Das Projekt NeFaH – Neurofeedbacksystem zur digitalen Therapie der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) in Heimanwendung – bringt Medizin, Therapie und Technik zusammen. Gemeinsam haben die Projektbeteiligten einen Prototyp für die digitale, telemedizinische Neurofeedback-Therapie bei ADHS entwickelt, der für die klinische Anwendung zugelassen werden soll. Die innovative Lösung soll eine schnelle Versorgung von Betroffenen auch im ländlichen Raum sowie eine Therapie der Störung ohne Medikamente ermöglichen.
Neben medikamentösen Therapien, die in Deutschland bei etwa der Hälfte aller von ADHS-Betroffenen angewendet werden, kommen auch nicht-medikamentöse Therapien zum Einsatz. Eine davon ist das sogenannte Neurofeedback, bei dem die Betroffenen Methoden lernen, die in Situationen von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefiziten helfen.
Das Problem: Neurofeedback erfordert ein hohes therapeutisches Engagement. Vor allem im ländlichen Raum ist eine Versorgung und Therapie der Betroffenen meist schwerer beziehungsweise langsamer möglich als in Städten. In zahlreichen Studien hat sich die digitale Behandlung von ADHS in Heimanwendung als kurzfristig, aber vor allem auch nach Therapieende als dauerhaft wirksam erwiesen. Dieser Ansatz, bei dem die Patientinnen und Patienten Übungsprogramme am Tablet oder Handy absolvieren, ist jedoch bislang technisch viel zu aufwendig, um von den Betroffenen selbst oder von dem weniger intensiv geschultem Personal wirksam angewendet zu werden.
Das Projekt NeFaH – Neurofeedbacksystem zur digitalen Therapie der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) in Heimanwendung – setzt hier an. In den vergangenen drei Jahren haben die Projektpartner, die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, die Carus Consilium Sachsen (CCS) GmbH, die TeleConnect GmbH und die MedicalSyn GmbH, gemeinsam einen Prototyp entwickelt, der den in der klinischen Routine etablierten Ansatz des EEG-basierten Neurofeedbacks zur Behandlung von ADHS für Patientinnen und Patienten in Heimanwendung ermöglicht. Dies geschieht bei gleichzeitigem, individualisiertem, patientenorientiertem Kontakt mit den jeweiligen Therapeutinnen und Therapeuten.
„Mit der innovativen, telemedizinischen Lösung haben wir nun die Möglichkeit, mehr Betroffenen von ADHS schneller eine Therapie zur Verfügung zu stellen, und erlangen gleichzeitig die Chance, die Grundversorgung von Betroffenen im ländlichen Raum zu sichern“, sagt Prof. Christian Beste, Leiter der Arbeitsgruppe Kognitive Neurophysiologie in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und Direktor des Universitäts Neuropsychologie Centrums (UNC) am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Weiterhin sollen die Therapeutinnen und Therapeuten durch die entwickelte NeFaH-Box und die dadurch ermöglichte Einbindung einer telemedizinischen Datenbank-Plattform jederzeit einen Überblick über den Therapieverlauf haben und Rückmeldung geben können. Technisch haben die Projektpartner dabei auf das für die Auswertung und Dokumentation bei NeFaH ohnehin eingesetzte „MedicalDataBaseSystem – MDBS“ zurückgegriffen und dieses angepasst. Das MDBS stellt eine aktive medizinische Datenbank und Interaktionssystematik für die am Behandlungsprozess Beteiligten zur Verfügung. So kann nun der Datenaustausch zwischen dem Gerät in der Heimanwendung und der Klinik direkt und sicher, ohne Umwege, stattfinden.
Innerhalb der Projektzeit ist es zudem gelungen, wesentliche Elemente des Neurofeedbackverfahrens in die Heimanwendung zu transportieren und dort ebenfalls nutzbar zu machen. Neurofeedback ist eine innovative und etablierte Form der Therapie. Sie beinhaltet Methoden, mit denen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite in unterschiedlichen Situationen ausgeglichen werden können.
Patientinnen und Patienten, die diese anwenden, sind so aufmerksamer und konzentrierter. Expertinnen und Experten empfehlen eine Anwendung für Betroffene ab einem Alter von acht Jahren. „Neurofeedback gibt Betroffenen die Möglichkeit, auch ohne Medikamente mit der Diagnose ADHS umzugehen. Dabei ist es wichtig, zu betonen, dass dies nicht das Allheilmittel ist. Neurofeedback erfordert eine gewisse Grundkonzentration und kann nicht bei Schwersterkrankten angewendet werden“, sagt Prof. Christian Beste. Er betont aber auch, dass das Interesse an dieser Therapieform zunimmt. Denn immer mehr Betroffene wollen nicht mit einer dauerhaften Medikamenteneinnahme gegen die Symptome leben. Dabei greift das Potenzial des entwickelten Prototyps noch weiter. Die grundlegenden Prinzipien von Neurofeedback können auch bei Zwangsstörungen oder in der Neurologie, zum Beispiel bei der Schlaganfall-Rehabilitation, angewendet werden.
Die Projektpartner hoffen nun, dass der entwickelte Prototyp schnell in die klinische Anwendung kommt. Dafür werden aktuell Anträge zur Finanzierung geschrieben. „Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass viele Partner zusammen an der Lösung eines Problems arbeiten. Bei NeFaH haben wir erneut die Expertise aus der klinischen Praxis, von Technik und einem großen Netzwerk in Sachsen zusammengeführt und eine Lösung für die Betroffenen entwickelt, die die Therapie langfristig verändern soll“, sagt Raimund Böhle, Prokurist und Projektmanager der CCS GmbH. „Die Netzwerkarbeit im Carus Consilium Sachsen hat wiederholt Akzente gesetzt, sie bringt Akteure zusammen und setzt den Fokus auf aktuelle Themen in der Gesundheitsversorgung. Die Telemedizin ist nur ein wichtiger Faktor dabei“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, zu dem die CCS GmbH als hundertprozentige Tochter gehört.
Das Projekt NeFaH wurde mit einer Laufzeit von zwei Jahren von der Europäischen Union gefördert.
Weitere Informationen finden Interessierte unter http://www.digitale-adhs-behandlung.de
Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden