Auch wenn Betroffene eine Krebserkrankung überstanden haben, können Krebstherapien unerwünschte Langzeitfolgen hinterlassen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Krebspatienten von einer gezielten Bewegungstherapie vor, während und nach onkologischer Behandlung profitieren können,
um ihre Fitness zu verbessern, körperliche Funktionen wiederherzustellen und die Lebensqualität zu verbessern.
Ein internationales Konsortium unter Beteiligung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg hat nun alle verfügbaren Daten zur Wirksamkeit von
Sport und Bewegung bei Krebs ausgewertet und weltweite Empfehlungen für Betroffene veröffentlicht.
Foto: © NCT Heidelberg / Philip Benjamin
Moderne diagnostische und therapeutische Verfahren in der Onkologie haben es möglich gemacht, dass die Heilungsraten in den letzten Jahren stark angestiegen sind.
So leben allein in Deutschland rund vier Millionen Menschen, die eine Krebserkrankung überstanden haben. Oft hinterlässt die Erkrankung aber Spuren,
die den Alltag der Betroffenen beeinträchtigen können.
Besonders häufig leiden Krebsüberlebende unter Erschöpfung, Schmerzen, Schlafstörungen, Sorgen, Ängsten,
Bewegungseinschränkungen und Polyneuropathie.
Studien haben gezeigt, dass gezielte Bewegungstherapie die physischen, psychischen und psychosozialen
Einschränkungen onkologischer Patienten in der Nachsorge positiv beeinflussen können.
"Trotz dieser positiven Erkenntnisse sind Bewegungsangebote für
Krebspatienten in der Nachsorge noch längst nicht überall in Deutschland vorhanden und auch in den Leitlinien zur Nachsorge einzelner Krebsarten nur
unzureichend verankert".
Joachim Wiskemann, Sportwissenschaftler und Leiter der Arbeitsgruppe Onkologische Sport- und Bewegungstherapie am
NCT Heidelberg und Universitätsklinikum Heidelberg
Experten fassen anwendungsbezogene Trainingsempfehlungen zusammen
Im letzten Jahr trafen sich internationale Experten in den USA zum "International Multidisciplinary Roundtable on Exercise and Cancer
Prevention and Control", organisiert vom American College of Sports Medicine (ACSM).
Während der zweitägigen Veranstaltung ging es darum, die Bewegungsempfehlungen für Krebsüberlebende basierend auf jüngsten Forschungsergebnissen zu überarbeiten.
Die gewonnenen Erkenntnisse veröffentlichten die internationalen Autoren in einem Bericht und erstellten anwendungsbezogene Trainingsempfehlungen.
Landesspezifische Vertreter des internationalen Expertengremiums haben nun die Aufgabe, diese Empfehlungen in ihrem jeweiligen Land in die klinische Anwendung zu bringen.
In ihren Auswertungen kamen die Experten zu dem Schluss, dass körperliches Training und notwendige körperliche Tests für Krebsüberlebende sicher sind und dass
jeder Betroffene Inaktivität vermeiden sollte. Darüber hinaus erstellten die Wissenschaftler und Ärzte eine Liste von krebsbezogenen Gesundheitsbeeinträchtigungen
wie Angstzuständen, depressiven Symptomen, Müdigkeit, körperlicher Leistungsfähigkeit, Lymphödemen und Lebensqualität, bei denen Bewegung mit hoher klinischer
Relevanz einen therapeutischen Nutzen für den Patienten darstellt. Dabei geben sie klare Empfehlungen für einzelne Krebsarten und die Bewegungsintervention
differenziert nach Ausdauer- und/ oder Krafttraining, der Intensität, Dauer und Frequenz der Trainingseinheiten.
Die Empfehlungen der internationalen Expertenkommission richten sich an Patienten und alle, die in die Betreuung von onkologischen Patienten eingebunden sind.
Ein besonderer Fokus liegt auf bewegungstherapeutischen Berufsgruppen, sowie Fitness- und Gesundheitsexperten.
Netzwerk OnkoAktiv ermöglicht wohnortnahes Angebot
Joachim Wiskemann wird sich gemeinsam mit dem Deutschen Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e. V. (DVGS) dafür einsetzen, die Versorgung von Krebspatienten
durch flächendeckende Bewegungsangebote in der Nachsorge zu verbessern.
Das am NCT Heidelberg gegründete Netzwerk OnkoAktiv verfolgt diese Ziele bereits seit 2012.
Der Verbund von Gesundheitseinrichtungen in der Region Rhein-Neckar, mit inzwischen drei überregionalen OnkoAktiv-Zentren in Frankfurt, Coburg und Hamburg,
ermöglicht Krebspatienten wohnortnah ein qualitätsgesichertes sport- und bewegungstherapeutisches Angebot.
"Wir wollen unter anderem mit Strukturen wie OnkoAktiv
den Zugang zu betreuten Bewegungsinterventionen erleichtern und mehr Sportgruppen mit spezifisch geschulten Trainern aufbauen. Letztendlich sollte ein individuell
angepasstes Bewegungstraining Teil jedes Nachsorgeplans für Krebspatienten sein", ergänzt Wiskemann.
Originalpublikation
K. L. Campbell, K. Winters-Stone, J. Wiskemann, A. M. May, A. L. Schwartz, K. S. Courneya, D. Zucker, C. Matthews, J. Ligibel, l. Gerber, G. S. Morris,
A. Patel, T. F. Hue, F.M. Perna, K. H. Schmitz (2019)
Exercise Guidelines for Cancer Survivors: Consensus Statement from International Multidisciplinary Roundtable.
Medicine & Science in Sports & Exercise, DOI 10.1249/MSS.0000000000002116
Tabellarischer Überblick über krebsbezogene Beeinträchtigungen, bei denen Bewegung eine klinische Relevanz hat.
Quelle:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg