Die Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) hat die S2k-Leitlinie zur prolongierten Beatmungsentwöhnung in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation (NNFR) überarbeitet und aktualisiert. Im Mittelpunkt steht das Ziel, Patientinnen und Patienten mit schweren neurologischen Beeinträchtigungen möglichst früh von der künstlichen Beatmung zu entwöhnen – und gleichzeitig ihre Selbstständigkeit und Teilhabe so weit wie möglich zu stärken. Ein eigenes Kapitel der Leitlinie beschreibt dabei konkret die ergotherapeutischen Maßnahmen, die diesen Prozess wirksam unterstützen können.
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Wichtig: Die Beatmungsentwöhnung wird in der Leitlinie nicht als isolierter Vorgang betrachtet, sondern als Teil eines umfassenden Rehabilitationskonzepts. Dieses schließt auch die Behandlung weiterer neurologischer Funktionsstörungen und möglicher Komplikationen mit ein.
Aufgaben der Ergotherapie im Rehabilitationsprozess
Die ergotherapeutische Arbeit in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation (NNFR) zielt darauf ab, Patientinnen und Patienten bei der Wiedererlangung und Gestaltung von Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) zu unterstützen und diese Fähigkeiten gezielt anzubahnen.
Im Zentrum der steht — neben der Förderung von Mobilität und körperlicher Rehabilitation — insbesondere die Stärkung der Teilhabe am Alltag. Mobilisation und ADL-Training erfolgen dabei schrittweise: von passiven und unterstützten Aktivitäten hin zu zunehmend aktiven Aufgaben, die individuell an den jeweiligen Zustand und die Möglichkeiten der Patientinnen und Patienten angepasst werden.
Zu den ergotherapeutischen Maßnahmen zählen konkret:
- Mobilisation und Transfer:
Passive Mobilisation; Assistive und aktive Bewegungsübungen (Range of Motion, ROM) zur Verbesserung und zum Erhalt von Bewegungsfreiheit, Bewegungsradius und -umfang; Lagerungen und Bettmobilitätsübungen (z. B. Liegen-Sitz, Sitz-Sitz, Sitz-Stand-Transfer); Funktionelle Übungen; Mobilitätstraining mit und ohne Hilfsmittel; Schienenversorgung (z. B. bei Spastik);
- Sensorische Stimulation und Körperwahrnehmung:
Förderung der Körperwahrnehmung; Gleichgewichtsübungen
- Umweltmodifikation und -anpassungen:
Akustische und visuelle Umweltstimulation; Gestaltung des Umfelds mit vertrauten Gegenständen, Bildern, Geräuschen oder Düften
- Hilfsmittelversorgung:
Beratung, Anpassung, Schulung und Training im Umgang mit Hilfsmitteln
- Training von Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL):
Körperpflege, Waschen, Anziehen, Essen; Einleitung von Ruhe- und Schlafphasen; Unterstützung der Kommunikation; Anleitung zur Bedienung eines Rollstuhls; Nutzung von Medien (z. B. Handy, Telefon, TV, Radio, Zeitungen und Bücher)
- Therapeutische Beziehung und Beratung:
Erarbeitung einer therapeutischen Haltung; Aufbau einer therapeutischen Beziehung; Beratung, Anleitung und Schulung von Patient:innen und Angehörigen; Gemeinsame Entscheidungsfindung und Zielsetzung
- Kognitive und emotionale Unterstützung:
Behandlung kognitiver Störungen; Unterstützung bei emotionalen Belastungen (in Abstimmung mit (Neuro)Psycholog:innen; Maßnahmen zur Delir-Prävention; Hilfe beim Führen eines Tagebuchs; Beurteilung und Intervention mit dem Fokus auf psychische Gesundheit, Bewältigung und kognitive Leistung (z. B. Aufmerksamkeit, Handlungsplanung, Entwicklung eines Störungsbewusstseins)
Ein frühzeitiger Einsatz der Ergotherapie, eingebettet in einen multiprofessionellen Therapieansatz, wird empfohlen, da sie einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit, der Teilhabe und der Lebensqualität leisten kann.
Die S2k-Leitlinie Prolongierte Beatmungsentwöhnung in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation richtet sich an Neurorehabilitationsmediziner*innen, Neurolog*innen, Neurochirg*innen, Logopäd*innen, Anästhesist*innen und Intensivmediziner*innen, Physiotherapeut*innen, Palliativmediziner*innen, Neuropsycholog*innen, Ergotherapeut*innen, Notfallmediziner*innen, Krankenpfleger*innen und Betroffene.
Die aktuelle Fassung ist abrufbar im AWMF-Leitlinienregister (Registernummer 080-002).