotherapie zukunftssicher.

Herausforderungen und Lösungen bei der Umsetzung

Obwohl die Vorteile des evidenzbasierten Arbeitens klar sind, gibt es in der Praxis einige Herausforderungen:

  • Zeitmangel: Der Therapiealltag lässt oft wenig Zeit für das Lesen wissenschaftlicher Studien.

    Lösung: Nutzen von praxisnahen Zusammenfassungen in Fachzeitschriften oder Online-Datenbanken (z. B. Cochrane Library, PubMed, WFOT Research Database).

  • Fehlender Zugang zu wissenschaftlichen Quellen: Viele Studien sind hinter Paywalls verborgen.

    Lösung: Hochschulbibliotheken, Open-Access-Zeitschriften und Berufsverbände bieten oft kostenfreien Zugang.

  • Unsicherheit bei der Interpretation wissenschaftlicher Daten: Nicht jede*r Therapeut*in ist im wissenschaftlichen Arbeiten geschult

    Lösung: Fortbildungen zur evidenzbasierten Praxis und Austausch mit wissenschaftlich arbeitenden Kolleg*innen.

Fazit: Eine Investition in die Zukunft der Ergotherapie

Evidenzbasiertes Arbeiten ist kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit, um die Qualität, Wirksamkeit und Anerkennung der Ergotherapie kontinuierlich zu verbessern. Die Kombination aus wissenschaftlicher Evidenz, klinischer Expertise und Klient*innenpräferenzen ermöglicht eine zielgerichtete, effiziente und ethisch vertretbare Therapie. Ergotherapeut*innen, die sich diesem Ansatz öffnen, leisten nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Professionalisierung ihres Berufsstandes, sondern profitieren auch selbst durch eine gesteigerte Fachkompetenz und bessere berufliche Perspektiven.

Quellen:

Text: Vanessa Diel, Institut Wissen (InWi)

Korrekturhinweis der Redaktion vom 02.10.2025:
Der am 24.09.2025 veröffentlichten Beitrag beinhaltete einen Fehler in der Quellenangabe. Teile der verwendeten Referenzen waren fehlerhaft bzw. nicht korrekt zugeordnet. Der Artikel wurde überprüft und die betreffenden Stellen korrigiert.

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