Was das Gehirn sieht, beeinflusst, was der Körper fühlt: In einer aktuellen Untersuchung konnte ein Forschungsteam der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im LWL-Universitätsklinikum Bochum zeigen, dass eine künstliche Gummihand – allein durch die gezielte Illusion, sie gehöre zum eigenen Körper – helfen kann, das Schmerzempfinden an der echten Hand zu lindern. Die Erkenntnisse könnten neue Perspektiven in der Schmerztherapie eröffnen, etwa bei der Behandlung des komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS).
Schmerzlinderung durch visuelle Täuschung
Die sogenannte Gummihand-Illusion tritt auf, wenn eine reale, jedoch verdeckte Hand und eine künstliche Gummihand zeitgleich stimuliert werden – typischerweise durch Berührung. Im aktuellen Experiment wurde die Illusion jedoch durch einen Hitzereiz und ein synchron aufleuchtendes rotes Licht ausgelöst.
Zu Beginn bestimmten die Forschenden bei allen 34 rechtshändigen Teilnehmenden die individuelle Schmerzschwelle für Hitzereize. Anschließend legten die Versuchspersonen ihre linke Hand hinter eine Sichtblende, sodass sie sie nicht mehr sehen konnten. Diese Hand ruhte auf einer Thermode – einer kleinen, kontrolliert beheizbaren Metallplatte. Statt der echten Hand befand sich vor den Teilnehmenden eine Gummihand, die bei Bedarf von unten rot beleuchtet werden konnte. Mit ihrer rechten Hand bedienten die Teilnehmenden während des Versuchs einen Schieberegler, über den sie kontinuierlich angaben, wie stark sie die Hitze an ihrer verdeckten linken Hand empfanden.
In mehreren Durchläufen erhitzte die Thermode die Hand jeweils unterhalb, an oder über der individuellen Schmerzgrenze – begleitet von der gleichzeitigen Beleuchtung der Gummihand. In einer Kontrollbedingung wurde das Experiment mit einer um 180 Grad gedrehten Gummihand wiederholt.
Illusion führt zu messbarer Schmerzminderung
Die Ergebnisse waren eindeutig: Bei aktivierter Gummihand-Illusion empfanden die Versuchspersonen den Hitzeschmerz deutlich schwächer als in der Kontrollbedingung. „Der Hitzereiz an der linken Hand mit zeitgleicher roter Beleuchtung der Gummihand rief die Illusion hervor“, erläutert Studienleiter Prof. Dr. Martin Diers. Die Befragung nach jeder Versuchsserie bestätigte diesen Effekt.
Diers und sein Team gehen davon aus, dass die Wirkung auf einer multisensorischen Integration basiert – also dem Zusammenspiel von visuellen, propriozeptiven und nozizeptiven Reizen. Eine Rolle spielt möglicherweise auch die visuelle Analgesie: Der Schmerzreiz wird als weniger intensiv erlebt, wenn man den betroffenen Körperteil gleichzeitig ansieht. Die genauen neuronalen Mechanismen dahinter sind jedoch noch nicht vollständig verstanden.
Anwendung in der Schmerztherapie denkbar
Künftig könnten die Erkenntnisse für therapeutische Zwecke genutzt werden – etwa bei Patientinnen und Patienten mit komplexem regionalen Schmerzsyndrom (CRPS), bei dem es zu chronischen Schmerzen und Schwellungen in der Hand kommt.
Originalpublikation
Benjamin Mosch, Xaver Fuchs, Theresia Tu, Martin Diers: Time Course of the Rubber Hand Illusion Induced Analgesia, in: Pain Reports, 2025, DOI: 10.1097/PR9.0000000000001252